Nachdem russische Bürgerrechts-Gruppen unter dem Vorwand von Software-Piraterie durch staatliche Stellen schikaniert wurden, hat Microsoft eine weiterreichende neue Lizenz angekündigt, die das in Zukunft verhindern soll. Die New York Times hatte am vergangenen Samstag berichtet, dass unliebsame Organisationen in Russland oft Opfer von Polizei-Razzien werden. Die Computer der Aktivisten werden von den Sicherheitskräften beschlagnahmt und die Festplatten durchsucht. Offizielle Begründung ist der Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen. Regierungsfreundliche Gruppierungen geraten aber eigentlich nie ins Visier der Ermittler und der Verdacht des illegalen Kopierens taucht meistens dann auf, wenn ein unabhängiger Verein gerade auf Missstände hingewiesen hat.
Deshalb hatten nicht nur die oppositionellen Zirkel selbst das Gefühl, dass der Schutz des geistigen Eigentums nur ein Vorwand war, um die Arbeit der unabhängigen Gruppen zu behindern. Nach den Medienberichten entschloss sich der Konzern aus Redmond daher zu überraschend radikalen Gegenmaßnahmen. Um staatlichen Stellen in Zukunft keinen Vorwand mehr zu liefern, gegen widerständige Bürgerrechtler und Journalisten vorzugehen, führt das Unternehmen eine umfassende unentgeltliche Lizenz für Nichtregierungsorganisationen (NGO) ein.
Aufgrund dieser Entscheidung können die Aktivisten nicht nur kostenlose Software bekommen, sondern sie legalisiert sogar die bereits vorhandenen Programme. Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass viele von ihnen tatsächlich aus eher trüben Quellen stammen, gelten sie ab sofort als rechtmäßige und voll lizenzierte Versionen. Zwar bietet das Unternehmen schon länger kostenfreie Anwendungen für gemeinnützige Gruppen, aber dieses Programm war wohl zu wenig bekannt und vielleicht auch zu umständlich. Die nun eingeführte radikale Amnestie gilt bis 2012 und soll den NGOs genügend Luft verschaffen, um an dem bereits existierenden Programm offiziell teilzunehmen. Außerdem kündigte das Unternehmen an, die unabhängigen Vereinigungen in den anstehenden Prozessen mit eigenen Anwälten zu unterstützen.
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Wer den Konzern sowieso für das Reich des Bösen hält, kann natürlich sogar nach dieser Verlautbarung schreien: „Alles nur PR!“ Und hätte damit wohl auch ein wenig recht. Denn alles, was multinationale Konzerne heute tun, machen sie sicherlich nicht nur aus reinem Idealismus. Aber erstens ist das Ergebnis trotzdem begrüßenswert, sogar wenn es von einem trickreichen PR-Manager abgenickt sein sollte. Und zweitens sollte niemand ausschließen, dass neben kommerziellen Interessen auch ein etwas Menschenfreundlichkeit seinen Platz hat.
(Nils Baer)