Ob nun berechtigterweise oder nicht, daran scheiden sich die Geister. Fakt ist aber, dass dem Begriff „Ego Shooter“ außerhalb der Gamer-Szene oft das Makel eines sogenannten „Killergames“ anlastet. Und dass Kritiker solcher Spiele in ihnen immer wieder gerne die Ursache für verschiedenste Straftaten sehen, allen voran jenen mit Todesfolge. Für Kritiker dieser Kritiker ist es daher eine seltene, dafür aber umso willkommene Abwechslung, wenn auch mal positive Aspekte der Spiele herausgearbeitet werden, wenngleich auch diese „cum grano salis“ genossen werden sollten, wie es so schön heißt.
Daphne Bavelier (PDF) und ihr aus Kognitionswissenschaftlern bestehendes Team von der University of Rochester behaupten, Ego-Shooter fördern die Leistungsfähigkeit des Spieler-Hirns und könnten als Tool zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit im Alltag genutzt werden. Das hängt ihnen zufolge damit zusammen, dass Sinneseindrücke in solchen Games zügiger verarbeitet und damit einhergehend Entscheidungen schneller getroffen werden (müssen). Leuchtet ein: Reagierst du nicht fix genug, bist du ruckzuck eine virtuelle Leiche. Nun könnte man aber einwenden, dass es mitunter vorkommt, dass der Spieler in der Hast nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden kann und Ersteren mit einem „Friendly Fire“ wegpustet. Die Ergebnisse der Forscher legen aber etwas anderes nahe.
„Es ist nicht der Fall, dass bei Spielern von Action-Games der Finger locker am Abzug sitzt und sie ungenauer sind. Tatsächlich sind sie ebenso genau- und dabei sogar noch schneller“, so Bavelier mit Blick auf eine Kontrollgruppe. Sie „treffen pro Zeiteinheit mehr richtige Entscheidungen“, so die Forscherin weiter und entwickeln „eine erhöhte Sensibilität für das Geschehen um sie herum, was sie nicht nur zu besseren Gamern macht, sondern auch eine weite Palette an allgemeinen Fähigkeiten verbessert“. Diese können dann gewinnbringend im Alltag eingesetzt werden, „etwa beim Multitasking, Autofahren, Lesen kleiner Schrift, Freunde in einer Menge nicht aus den Augen verlieren und sich in einer Stadt zurecht finden“.
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Um das herauszufinden, teilten die Forscher mehrere Dutzend 18 bis 25 Jahre alte, eigenen Angaben zufolge Non-Gamer in zwei Gruppen ein und ließen sie über mehrere Wochen insgesamt 50 Stunden zocken. Dabei spielte die eine Gruppe „Call of Duty 2″ und „Unreal Tournament“, die andere „The Sims 2“. In anschließend durchgeführten Tests wurden sie per Kopfhörer und Monitor mit bestimmten Situationen konfrontiert, auf die sie reagieren mussten. Wer von euch schon mal beim Kreiswehrersatzamt zur Musterung antreten musste, der hat bereits eine gute Vorstellung, was in dem Test verlangt wurde: Erkennen, ob ein Ton im linken oder rechten Ohr ertönt oder in welche Richtung sich auf dem Bildschirm bewegende Punkte orientieren. Die Ergebnisse waren die oben beschriebenen: Die Action-Gamer waren bei gleich vielen richtigen Antworten um 25 Prozent schneller als ihre Sims-Kollegen.
Der Grund liegt Bavelier zufolge in einem Phänomen, das die Wissenschaft „Probabilistic Inference“ nennt. Damit wird der Umstand bezeichnet, dass Menschen ihre Entscheidungen unentwegt auf Basis von Wahrscheinlichkeiten treffen, die sich in ihrem Kopf permanent neu berechnen und überdenken. Hierzu werden in einem gegebenen Kontext so viele optische und akustische Informationen aufgenommen und verarbeitet, bis eine Person entscheidet, auf ihrer Basis eine ihrer Meinung nach richtige Entscheidung treffen zu können. Und diese Fähigkeit könnte eben durch Ego- Shooter besonders geschult werden.
Das mag ja alles stimmen. Ich frage mich nur, ob dieses positive Merkmal wirklich so explizit den Shootern zuweisen sollte. Meinem Verständnis nach sieht es nämlich so aus, dass ich beim Spielen des vierundzwanzigsten Levels von Tetris im B-Modus auch andere Sinne schärfe, als beim Spielen von Monopoly. Und beim Letztgenannten bringt es mir keinen Vorteil, ob ich eine Sekunde vor meinem Mitspieler erkenne, welche Zahl mir die Würfel anzeigen oder dass er mit seinem nächsten Zug auf meiner Straße landet. Will sagen: Die Ergebnisse, die die Forscher messen wollten, konnten sie sicherlich bei den Ego-Shootern leichter feststellen, weil diese die Kompetenzen, auf die es ankam, für einen erfolgreichen Verlauf des Spiels ausprägen mussten. Es wäre vielleicht sinnvoller gewesen, sie daher mit Spielern von Flugsimulatoren zu vergleichen.
Nicht falsch verstehen: Ich begrüße Studien, die positive Aspekte des Zocken von Games aufzeigen. Bei der vorliegenden stört mich einfach nur einerseits der negative Populismus-Beigeschmack. Und andererseits der latent vermittelte Eindruck, als könnten alle durch 50 Stunden „Call of Duty“-Zocken zu Präzisions-Reaktions-Superstars werden.
(Marek Hoffmann)