Der Onlinebuchhändler Amazon hat mit dem einflussreichen amerikanischen Literaturagenten Andrew Wylie einen Exklusivdeal geschlossen: in den nächsten zwei Jahren gibt es die eBook-Versionen einiger Wylie-Autoren wie „Lolita“ von Vladimir Nabokov und „Fear and Loathingin Las Vegas“ von Hunter S. Thompson ausschließlich für das Kindle. Wer sich einen anderen Reader angeschafft hat, guckt in die Röhre – oder muss sich ein gedrucktes Buch kaufen.
Wylie, aufgrund seines Verhandlungsgeschicks in der Branche auch als „Der Schakal“ bekannt, hatte im Streit um die Tantiemen für die digitalen Ausgaben bereits Ende Juni angekündigt, künftig die Verlage zu umgehen und direkt mit Onlineunternehmen wie Google, Apple und Amazon zu verhandeln. Der Buchkonzern Random House, bei dem die Druckrechte vieler zukünftiger Kindle-Autoren liegen, hält die Abmachung für rechtswidrig. Der Verlag sieht sich aufgrund seines jahrelangen Autorenaufbaus auch im Besitz der elektronischen Rechten an den Büchern. Aus Protest gegen das Vorgehen Wylies hat er angekündigt, mit ihm keine Verträge mehr schließen zu wollen, bis die Streitigkeiten beilegt sind.
Was bedeutet der Deal aber für uns Leser? Noch ist überhaupt nicht abzusehen, ob sich die virtuellen Schmöker so bald wirklich durchsetzen werden. Zwar hat Amazon stolz verkündet, nun mehr eBooks als gebundene Bücher verkauft zu haben, doch bei näherer Betrachtung handelte es sich bei der Mitteilung nur um eine geschickte PR-Formulierung. Bei der Berechnung wurden nämlich die Taschenbücher außen vor gelassen, da sie schließlich nicht gebunden, sondern geklebt sind. Amazon hat also wahrscheinlich immer noch weit mehr gedruckte als digitale Bücher verkauft.
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Das könnte sich aber natürlich in Zukunft ändern. Hat Amazon mit seiner Exklusivstrategie Erfolg, werden sicherlich bald andere Firmen nachziehen. Dann sind andere Bücher nur für Nook von Barnes & Noble oder für den Sony Reader zu bekommen. Die Nachteile solcher Exklusivdeals, bei denen Bücher an bestimmte Plattformen gebunden sind, liegen auf der Hand: wenn ich heute Bücher aus unterschiedlichen Verlagen lesen will, bekomme ich alle im selben Buchladen und kann sie nachher ins selbe Regal stellen. Zukünftig müsste ich mir dann allerdings vielleicht erst einmal vier verschiedene Reader kaufen, um die eBooks aller meiner Lieblingsautoren lesen zu können. Das würde zwar immer noch weniger Platz wegnehmen, als meine heutigen Regalwände voller Bücher, aber der eigentliche Vorteil der elektronischen Bücher (ein Gerät, tausende Bücher) wäre dahin.
Am Ende könnte die Strategie der Exklusivität für die Geräteanbieter sogar nach hinten losgehen: ein Ausweg aus dem Dilemma des Kunden könnte nämlich in der Anschaffung eines Drittgerätes liegen, das die Buchformate aller Anbieter lesen kann, wie etwa das iPad. Zwar weist Devin Coldewey von CrunchGear zu Recht darauf hin, dass man sich auch dann noch jeweils auf die unterschiedlichen Bedienkonzepte der App-Hersteller einlassen müsste, doch zumindest hätte ich wieder tausende Bücher auf nur einem Gerät.
(Nils Baer)