Wer noch Zweifel daran hatte, dass die Themen Datenschutz und Internet im Vorfeld der NRW-Wahlen ausgeschlachtet werden: bitte – hier ist der Beweis. Die deutsche IT-Politik unternimmt derzeit nichts anderes, als allerorten ihr Machtlosigkeit zu demonstrieren. Schönstes jüngstes Beispiel ist Frau Aigners offener Brief an Facebook-Chef Zuckerberg, in dem sie knallhart mit dem Niederlegen ihrer Mitgliedschaft droht. Nico Lumma hat mittlerweile das putzige Projekt seheichmichgezwungen.de ins Leben gerufen, bei dem Nutzer allem und jedem ebenfalls nutzlose Ultimaten stellen können, beispielsweise: „Sollte Gott nicht bereit sein, das Wetter zu ändern und die eklatanten Missstände zu beheben, sehe ich mich gezwungen, meine Mitgliedschaft zu beenden.“
Dummerweise bekam Aigner auch noch eine Antwort auf ihren Brief. Facebooks Privacy-Mann Richard Allan hatte sich überrascht über die Vorwürfe gezeigt und sie nonchalant zu einer Plauderei über das Thema eingeladen. Aigner äußerte sich nicht persönlich zu dem Angebot, sondern schickte einen Ministeriumssprecher vor, der knirschend verlauten ließ: „Die Bedenken der Ministerin sind nicht ausgeräumt.“ Klar, was hätte er sonst sagen sollen? Dass man dankbar für die Einladung sei? Immerhin könnte ein aufschlussreiches Gespräch ja tatsächlich für Klärung auf den Seiten aller Parteien sorgen – dann wäre der Bashing-Buzz vorbei.
Anstatt zügig einen Termin anzuberaumen, zog es Aigner vor, ihre eigenen Fan-Community auf Facebook erst einmal über die Ereignisse zu informieren und den Nutzern mitzuteilen, dass sie sich weiterhin gegen die unerlaubte Weitergabe von Mitgliederdaten wehre. Dann spekuliert sie öffentlich über die Absichten Allans, ehe sie mitteilt: „In den nächsten Wochen werde ich die Unternehmensspitze zu einem Gespräch nach Berlin einladen.“ In den nächsten Wochen? Achja, richtig: Die NRW-Wahlen sind ja erst am 9. Mai und bis dahin macht sich ein polternder, engagierter Kampf gegen den Amerikaner ja besser, als ein Round-Table mit bayerischen Knabbergebäck, der ergebnislos abgebrochen wird.
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Eines ist klar: Facebook wird sich durch lächerliche Drohgebärden, Talkshow-Diskussionen auf Stammtischniveau und erhobene Zeigefinger nicht beeindrucken lassen.
Bin ich der einzige, der es komisch findet, dass die Politik den Schulterschluss mit den Bürgern sucht? Und zwar in Sachen Facebook so extrem, wie in kaum einer anderen Angelegenheit? Dass man mich nicht falsch versteht: Ich stehe absolut hinter den Forderungen der Politik. Zuckerberg (und nicht nur er) braucht ordentlich einen vor den Latz geknallt, damit endlich Bewusstsein dafür herrscht, dass sich Mitglieder nicht wie hörige Content-Bienen melken lassen. Doch auch die Nutzer müssen wachgerüttelt werden – und zwar auf breiter Front. Außerhalb der Gemeinde umsichtiger Early Adopters tummeln sich eine Menge Web 2.0-Legastheniker, die ungelenk in neue Dienste hineinstolpern und im blinden Vertrauen den Betreibern ihre Datenspuren schenken.
Wenn es also einen Missstand gibt, dann muss die Politik aktiv werden und endlich die Dinge anpacken. Dass nun nicht nur Aigner, sondern auch ein Bündnis von Opposition und Koalition Facebook als Plattform nutzt, um dem Unmut über die Änderungen der Datenschutzbestimmungen Ausdruck zu verleihen, ist nicht nur lachhaft, sondern geradezu ein Armutszeugnis: „Habt ihr gute Ideen, was man ansonsten noch starten kann?“ haut dort die Politik den Bürger an. Was kann man schon antworten? „Hey, was fragt ihr mich? Ihr macht die Politik!“ Wenn das Mittel der Legislative einzig daraus besteht, Demonstrationen auf Online-Communitys abzuhalten, kommt das einer Kapitulation gleich. „In Deutschland sterben zu viele Menschen im Straßenverkehr, weil immer mehr alkoholisiert Auto fahren. Was machen wir?“ – „Öh. Wir machen ein Premium-Profil bei StudiVZ auf und fragen die Bürger.“ Die Berliner Parteien errichten Barrikaden und helfen den Nutzern dabei, sie zu erklimmen. Wann hat es so etwas schon einmal gegeben?
Ich will konkrete Schritte von der Politik sehen, um das Problem anzugehen: keine Nebelkerzen, keine Polemik, keine Verzögerungstaktik. Da so gerne der Bundesverband Verbraucherzentrale als Rückendeckung bei den Forderungen herangezogen wird: Warum werden die Vorschläge der Datenschützer nicht umgesetzt? So hatte der Verband angeregt, den Datenschutz in die Liste der Verbraucherschutzgesetze im Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) mit aufzunehmen, um gegen Datenmissbrauch rechtlich vorgehen zu können. Bis heute habe ich keinen Politiker darüber öffentlich nachdenken hören. Stattdessen:
In der Zwischenzeit setze ich weiter auf Ihre und Eure Unterstützung. Ladet Eure Freunde ein, diskutiert mit, nutzt diese und andere Gruppen, um deutlich zu machen, dass Facebook seine Mitglieder und deren persönliche Daten zu respektieren hat. Herzliche Grüße, Illse Aigner.
Besserer Vorschlag: Wählt Vertreter, die in der Lage sind, euch zu repräsentieren und zu handeln. Sofern sie auf gesetzliche Grenzen bei der Umsetzung stoßen, sollen sie in der Lage sein, diese zu nennen und Konzepte vorzulegen, wie man das Problem anderweitig – parteien-, länder- oder staatenübergreifend – in den Griff bekommt. Wählt keine Netzwerk-Animateure.
(André Vatter)