Am Freitag hatte Google die neuen Quartalszahlen bekannt gegeben, die – mit Verlaub – obszön erfolgreich anmuteten. Der Suchriese hatte per Mail auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht. Ein Dreizeiler wurde den Lesern geboten, darunter prangte der Hinweis: „Den Rest lesen Sie bitte auf unserer Seite investor.google.com.“ Außerdem wurde mitgeteilt, dass man Geschäftszahlen von nun an immer so kommunizieren würde – auf dem Blog und nicht als Mail-Mitteilung. Normalerweise ist es nichts Ungewöhnliches, dass Google die Unternehmensinformationen auf den hauseigenen Seiten und Blogs abfrühstückt – man stelle sich vor, die Suchmaschine schickte für jedes neue Pipi-Feature eine Pressemitteilung herum; wir würden in Meldungen ersticken. Doch im Investoren-Bereich, wo es nun einmal um viel Geld geht, ist das eine andere Sache. Aber, nun gut…
Man hätte die Sache mit dem Hinweis auf die eigenen Seiten mit einer wegwerfenden Handbewegung abtun können, wenn nicht Reuters plötzlich eine verstörende Meldung zu Googles neuer Informationspolitik verfasst hätte. In dem Artikel warnt Autor Jonathan Spicer eindringlich vor dem Entschluss: „Einige machen sich Sorgen darüber, dass dieser Trend einzelne und weniger erfahrene Anleger, die Blogs und Websites nicht so schnell aufrufen können, gegenüber Profis benachteiligt. Andere sind besorgt, dass nicht jeder die Informationen bekommt.“ Googles Vorgehensweise stelle ein „Hindernis“ für Medien, Analysten und andere dar, die „hungrig“ auf die Zahlen seien. Um das Argument zu untermauern, hat Spicer auch noch einen Experten zu Wort kommen lassen. Scott Mozarsky, Mitarbeiter der Pressemitteilungsschleuder PRNewswire, warnte ebenso eindringlich: „Selbst wenn man Google ist, kann es sein, dass die Informationen nicht überall und zeitnah ankommen.“
Werbung für die eigene Sache
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Das ist natürlich eine erschreckende Meldung. Erschreckend daran ist aber nicht die Tatsache, dass Google künftig auf Pressemitteilungen pfeift, sondern wie Reuters hier Werbetexte für das eigene Unternehmen als bitterernste, angeblich gut recherchierte Agenturmeldung verkauft. Reuters hatte Ende des vergangenen Jahres die Hugin Group BV von NYSE Euronext übernommen und ist derzeit dabei, aus der eingegliederten Gruppe ein megalomanisches PR-Netzwerk für die ganze Welt zu basteln. Unternehmen können dann ihre Mitteilung – gegen entsprechende Gebühr – über die Hugin-Verteiler in die Redaktionen streuen. Dass Google nun mit der Ankündigung diesem Geschäftsmodell gefährlich in die Quere kommt und womöglich gar noch Nachahmer begeistern könne, schmeckt Reuters erwartungsgemäß überhaupt nicht. Spicers Meldung ist reine Werbung für den Erhalt der Tradition, ordentlich Pressemitteilungen zu verschicken.
Ich muss sagen, dass wir hier, seitdem wir auf dem Blog sind, Meldungen per Mail nur noch in seltensten Fällen beachten. Manchmal schießt ein TK-Anbieter Interessantes durch den Äther, manchmal kündigt ein Hardware-Hersteller ein neues Produkt an – okay, das nehmen wir mit. Unternehmen, die sich im Web 2.0 herumtreiben und auch dort in erster Linie ihr Geld verdienen, verlassen sich hingegen schon seit Jahren nur auf ihre Blogs und die üblichen anderen Kanäle. Und es funktioniert bestens.
Bitte nie mehr „Dönerkiller“
Es tut mir leid, liebe PR-Stellen: Pressemitteilungen sind leider wirklich out, die joviale Werbeansprache an die Journalisten nervt und die krampfhafte Suche nach Superlativ-Synonymen lässt es jedem Deutschlehrer schwindelig werden. Sicherlich gilt das nicht für alle Wirtschaftsbereiche, doch es fällt immer häufiger auf, dass Geld in einen falschen oder vollkommen überflüssigen Info-Vertrieb gesteckt wird. Der WDR haut beispielsweise beinahe täglich Meldungen über den Verteiler der dpa-Tochter news aktuell (OTS) raus: „Auf der Suche nach dem ‚Dönerkiller‚“ und dergleichen. Was eine einzige Meldung bei OTS kostet? 350 Euro. Natürlich gibt es Mengenrabatt (PDF-Preisliste). Wer pro Jahr mindestens 24 Meldungen über OTS verschickt, zahlt pro Stück nur noch 255 Euro.
(André Vatter)