Es scheint fast so, als hätte YouTube der (vorläufige) Sieg im Urheberrechtsprozess gegen Viacom völlig neuen Kampfgeist eingehaucht. Wie nämlich der Online-Ableger der „Financial Times Deutschland“ am gestrigen Dienstagabend berichtete, ist der Videoplattform respektive deren Mutter Google ein weiterer, spektakulärer Etappensieg gelungen. Man hat sich mit der Società Italiani Autori ed Editori (Italienische Gesellschaft der Urheber und Verleger, SIAE), dem italienischen Pendant zur deutschen GEMA, auf einen neuen Vertrag geeinigt. Dieser gestattet es YouTube, auch weiterhin auf der eigenen Seite Musiktitel abzuspielen. Das pikante Detail an der Sache ist: Damit schert die SIAE aus einer von Rechteinhabern im gemeinsamen Kampf gegen den Such-Giganten gegründeten Allianz aus – die von der GEMA ins Leben gerufen wurde.
Die hatte im Mai dieses Jahres auf einer eigens dafür anberaumten Pressekonferenz zur Überraschung vieler Beobachter angekündigt, die Verhandlungen mit YouTube abbrechen zu wollen. Zudem wurde die Löschung respektive Sperrung der nach Auffassung der GEMA und ihrer Partner durch YouTube illegal genutzten Werke gefordert. Als Grund wurde ein fehlender Fortschritt in den mehr als einjährigen Verhandlungen angeführt. Woran diese nun tatsächlich gescheitert waren, wollen und können die beiden Parteien aufgrund eines sehr strikten Non-Disclosure-Agreements, das sie zum Stillschweigen über jegliche Verhandlungsdetails verpflichtet, nicht offenbaren. Es wird aber spekuliert, dass es vor allen Dingen bei der Bewertung dessen, was eine „adäquate“ Vergütung für die von der GEMA vertretenen Künstler sei, keinen Konsens findet. Die Verwertungsgesellschaft behauptet, einen Cent für jeden Abruf eines Videos von YouTube zu verlangen. Die Google-Tochter spricht hingegen von 12 Cent.
Wie dem auch sein mag, bei der GEMA sieht man dem Vorstoß des Such-Giganten offenbar gelassen. Eine Sprecherin der Gesellschaft wird in der FTD mit den Worten zitiert: „Wir warten jetzt erst mal das Gerichtsurteil ab“. Am morgigen Donnerstag wird ein Richter am Hamburger Landgericht nämlich darüber zu entscheiden haben, ob Google den Forderungen der Verwertungsgesellschaft Folge leisten und etwa 600 Titel aus seinem Repertoire löschen muss. Sollte das der Fall sein, dann dürften die deutschen Nutzer künftig noch häufiger den Satz „…in deinem Land leider nicht verfügbar“ zu lesen bekommen. Weiterhin soll laut Unternehmenssprecherin der Vorstoß Googles zu erwarten gewesen sein, stelle aber für die Allianz (zu der neben den US-amerikanischen Autorgesellschaften ASCAP, BMI und SESAC beispielsweise auch die französische SACEM gehört) keine Gefahr dar: „Das ändert aber nichts für unser Bündnis gegen YouTube“.
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Googles-Nord- und Zentraleuropachef Philipp Schindler wirft der Gesellschaft hingegen im FTD-Interview eine Blockade-Taktik vor: „Die GEMA hat die Verhandlungen mit uns aus heiterem Himmel abgebrochen und blockt außerdem jeden Versuch von uns ab, zumindest wieder Gespräche aufzunehmen“. Die einzige Verwertungsgesellschaft weltweit, mit der man sich derzeit nicht einig werden könne, sei die GEMA, so Schindler weiter. Ob das nun stimmt, darf zumindest angezweifelt werden. Immerhin besteht die von der deutschen Gesellschaft gegründete Allianz nicht nur aus dem GEMA, und das wird seinen Grund haben.
Ich habe auch meinerseits schriftlich bei der GEMA um eine Stellungnahme zu der Sache gebeten, bislang aber leider noch keine Antwort erhalten. Im Sinne der User kann aber nur gehofft werden, dass sich die Parteien bald einig werden, damit auch die User hierzulande bald wieder YouTube uneingeschränkt nutzen können.
Update: Donnerstag, 29. Juli, 12 Uhr:
Frau Müller von der GEMA war so nett, mir ein kurzes Feedback zu der hier besprochenen Angelegenheit zu geben. Demzufolge hat die Vereinbarung, die die SIAE mit Google für YouTube Italien getroffen hat, keine Auswirkungen auf die Allianz, da sie Deutschland beziehungsweise YouTube Deutschland nicht betrifft. Zudem kann der Abbruch der Verhandlungen für YouTube nicht „aus heiterem Himmel“ erfolgt sein, da man ja seit 2009 Verhandlungen geführt habe, die aber bislang erfolglos geblieben sind. Der heutige Termin vor dem Landgericht Hamburg sei darüber notwendig geworden, da sich YouTube nach den gescheiterten Gesprächen bis dato geweigert hat, der Aufforderung der Allianz-Partner nach Löschung von 600 Werken nachzukommen.
Update 2: Freitag, 30. Juli, 13.10 Uhr:
Gestern fand die fand mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg unter dem Vorsitz von Richter Heiner Steeneck statt. Der Pressemitteilung der GEMA ist dazu Folgendes zu entnehmen: „Was zum jetzigen Zeitpunkt feststeht ist die Tatsache, dass das Gericht die Auseinandersetzung insgesamt nicht als zu komplex für die Erörterung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren erachtet hat. Die endgültige Entscheidung wird das Gericht am Freitag, den 27. August 2010 verkünden.“ Es bleibt also spannend.
(Marek Hoffmann)