Neelie Kroes, die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, ist eine ziemlich harte Frau: Als Vorsitzende der Nijenrode Universität überreichte sie einstmals Bill Gates die Urkunde der Ehrendoktorwürde, kurze Zeit später verdonnerte sie ihn im Wettbewerbsrechtsstreit mit Microsoft zu Strafzahlungen in Millionenhöhe. Sympathisch. Als Nachfolgerin von Viviane Reding in der Kommission ist sie unter anderem verantwortlich für die Steuerung des europäischen Telekommunikationsmarktes und hier steht ein Thema derzeit ganz oben auf der Liste: Netzneutralität.
Nachdem die Amerikaner mit ihrem Vorstoß erst einmal eine Schlappe einstecken mussten, will es die EU nun richtig machen. Gestern hielt Kroes in Paris eine Rede, in der sie das weitere Vorgehen erklärte: „Netzneutralität ist ein Thema, das Emotionen erzeugt. Jeder hat eine eigene Meinung und – bislang – hat dies zu keinem Übereinkommen geführt, was Netzneutralität eigentlich bedeutet“, beginnt ihr Vortrag.
Heute würden viele Internet Service Provider bei ihr anklopfen und den Wunsch äußern, die Inhaltsanbieter (zum Beispiel Google, Apple und Co.) zur Kasse zu bitten. Andere würden gerne ihre Kunden für die Bereitstellung verschiedener Dienste (Torrents, VoIP) Extra-Rechnungen stellen. Die Kommission stünde vor der Aufgabe, ein ganzes Bündel an Forderungen miteinander zu vereinbaren: Darf bestimmter Traffic priorisiert werden? Darf es zusätzliche anbieterseitige Gebühren für bestimmte Websites geben? Brauchen wir mehr Transparenz?
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Kroes räumte ein, dass wir uns in Europa „in einer frühen Phase“ befinden, dennoch plädiert sie dafür, keine „übereilten regulatorischen Interventionen“ durchzusetzen. Zum Beispiel sehe sie die Forderung, dass bestimmte Inhalte nicht diskriminiert werden dürfen, als kritisch an – der Wunsch der ISPs, Content-Anbieter um eine Beteiligung an den Kosten zu bitten, sei zumindest als solcher zu respektieren. Eine ungenaue Regulierung könnte hier ihrer Meinung sogar hinderlich sein, sagte Kroes und bemühte eine Straßen-Analoge:
Es gibt viele Möglichkeiten, um den Verkehr zu regulieren: die Infrastruktur kann verbessert, Mautgebühren können eingeführt, Kreuzungen und Kreisverkehre können gebaut werden. Doch neue Regeln aufzustellen und die Straße mit Schildern voll zu stellen, ist nicht automatisch förderlich, um den Verkehr zum Fließen zu bringen. Es ist sogar so, dass der langsamste Verkehr oft dort ist, wo ein Polizist an der Straßenecke steht. Ich werde nicht diejenige sein, die eine Lösung anbietet und sich später die sich daraus ergebenen Probleme anschaut. Ich bin nicht der Polizist auf dieser Straße.
Deshalb werde sie erst einmal den langsamen Weg einschlagen und alle Beteiligten an einen runden Tisch bitten. Im Sommer will sie dazu eine öffentliche Anhörung ausrichten, an der interessierte Parteien teilnehmen können. Jedoch bringe sie auch ein paar nichtverhandelbare Punkt mit zu diesem Gespräch: Dazu zählt ihre Forderung, dass Nutzer ihre Meinungen frei und ungehindert im Internet teilen können. Dazu gehört außerdem auch die Transparenz der Netzwerke, Investitionen in die Infrastruktur, fairer Wettbewerb (wozu auch das Angebot von VoIP zählt) und die Förderung von Innovationen.
Gut, warten wir also ab, was der Sommer bringt.
(André Vatter)