Wer am heutigen Montag im Netz nach einer News-Seite sucht, auf der nicht Wikileaks das Top-Thema ist, dürfte ziemlich lange zu tun haben. Die Whistleblower-Website, auf der anonym Dokumente veröffentlicht werden, die das Fehlverhalten von Regierungen und Unternehmen aufzeigen sollen, sorgte vergangene Nacht nämlich mit einer aufsehenerregenden Aktion für Furore. Insgesamt 91.731 Kriegsdokumente des US-Militärs über den Afghanistan-Krieg, die aus dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2009 stammen, wurden für alle User öffentlich zugänglich online gestellt.
Dass uns die Regierungen und Militärs über den Krieg im nahen Osten nur das wissen lassen, was sich ohnehin nicht verheimlichen lässt oder ihnen gut in die Strategie passt, sollte jedem mündigen Bürger schon lange bewusst sein. Wie viel von ihnen in den rund sechs Jahren aber tatsächlich verschwiegen oder beschönigt wurde – darüber kann sich nun jeder sein eigenes Bild machen. Und zwar durch die Augen der Soldaten, die in dem Krisengebiet zum Einsatz kamen beziehungsweise dort noch im Einsatz sind. Denn von ihnen wurden die Dokumente verfasst (eine Auswahl der wichtigsten Aufdeckungen – etwa, dass Pakistan heimlich die Taliban unterstützt – hat der Spiegel zusammengestellt). Manche davon sind offenbar so brisant, dass sie nicht nur der zivilen Öffentlichkeit, sondern auch der afghanischen Regierung vorenthalten wurden.
Das mit der Veröffentlichung der geheimen Unterlagen verfolgte Ziel der „Sunshine Press“ – der Non-Profit-Organisation, die Wikileaks betreibt – ist das Gleiche, wie bei anderen zuvor publizierten Dokumenten auch: Kritischen Bürgern, in erster Linie Journalisten, Material für ihre Berichterstattung liefern, mittels dessen sie die ungeschönte Wahrheit – in diesem Fall über über den Afghanistan-Krieg – erfahren und diese weiter verbreiten können. Insofern bleibt Wikileaks sich und seinem Motto treu. Trotzdem beschleicht mich in diesem speziellen Fall das leise Gefühl, dass sich die Verantwortlichen mit dieser Aktion beim Weißen Haus dafür „revanchieren“ wollten, dass es den US-Soldaten Bradley Manning angeklagt hat.
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Bei Manning handelt es sich um einen jenen Informanten der Plattform, der ihr unter anderem das unter dem Namen „Collateral Murder“ bekanntgewordenen Video eines Hubschrauberangriffs im Irak zukommen ließ. Es stammt aus dem Jahr 2007, wurde von der Zielerfassungskamera des Helikopters aufgenommen und dokumentiert, wie eine Gruppe von Zivilisten in Bagdad von den US-Soldaten angegriffen und – begleitet von teils zynischen Kommentaren – niedermetzelt wird. Manning wurde kurze Zeit später von einem Hacker verraten, anschließend vom FBI verhaftet und wegen Verstoßes gegen den Espionage Act angeklagt. Ihm drohen nun 52 Jahre Haft. Sowohl in diesem als auch im aktuellen Fall argumentiert die US-Regierung, dass die Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährden könnte und deswegen sowohl von den Informanten als auch den Betreibern von Wikileaks unverantwortlich sei. Zudem handele es sich bei den Informationen oft um Gerüchte oder falsches Material.
Dies führt zu der berechtigten Frage, aus welcher Quelle die Informationen dieses Mal „geleakt“ sind? Darüber konnte ich im Netz keine Informationen finden und ich bezweifle, dass sie von den Betreibern der Plattform jemals verraten wird. Trotz dieses Umstandes und der Tatsache, dass auch über die „The Sunshine Press“ kaum etwas bekannt ist und von Kritikern immer wieder bemängelt wird, dass es bei Wikileaks keine redaktionelle Kontrolle gibt: Dass es sich bei den Berichten um authentisches Material handelt, dürfte so gut wie sicher sein. Denn übereinstimmend wird vom „Spiegel“, dem „Guardian“ und der „New York Times“ berichtet, dass ihnen die Dokumente vor ihrer Veröffentlichung zur Kontrolle vorlagen – und sie die Möglichkeit einer Fälschung ausschließen.
(Marek Hoffmann)