Wenn deutsche Politiker dazu aufgefordert werden, nichts zu unternehmen, dann juckt es natürlich jedem Polemiker in den Fingern. Eine Steilvorlage, die mit einem Statement in der Art „…das können die ja schließlich am besten“ verwandelt werden könnte.
So weit möchte ich eigentlich nicht gehen, weil ich nicht zu den Personen gehöre, die einen Politiker pauschal abwatschen, nur weil er halt einer ist. Manchmal jedoch kann auch der nur durchschnittlich informierte Mensch auf den ersten Blick erkennen, dass in Berlin irgendwas schief läuft. Die Stichworte „Internetsperren“ und „Zensursula“ rufen uns das jederzeit wieder ins Gedächtnis.
Die Bundesregierung war seinerzeit teils erstaunt ob des vehementen Protests aus der Bevölkerung, teils aber auch einsichtig, dass man einen falschen Weg eingeschlagen hat. Eine der Konsequenzen daraus war das Einrichten einer Enquête-Kommission zum Thema Internet und digitale Gesellschaft. In dieser Kommission finden sich Politiker aus allen Parteien des Bundestags, aber auch ausgewiesene Internet-Experten wie beispielsweise Alvar Freude, Constanze Kurz oder Markus Beckedahl.
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Die Art und Weise, wie man das Internet in Berlin verstanden hat, gehört dringend auf den Prüfstand und eben das soll die Kommission auf den Weg bringen. Dass die CDU als Sachverständigen eine Person wie Dieter Gorny beruft, lasse ich hier jetzt einmal unkommentiert. Wichtig ist jedenfalls, dass man sich nicht nur Ratschläge von Experten anhört, sondern sie auch verinnerlicht und die richtigen Schlüsse zu ziehen versteht. Die Opposition und auch die Piratenpartei haben unlängst die Befürchtung geäußert, dass wir es hier mit einer Aktion zu tun haben, die bestenfalls Symbol-Charakter aufweist.
Heute fand nun eine Anhörung statt, in denen neun Sachverständige zu Wort kamen und die Themen diskutiert wurden, die wie folgt umrissen wurden:
- Wie verändert der Siegeszug des Internets die Arbeitswelt?
- Welche Chancen hat die Wirtschaft?
- Was bedeutet eine digitalisierte Welt für die Demokratie?
Die Aussagen von Prof. Dr. Thomas Hoeren (Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Uni Münster) werden zur Stunde im Netz ziemlich abgefeiert. Schon im Vorfeld hat er gefordert:
Machen sie nichts. Machen sie keine neuen Gesetze. Die Marktregulierung sei formal unbrauchbaren Gesetzen wie dem Zugangserschwerungsgesetz mit dem Kern der Internetsperren vorzuziehen.
Vermutlich bin ich nicht der Einzige, der ihm das sofort unterschreiben würde. Um damit nochmal auf meine Überschrift zurückzukommen: Es geht selbstverständlich nicht, Politiker zum Nichtstun zu verdammen oder aufzufordern, sondern lediglich darum, weitere Schnellschüsse zu verhindern. Weder gefährliches Halbwissen noch Wahlkampf – oder wie im Beispiel der Internetsperren eine üble Mischung aus beidem – dürfen der Grund sein, dass Netzpolitik so meilenweit vorbei am Volk und ebenso weit vorbei an der wirklichen Sachlage gemacht wird.
Ich bin ein wenig verunsichert, was ich von der Besetzung halten soll, weil ich die Personalien von Menschen wie Gorny oder Internetsperren-Befürworter Martin Dörmann für das ganz falsche Zeichen halte. Andererseits stehen dem Sachverständige gegenüber, die – wie oben bereits genannt – in weiten Teilen das Vertrauen der Digital Natives genießen. In der heutigen Anhörung kamen dann zusätzlich die Meinungen, Vorschläge und Kritikpunkte der folgenden Personen auf den Tisch:
- Prof. Dr. Wolfgang Coy, Humboldt-Universität zu Berlin
- Lars Hinrichs, Cinco Capital GmbH
- Prof. Dr. Thomas Hoeren, Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
- Marie-Thérèse Huppertz, Vice President Government Relations, SAP AG
- Prof. Dr. Peter Kruse, nextpractice GmbH
- Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Lehrstuhl für Informatik und Informationswissenschaft, Universität Konstanz
- Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow, Institut für Medienwissenschaft der Universität Paderborn
- Michael Schwemmle, Input Consulting GmbH
Ein Blick in die jeweilige Vita dieser Personen lässt mich zumindest hoffen, dass man eine solche geballte Fachkompetenz nicht nur symbolisch nach Berlin einlädt, sondern tatsächlich Wert auf Expertenmeinungen legt und das Gesagte nicht ungehört verhallen wird.
Neben den bereits erwähnten Prof. Dr. Thomas Hoeren und Prof. Dr. Peter Kruse sticht für mich persönlich noch der Name Lars Hinrichs hervor. Er fordert in einer schriftlichen Stellungnahme (PDF) vernünftige (sprich: ausreichend schnelle) Breitbandzugänge für die ganze Bevölkerung, die Themen Internet/Medienkompetenz auf dem Lehrplan jedes Schülers und hebt noch einmal das Versagen der Regierung hervor, welches sich beim Thema „Internetsperren“ offenbart hat.
Hinrichs, bekanntermaßen das Mastermind hinter Xing, hat erst wieder jüngst für Aufmerksamkeit gesorgt, als er mit einem einzigen Tweet auf sein neues Projekt hackfwd hinwies und dadurch einen gewaltigen Buzz auslöste. Er hat also nicht nur mehrfach bewiesen, dass er zu den Vordenkern und innovativen Köpfen gehört, sondern versucht mit seinem aktuellen Vorhaben nun auch, andere kreative und begabte Menschen an seinen Ressourcen – Geld, Erfahrung, Kontakte – teilhaben zu lassen. Wenn ihr mich fragt, eine gute Entscheidung, ihn als Sachverständigen zu Wort kommen zu lassen, wenngleich seine Stellungnahme im Vergleich zu manch anderem berufenen Experten eher wortkarg daherkommt.
Was sind eure Meinungen? Bin ich nur wieder der Träumer mit dem verklärten Blick, wenn ich denke, dass hier Dinge auf den Weg gebracht werden können, die unser aller Beifall verdienen? Oder ist es so, wie viele Stimmen – auch in der Politik – behaupten: Hat die Kommission nur Symbol-Charakter?
Mehr Infos zur abgelaufenen Veranstaltung findet ihr auch auf netzpolitik.
(Carsten Drees)