Während sich Facebook in diesen Tagen viel Prügel in den Medien abholt, ist es um die VZ-Gruppe ruhiger geworden. Man hat beim Datenschutz die Nase klar vorn gegenüber dem amerikanischen Original, was beileibe auch nicht immer so war. In allen anderen Belangen ist man Facebook jedoch hoffnungslos unterlegen. Neu-CTO Jodok Batlogg hat diesbezüglich recht vollmundig angekündigt, dass er frischen Wind in das angestaubte Usability-Schlachtschiff bringen will und heute berichtet man dann über ein paar mehr oder weniger einschneidende Änderungen, auf die ich mit ein paar Sätzen eingehen werde:
- Edelprofile mit „Rückseiten“: Gleich mit dem ersten Punkt verwirrt man mich ein wenig. Die sogenannten Edelprofile erhalten Rückseiten, damit die Partner mehr Platz für ihre Angebote und Werbeformen haben. Mir ist gerade nicht ganz klar, wieso man sich mit dem Begriff „Rückseite“ selbst so limitiert – mehr als zwei Seiten pro Edelprofil werden also auch in Zukunft nicht möglich sein, unabhängig von deren Notwendigkeit. Vielleicht ist man im Holtzbrinck-Konzern immer noch zu sehr in der Print-Nomenklatur gefangen, anders kann ich mir diese Begrifflichkeit nicht erklären.
- Überarbeiteter Geburtstagskalender: Die „hab ich bei Facebook schon seit Jahren“-Nörgelei spare ich mir an dieser Stelle auf für einen späteren Punkt. Davon abgesehen ist es aber wirklich ein nettes Feature, dass man sich nun auf einen Blick anzeigen lassen kann, welche meiner Freunde in einem kompletten Monat Geburtstag haben, statt nur die arg eingeschränkte Vorschau auf die nächsten Tage zu haben.
- Mobile Apps: Hier hat man ja angekündigt, dass man in diesem Segment einen Schwerpunkt für die nächste Zeit ausgemacht hat und so ist es wenig verwunderlich, dass die VZ-App für das iPhone erneut deutlich aufgebohrt wird und in Bälde auch den Plauderkasten enthalten wird.
- Pinnwand: Die Ankündigung klingt wenig spektakulär und dennoch bin ich der Meinung, dass diese Änderung weitaus entscheidender für die VZ-Zukunft sein wird als Kalender oder Profil-Rückseiten: Die Pinnwand kommt ab sofort mit der Integration von Fotos, Apps, Profilen, etc. „Sofort“ ist dabei übrigens relativ, denn die frisch angekündigte Änderung gilt zumindest noch nicht für die Pinnwände, auf die ich zugreifen kann.
Die Facebookisierung der VZ-Netzwerke hält an
Zugegeben, die Überschrift ist nicht ganz fair, denn die Änderungen aus dem letzten oben genannten Punkt sind ja wahrlich keine Facebook-Erfindung, sondern ebenfalls nur – wenn auch grandios gemacht – von der Konkurrenz abgekupfert. Egal, ob es sich um FriendFeed, Twitter, oder künftig auch Formspring handelt: Stets haben Entwickler den Markt im Auge und transportieren ein Nischenprodukt clever in den 450 Millionen-User-Mainstream. Auf diese Weise hat man mit seinem News-Feed und der dort möglichen Interaktion mit Freunden nicht nur das studiVZ meilenweit hinter sich gelassen und den Puls der Zeit getroffen. Aber genau hier will VZnet Netzwerke Ltd nun auch etwas mehr Pfeffer in den User-Alltag bringen. Ab sofort kann ich bei meiner Stippvisite auf anderen Profilen nicht nur beknackte ASCII-Bildchen posten, sondern durchaus mehr Content unterbringen. Das Auf-die-Pinnwand-Posten wird auch aus den Anwendungen selbst möglich sein. Meinen neuen Rekord bei Brainbuddies kann ich meinem VZ-Freund auf seiner Pinnwand also direkt um die Ohren hauen. Zitat aus dem VZ-Blog:
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Insgesamt steigern diese „Commenting“-Funktionen Viralität und Aktivität der Nutzer
Da ich die Neuerungen bis auf den Kalender aktuell nicht testen kann, erspare ich mir auch jedes Wort zur technischen Umsetzung auf, bis ich da Genaueres zu sagen kann. Was die Idee an sich angeht, ist es wie so oft bei den VZ-Jungs: Schöner Gedanke, nur vielleicht ein wenig spät. Die Änderungen reichen zwar locker aus, um Network-Minimalisten wie Wer-kennt-wen technisch auf Abstand zu halten, aber was den sich immer wieder aufdrängenden Vergleich zu Facebook angeht, kann man damit natürlich kein müdes Netzwerk-Kätzchen hinter dem virtuellen Ofen hervorlocken.
Stattdessen habe ich ein ganz anderes Gefühl bei dieser Änderung: Oft höre ich von Facebook-Kritikern, dass ihnen das überladene Profil mit dem Wust an Information den Spaß an Facebook nehme. Stattdessen bevorzuge man das schlichte VZ, weil man eben dort auch mit seinen Kontakten in Verbindung bleiben kann, ohne von zu viel Schnickschnack erschlagen zu werden. Dreht VZnet die Usability-Schraube nun wieder ein Stück in Richtung Facebook, muss man einen Drahtseil-Akt bewerkstelligen. Zu wenig Änderung bedeutet Stillstand (welcher sicher auch nicht jedem VZ-Nutzer gefällt) und zu viel Änderung bietet gleich zwei Gefahren:
- Es besteht das Risiko, dass User nicht mitgenommen werden und diese dann weiterziehen zum nächst-schlichteren Netzwerk.
- Der Betreiber rennt bei den Usern offene Türen mit den Änderungen ein und diese erkennen dann recht schnell, dass man all das bei Facebook technisch besser gelöst zur Verfügung hat.
Vor zwei Jahren wäre das eine Problematik gewesen, die der VZ-Spitze maximal ein desinteressiertes Gähnen abgerungen hätte. Schließlich waren die Nutzerzahlen und die totale Markt-Dominanz das Pfund, mit dem man wuchern konnte. Heute sieht das anders aus, auch wenn man sich noch so gerne die User-Zahlen aus allen drei Netzwerken in einen Topf wirft, um letzten Endes doch noch verkünden zu können, dass man größer als Facebook sei.
Nichtsdestotrotz: Ich begrüße die Änderungen durchaus, fürchte jedoch ein wenig, dass man damit weder neue User gewinnen kann, noch abwanderungswillige wird aufhalten können. Vielleicht revidiere ich meine Meinung ja noch ein wenig, wenn durch den überarbeiteten Buschfunk und die User-Blogs der gesamte Auftritt des Portals mehr Tiefe erhält.
(Carsten Drees)