Vielleicht hätte er sich einfach auf eine Bühne stellen sollen. Fünf Meter tief, zwanzig Meter breit, mit einer Kinoleinwand im Hintergrund. Darauf die Präsentation, im Vordergrund das Produkt, mit dem er bei Zeiten ein wenig spielt, während er mit dem Publikum spricht. Das hat Helmut Hoffer von Ankershoffen aber nicht getan. Statt dessen ging der Mann mit dem WePad in der Hand und rotem Schal statt Rollkragenpulli im Blitzlichtgewitter der ihm zu nahe rückenden Journalisten unter.
Kein Hands-on, kein Linux, nur die Endlosschleife eines Videos und eine Windows-Fehlermeldung. Ein Prototyp, der vom Zoll aufgehalten wird, und schließlich die Erkenntnis: das WePad stammt von Pegatron, einer Asus-Tochter, die das gleiche Gerät auch nach Kanada verkauft, wo es ExoPC heißt. Der Slogan „WePad – Designed in Germany“, der noch immer auf der Neofonie-Startseite erscheint – glatt gelogen.
Allerdings auch nicht dreister gelogen als der Fernseher „made in Germany“, der in China gefertigt und erst dann in eine deutsche Fabrik geschippert wird, wo ein hochspezialisierter Mechaniker nur noch das Logo anschraubt. Gleiches Bild bei Bohrmaschinen, Telefonen, Fernsehshows, Romanen, Popmusik. Welcher Welterfolg ist noch made in Germany?
Ein marodes Land hätte sich im Erfolg gesonnt
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Wie auch, in einem Land, das den boomenden Markt der Unterhaltungselektronik gänzlich aufgegeben hat? In dem Risikokapitalgeber Start-up-Gründern dazu raten, doch lieber einen Dienst aus den Staaten zu kopieren statt etwas Eigenes zu versuchen. Siemens kapitulierte trotz ordentlicher Marktanteile Mitte 2005 vor der kreativeren Konkurrenz aus Korea und gab seine Handysparte auf. Träume werden jetzt in Kalifornien und Fernost realisiert, die Zukunft findet in China statt. Im Zuge des WePad wäre es wohl einfach zu schön gewesen. Ganz ehrlich: Ich hätte es den Jungs gegönnt und mich gefreut, dass Typen aus Deutschland mit adeligem Namen zu Web-Popstars vom Formate eines Mark Zuckerberg aufsteigen können.
Eine Geschichte mit Hollywood-Charakter: Ein mittelständisches Unternehmen wie aus dem Lehrbuch zeigt es der amerikanischen und vor allem asiatischen Konkurrenz. Es fertigt ein modernes Highend-Produkt nach Wünschen der Kunden mit besseren Eigenschaften als das visionäre Apple und rollt von Deutschland aus den Weltmarkt auf. Nach angeblichen drei Jahren Entwicklungszeit. Mit einem eigenen Betriebssystem. Ohne einen Cent Fremdkapital.
Hightechstandort Deutschland?
Es wäre Friede-Freude-Eierkuchen gewesen im Land der Dichter und Denker Zeitarbeiter und Call-Center: Die Zeitungshäuser hätten sich selbst ins Boot gesetzt und ihre Rettung gefeiert, womit sie prima kaschiert hätten, dass sie sich durch massiven Personalabbau und Abschaffung der Qualitätskontrolle selbst in Seenot gebracht haben. Auch die Buchverlage wären klagend mit an Bord gestiegen: Eigentlich wäre die achte Fortsetzung des Zauberlehrlings ja 30 Euro wert, aber um neue Einnahmequellen zu erschließen, ließe man sich zähneknirschend auf einen Deal ein.
Kanzlerin und Wirtschaftsminister hätten sich publikumswirksam mit dem Mann im roten Schal fotografieren lassen und im nächsten Wahlkampf den kreativen Hightechstandort Deutschland ausgelobt. Obwohl Start-ups hier weniger staatliche Förderung erhalten als Sonnenstudios, obwohl Nachwuchskräften keine Perspektive geboten wird, obwohl die Entwicklungsarbeit in vielen Branchen bewiesenermaßen zusehends von Jungingenieuren mit Kleckergehalt erledigt wird, statt von gut bezahlten Designern vom Formate eines Jonathan Ive.
Keiner von ihnen hätte es verdient.
Und deswegen ist es vielleicht besser so, dass die Technikrevolution diesmal wieder von Kalifornien und Asien ausgeht, und nicht von Deutschland.
Epilog
Über die Osterfeiertage machte ich mit einem Freund in New York Urlaub, als wir ungeplanterweise in den Sog des iPad-Verkaufsstarts gerieten und das Gerät spätabends im Best Buy am Union Square in den Händen hielten. Ich war ganz angetan, mein Kollege auch. Wer was gesagt hat, tut nichts mehr zur Sache. Der Tenor jedoch war: „Schon ein tolles Gerät, oder? Leicht, schnell, groß. Und die Verlage wollen jetzt, dass das Dingen sie rettet.“ – „Macht wirklich einen guten Eindruck. Aber wozu braucht man das eigentlich?“ – „Brauchen? Wie, brauchen?“