Geht es euch inzwischen auch so, dass euch Nachrichten auf Papier wie ein Relikt aus grauer Vorzeit vorkommen? Viel haben die Medienexperten in letzter Zeit über die Zukunft des Journalismus debattiert und dabei krude Theorien entworfen. Zum Beispiel, dass wir Nachrichten bald nur noch auf Tablet-Rechnern lesen, nur noch auf Smartphones, oder dass Leser ihre Nachrichten gleich selbst schreiben. Letzteres ist bei näherer Betrachtung gar nicht einmal so absurd. Ich denke sogar, dass sich darüber nachzudenken lohnt. Fairerweise muss ich sagen, dass die Theorie nicht von mir stammt, sondern ich sie von Enno Park von meinem alten Blog YuccaTree schamlos „geklaut“ habe. Sie gefiel mir so gut, dass ich sie hier näher ausführen möchte.
Enno beschreibt das Szenario, dass netzaffine Menschen ihre Nachrichten nicht mehr von Verlagen und Online-Magazinen beziehen, sondern von Personen. Sprich: Wir erfahren das Neueste nicht mehr von der „Kölnischen Rundschau“, „TAZ“, „FAZ“ oder „Spiegel Online“, sondern von Hannes Schröder, Klaus-Peter Wuttke und Clara Schmidtke – den Leuten, denen wir auf Twitter oder Facebook folgen. Es ist die digitale Version von „Hast du schon gehört?“, dem Geschwätz aus dem Treppenhaus. Kombiniert mit der Theorie „If the news is important, it will find me“ ergibt sich daraus die einfache Formel:
Wenn ich mich informieren will, lese ich keine Zeitung mehr, sondern rufe meine Statusmeldungen ab.
Enno schreibt:
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Fast alles, was ich intensiver nachlese, stammt nicht aus Quellen [wie SpOn oder Heise], sondern aus anderen Blogs bzw. aus meiner Twitter-Timeline. Ich lese also keine Medien mehr, sondern Menschen. Ein Artikel ist nicht mehr unbedingt interessant, weil er über ein bestimmtes Thema berichtet, sondern weil ein Mensch, von dem ich (warum auch immer) viel halte, das Thema für berichtenswert hält und deshalb mein Interesse weckt.
Im Vergleich zu Nachrichtenmagazinen gibt es einen weiteren Vorteil: Tweetmeldungen wurden mir bereits zubereitet. Sie sind auf das Wesentlichste zusammengefasst, kommentiert und – für eventuelles Interesse an der ganzen Geschichte – oft mit Link zur Originalmeldung versehen. Der Autor hat die Meldung bereits aus anderen für mich herausgefiltert. Und das meist in aller Kürze auf 140 oder weniger Zeichen.
Der Leser von morgen: Egoistisch, illoyal – gut informiert
Setzt sich der Trend durch, erhöht das den Stellenwert interessanter Persönlichkeiten und Special-Interest-Schreiber. So könnte man also einem bewanderten Sportblogger folgen, einem Social-Media-Experten, mehreren gut politisch Informierten verschiedener Couleur, Wirtschaftstwitterern mit Insiderwissen, Filmexperten – oder eben Generalisten, deren Persönlichkeit und Meinung wir interessant finden. Nachrichten werden persönlicher werden, Meldungen insgesamt kürzer. Es werden wohl weniger echte Journalisten gebraucht; die Bedeutung des Journalismus wird wohl generell abnehmen.
Journalismus an sich wird uns zunehmend unwichtiger werden: Wir werden schamlos und illoyal nur die Meldungen weiterverlinken, die uns interessant erscheinen, egal von welcher Quelle sie stammen. Für die journalistischen Meldungen, die es noch geben wird, wird immer mehr gelten: Sie müssen kürzer werden, damit sie sich leichter verbreiten lassen. So weit die Theorie. Ob es wirklich so kommt und ob überhaupt alle Menschen dieses Szenario mögen, wird die Zukunft zeigen. Und natürlich wird der Journalismus nicht ganz aussterben: Selbst die besten Informationsdestillierer brauchen natürlich noch eine Originalquelle, von der sie ihre Nachrichten beziehen.
Zum Schluss bleibt noch die Antwort auf die Frage, wie aktuell wir mit Statusmeldungen informiert werden. Enno entschuldigt sich in seinem Artikel, dass er erst über einen Witz auf Twitter von Michael Ballacks WM-Aus erfahren habe, als längst jeder in Deutschland Bescheid wusste.
Er las den Tweet knapp zwei Stunden, nachdem die Meldung über den Ticker ging…