Auf der Konferenz „Techonomy“ hat Google-Vorstand Eric Schmidt das baldige Ende der Anonymität im Internet prophezeit. Er geht davon aus, dass auf Druck der Regierungen in absehbarer Zeit ein System eingeführt wird, das jeden Internetnutzer eindeutig identifizierbar macht. Ihm schwebt dabei so etwas wie das Domain Name System (DNS) vor, nur eben für Menschen. Die Aufgabe des bisher nicht nur von Datenschützern hochgehaltenen Prinzips, online möglichst wenig von sich preiszugeben, hält er für unausweichlich.
Bereits heute sei jeder eindeutig identifizierbar, von dem nur 14 Fotos im Internet verfügbar seien. Ebenso könne über die Standortermittlung nicht nur der aktuelle Aufenthaltsort eines Nutzers bestimmt werden, sondern anhand der bereits verfügbaren Daten auch mit einiger Sicherheit vorausgesagt werden, wohin er sich als nächstes begeben wird. Schmidt sieht in der vorhandenen Technik allerdings kein Problem. „Technik ist natürlich erst einmal neutral.“ Das Problem sei aber, dass die Menschen nicht darauf vorbereitet sind, dass ihre Daten öffentlich zur Verfügung stehen.
Datenschützer bemängeln meist, dass Nutzer nicht absehen können, welche Folgen die Veröffentlichung ihrer Daten hat und raten daher, möglichst wenig personengebundene Daten zu veröffentlichen. Schmidts Argumentation verläuft genau umgekehrt: die Veröffentlichung personenrelevanter Daten ist ja auf freiwilliger Basis bereits Realität und wird seiner Einschätzung nach in Zukunft durch staatliche Gesetze verpflichtend werden. Deshalb hat es keinen Zweck, auf Anonymität und Zurückhaltung zu setzen. Es ist umgekehrt jetzt nötig, sich auf die unbegrenzte öffentliche Verfügbarkeit der eigenen Daten gesellschaftlich einzustellen. Kurz gesagt bedeutet das: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“
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Fraglich ist allerdings, ob Schmidts Analyse wirklich richtig ist. Denn es ist durchaus offen, ob ein universelles Identifizierungssystem für Personen wirklich eingeführt wird. Zwar ist es nicht falsch, dass manche Regierungen ein solches System begrüßen würden, der Proteststurm gegen den Klarnamenzwang im Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ hat aber auch gezeigt, dass viele Nutzer das eben nicht wollen. Zumindest in parlamentarischen Demokratien könnte ein solches System daher am Widerstand der Wähler durchaus scheitern.
Außerdem ist es natürlich richtig, dass viele Nutzer sorglos Daten über sich veröffentlichen, so dass relativ simpel Rückschlüsse auf die Urheber gezogen werden können. Gerade die junge Generation, von der sich viele einen kritischen Umgang mit dem Medium erhofft hatten, nutzt das Netz völlig unbekümmert. Allerdings ist das auch kein Naturgesetz. Mit der Förderung entsprechender Medienkompetenz und der Durchsetzung entsprechender Datenschutzrichtlinien könnte das auch ganz anders aussehen.
(Nils Baer / Foto: flickr, Fotograf: Charles Haynes)