Neu ist nicht immer besser, auf alle Fälle aber ungewohnt: Diggs User, denen das neue Design des Social-News-Aggregators nicht gefällt, haben gestern Beiträge der Konkurrenten Reddit bei Digg eingeschleust und nach ganz oben gewählt. Dort blieben die Artikel für lange Zeit, bevor sie jetzt zur Stunde auf der Startseite wieder nach unten gerutscht sind. Für Digg ist das ein Schlag ins Gesicht, denn das lang erwartete neue Design, stolz „New Digg“ genannt, sollte ein Meilenstein werden. Digg hatte dafür neue Funktionen eingebaut, die an ein Social Network erinnern. So sollte es möglich sein, prominenten Diggern per Klick zu folgen, wie die Nutzer es von Twitter her kennen.
Neu ist, dass Verlage jetzt die Möglichkeit haben, ihre Beiträge selbst bei Digg einzustellen. Die Social-News-Site, die bislang allein von Nutzervorschlägen lebte, legt auf die Meldungen von Online-Ablegern von Tageszeitungen oder Techblogs damit mehr Gewicht. Wer viele Follower hat, seien es Prominente oder Medien, kann davon ausgehen, dass selbsteingestellte Beiträge lange prominent auf der Digg-Startseite platziert bleiben.
Revolte veranlasst Digg, alte Funktionen zurückzuholen
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Genau die Funktion stieß einigen Nutzern sauer auf. Ihre eigenen Vorschläge fallen nun hinter die der Reichen und Berühmten zurück. Selbst Megan Friedman vom Time-Blog „Newsfeed“ wundert sich, dass ein kurzer Beitrag ihres Blogs über Paris Hilton am Samstag für Stunden die Startseite von Digg.com zierte. Mehr Gewicht für bereits etablierte Medien? Das wäre doch eher Google News als Social News, und die echten Knüller von unten haben kaum noch eine Chance, das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken. Zu allem Überfluss hat Digg in seiner neuen Version auch die „Bury“-Funktion abgeschafft, mit der man ungeliebte Geschichten einfach degradieren konnte. Kurz: Die Nutzer sahen sich ausgebootet, das neue Digg – einfach nicht Nutzer-freundlich.
Und so schlugen sie zurück, bauten Digg-feindliche Botschaften in ihre Profilbilder ein und erklärten den gestrigen Montag zum Anti-Digg-Day. Sie holten Geschichten des Konkurrenten Reddit zunächst manuell auf Diggs Startseite, später automatisierten das Prozedere mit einem Skript. Dann „diggten“ sie die Reddit-Beiträge hundertfach. Laut Time-Bloggerin Friedman soll Reddit die einmalige Gelegenheit, dem Gegner eins auszuwischen, sogar genutzt und ein neues Logo veröffentlicht haben, was sich eleganter in Diggs Newsstream einfügt. Die Folge war eine Schwemme von Reddit-Links auf der Digg-Startseite und ein erzürnter Kevin Rose.
Der Digg-Gründer sah sich gezwungen, auf die Revolte zu reagieren. Die manuelle Veröffentlichung neuer Geschichten war gestern zeitweise nicht mehr möglich. In seinem Blog beschreibt er, was am Start des neuen Digg gut gelaufen sei und was nicht. Einige alte Eigenschaften würden deswegen jetzt zurückgeholt, andere verbessert. Der Bury-Button allerdings wurde dauerhaft abgeschafft; eine Hide-Funktion soll nun – von genug Lesern betätigt – einen Redakteur alarmieren, der eine Geschichte herabstufen kann. Rose betonte: All animals Diggs are still equal. Ob es stimmt? Revolten gegen neue Funktionen haben bei Digg Tradition. So gab es Ärger schon vor drei Jahren, als Digg seine Bewertungsmatrix leicht veränderte oder ein neues Kommentarsystem einführte. Das scheint die Sprache zu sein, mit der Digger ihren Dienst auf Unzulänglichkeiten aufmerksam machen. Die Treue werden sie ihm trotzdem wohl auch dieses Mal halten – ungewohnte neue Funktionen hin oder her.
(Jürgen Vielmeier)
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