Das Internet hat seit seiner kommerziellen Öffnung in den frühen 1990er Jahren ganze Berufszweige für immer verändert. Für Journalisten, Fotografen und Musiker etwa oder für Banken und den Handel ist seitdem nichts mehr wie es war. Andere Branchen hingegen wie Versicherungen, das Handwerk oder die Lebensmittelindustrie streift der Wandel allenfalls, was Einkauf und Marketing angeht.
Für andere Berufe wie Lehrer, Steuerberater oder Rechtsanwälte könnte ein gravierender Wandel bedingt durch oder begleitet von immer filigranerer Software noch bevorstehen. Schaut man sich an, was in den vergangenen Jahren alles privatisiert worden ist und welchen Stellenwert die Bildung in der Regierung hat, könnte der Staat zum Beispiel auf die Idee kommen, alle Schulen zu privatisieren. Sämtliche Lehrer könnten dann befristet oder in Zeitarbeit angestellt werden oder gleich freiberuflich in Teilzeit einspringen, damit der „Wettbewerb“ unter ihnen angekurbelt wird. Dann wäre plötzlich auch der Markt für Lehrer überschwemmt. Viele müssten sich selbst vermarkten und würden ihre Dienste im Internet anbieten. Und dort bei immer besseren Lernplattformen wie Scoyo oder Babbel anheuern oder mit ihnen konkurrieren.
Noch sind die Anforderungen hoch
Neue Stellenangebote
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Dass es so kommt, will ich weder hoffen noch glauben. Es soll euch nur zeigen, dass sich ganze Berufszweige stark verändern können und das Internet eine wichtige Rolle dabei spielt. Ein Beruf, der meiner Meinung nach vor massiven Umwälzungen steht, ist der des Programmierers, neuerdings Entwickler genannt.
Noch schottet sich der Markt selbst ab, und das auf eine bemerkenswerte Weise, die technisch gesehen nicht mehr zwingend notwendig ist. Wer heute beispielsweise Webentwickler werden will, muss nach einschlägigen Stellenangeboten etwa Programmier- und Auszeichnungssprachen wie Java, JavaScript, SQL, PHP, (X)HTML und CSS beherrschen. Das ist deutlich mehr als Webentwickler der Web-1.0-Generation, die für statische Webseiten praktisch nur HTML und CSS kennen mussten. Was dazu führte, dass es damals sehr viele Menschen gab, die als Webentwickler unterwegs waren, wie nebenstehendes Foto verdeutlicht.
Vor 15 Jahren noch undenkbar: In fünf Minuten zum eigenen Verleger werden
Schon damals gab es mit Gestaltungssoftware wie Adobe Dreamweaver professionelle Tools, um Webseiten ohne Programmierkenntnisse zu erstellen. Für den professionellen Einsatz war Dreamweaver zwar nicht ausreichend, für den Privatmann und kleine Unternehmen hingegen schon. Heute ist es nichts Besonderes mehr, seine eigene Homepage ins Netz zu stellen. Dafür gibt es einfache Baukästen der Webhoster, deren meist mäßiges Ergebnis sich eindeutig identifizieren lässt. Es gibt Tools für einfache Webvisitenkarten wie das inzwischen leider kostenpflichtige Flavors.me. Und mit Tumblr, Posterous oder WordPress.com kann heute jeder in wenigen Minuten sein eigenes Blog erstellen. Alles kein großes Problem mehr.
Was noch nicht jeder kann, derzeit aber sehr gefragt ist, ist App-Programmierung. Für eine iPhone App sind zum Beispiel unter anderem Kenntnisse von Objective-C notwendig, für eine Android-App unter anderem Java. Ich erwarte jedoch, dass in den kommenden Jahren Entwicklungen stattfinden werden, die das Programmieren deutlich vereinfachen. Einige Gründe und bisherige Zwischenschritte auf dem Weg sprechen dafür:
- Der Wunsch ist da
Viele Leute wollen heute gerne eigene App oder eine eigene Social Community programmieren. Das Web ist hip, Smartphones sind in. Am Markt herrscht – je nach Branche – Wildwest- oder Revival-Stimmung. Es ist vergleichbar mit der Angst deutscher Firmen Anfang der Nullerjahre, den Boom auf dem chinesischen Markt zu verpassen. Einen Erfolg verspricht keiner, aber wehe, man ist nicht dabei, wenn er eintritt. Und wo Goldgräberstimmung ist, da kommen zum Schürfen nicht nur ausgebildete Minenarbeiter, sondern jedermann, der reich werden möchte. Das Zubehör für Anreise und Arbeit vor Ort liefern clevere Zwischenhändler, im digitalen Zeitalter Anbieter spezieller Software-Lösungen. Wer hätte vor 15 Jahren gedacht, dass einmal jeder seine eigenen Beiträge oder Nachrichten würde veröffentlichen können, ganz ohne Kenntniss von Drucktechnik oder Programmiersprachen? Heute ist das Realität. WordPress und Co. haben es möglich gemacht. - Der Bedarf ist da
Nicht nur die deutschen Medien brennen darauf, auf dem iPad und ähnlichen Tablets mit einer App vertreten zu sein. Findige Geschäftemacher könnten erkennen, dass es für Unternehmen günstiger sein kann, auf einen leistungsfähigen Baukasten zurückzugreifen statt teuren Entwicklern 500 Euro am Tag zu zahlen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen hätten ein Interesse daran, ohne eine Luxusvariante Endgeräte-gerecht auf Smartphones und Tablets präsent zu sein. Sei es als App oder als angepasste, mobile Website. - Die Möglichkeiten werden kommen, sie stehen bereits in den Startlöchern
Um bei populärer Software zu bleiben: Apples Entwicklungsumgebung Xcode IDE enthält einen Interface Builder (Screenshot: Smallnetbuilder.com), der dem Entwickler die charakteristischen Schaltflächen für den Bau einer eigenen App gleich in die Hand gibt. So kann er die wichtigsten Elemente in seine App einbauen, ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben. Eine vollständige App kann man auf diese Weise nicht basteln, aber der Interface Builder ist ein Hilfsmittel, der die Entwicklung an einer entscheidenen Stelle vereinfacht. Weitere solcher Lösungen zu entwickeln, etwa für die Anbindung einer Datenbank, ist für einen Software-Konzern im Prinzip keine Hexerei. Es liegt einzig und allein am Willen, es zu tun.Das freie Blog-System WordPress geht diesen Weg bereits. Es hat sich im Laufe der Jahre seines Bestehens von einem mühsam anpassbaren Code-Labyrinth zu einem leicht konfigurierbaren Baukasten-System gewandelt. Plugins, wie ein Facebook-Like-Button oder ein Auto-Twitter-Tool, lassen sich inzwischen per Mausklick aus dem System heraus installieren und einbauen. Ähnlich ist es mit Widgets für die Sidebar, von denen viele im neuen Standard-Template „Twenty Ten“ bereits enthalten sind.
Das Geld verdienen die Kaffeeveredler
Natürlich wird es immer noch Programmierer geben müssen, die solche Plugins und Widgets, einzelne Klassen und Bibliotheken von der Pike auf mit Code aus unterschiedlichen Sprachen schreiben müssen. Doch darüber wird sich eine Meta-Ebene von – besser bezahlten – Entwicklern bilden, deren Hauptaufgabe darin besteht, Bauteile aus einem Kasten zusammenzustecken. Es ist vergleichbar mit unser aller Lieblingsgetränk Kaffee. Kaffeebauern und -lieferanten sind verhältnismäßig arm. Das Geld verdienen die Kaffeeröster, die die Bohnen veredeln und auf dem Markt anbieten.
Und was die Masse der Leute angeht: Viele wollen Kaffeeröster werden. Gebt ihnen die Werkzeuge dafür, macht sie möglichst leicht anwendbar und die Leute werden rösten wie die Weltmeister. Sie werden Kaffeesorten erfinden, die die Welt nicht zu erträumen wagte und die Menschheit ein großes Stück voranbringen. Es muss nur einfach sein. Und ob es dazu kommen wird, liegt im Ermessen derjenigen, die heute schon Entwickler sind. Wollen sie mit anderen Kaffeeröstern konkurrieren, zu ihren Zulieferern werden oder gar in der Rolle des Kaffeebauern bleiben? Sie haben es selbst in der Hand.