„Bitte, Frau Aigner!“ Mark Zuckerberg kniete auf dem Boden vor der Ministerin. Seine Stimme zitterte, einige Tränen hatten sein T-Shirt dunkel gefärbt. „Überlegen Sie es sich bitte noch einmal. Geben Sie mir eine zweite Chance, Frau Aigner.“ Die Frau – in Deutschland zuständig für Landwirtschaft und Verbraucherschutz – starrte auf das Häufchen Elend zu ihren Füßen: „Nein!“, lachte sie. Dann drehte sie sich wieder dem Monitor zu und drückte den Button mit der Aufschrift „Profil löschen“.
Haha, was da in Berlin abgeht, ist ja wirklich eine Soap Opera par excellence. Ich kann nicht mehr, ich liege am Boden! Ilse Aigner (CSU) hatte das Oster-Wochenende dazu genutzt, um mal mächtig auf die Pauke zu hauen und es den Amis zu zeigen. Sind ja auch bald Wahlen in NRW. Mit erhobener Faust hatte sie Zuckerberg einen offenen Brief geschrieben, und dort wilde Drohungen gegen ihn ausgestoßen. Etwa, dass sie ihren Account löschen werde, sollte Facebook nicht endlich den Datenschutz Ernst nehmen: „Wie Sie wissen, setze ich mich als Bundesverbraucherministerin mit Nachdruck dafür ein, dass der Schutz personenbezogener Daten im Internet gewährleistet wird“, hatte sie geschrieben. Zuckerberg muss reagiert haben, als hätte man ihn mit einem Stück Nähseide geschlagen – sofern er den Brief überhaupt zu Gesicht bekommen hat: „Who the f*ck is Ilse Aigner?“
Also, das Problem liegt klar auf der Hand: Facebook tritt die Privatsphäre der Nutzer mit den Füßen. Das hat die Stiftung Warentest bestätigt, der Chaos Computerclub weist öffentlich auf die Missstände hin und nun warnt auch noch der Verbraucherzentrale Bundesverband in einem Appell an die Nutzer vor dem Netzwerk: „Wem der Schutz persönlicher Daten wichtig ist, sollte wechseln“, heißt es da. Die Verbraucherschützer ständen hinter Aigners Forderungen.
Neue Stellenangebote
Online-Manager / Onlinemarketing-Manager / Social-Media-Manager (m/w/d) UNIGLAS GmbH & Co. KG in Montabaur |
||
Content- & Social Media Manager:in (m/w/d) fischerAppelt in Hamburg |
||
Content Creator Social Media (m/w/d) Erlebnisbauernhof Gertrudenhof GmbH in Hürth |
Im vergangenen Sommer hatte der Bundesverband die Vertrags- und Datenschutzbestimmungen von sozialen Netzwerken abgemahnt, Facebook war mit von der Partie. Die Netzwerke verständigten sich darauf, umstrittene Klauseln aus den Richtlinien zu entfernen. Bis heute haben sich alle an das Versprechen gehalten – nur Zuckerberg nicht. Im Gegenteil: Auf Facebook sollen neue Datenschutzbestimmungen eingeführt werden, gemäß denen Dritte Zugriff auf die Nutzerdaten erhalten sollen (weitere Infos siehe „Facebook legt für 30 Minuten die Mail-Adressen der Mitglieder offen„). „Momentan können wir den Nutzern nur raten, den geplanten Änderungen zu widersprechen und sich gemeinsam mit ihren Freunden einen neuen Anbieter zu suchen“, sagt deshalb Bundesverband-Vorstand Gerd Billen. Alternativ fordert er ein obligatorisches Opt-In-Verfahren, bei dem Mitglieder die neuen Datenschutzregeln aktiv abnicken müssen. „Die Verantwortung für die Einhaltung des Datenschutzes liegt beim Betreiber, nicht beim Nutzer.“
Billen hat völlig Recht. Das Problem ist aber, dass hierzulande niemand in der Lage ist, Facebook irgendwelche Vorschriften zu machen. Als das Netzwerk ankündigte, eine Dependance in Hamburg zu eröffnen, glomm leise Hoffnung auf, dass der deutsche Datenschutz nun ein Wörtchen mitreden könne – wohl verfrüht, wie sich nun herausstellt.
Und Frau Aigner? Sie feiert offenbar Karneval, da wird auch mit Bonbons geworfen. Wenn die Drohung, ihren Account zu schließen, alles ist, was sie drauf hat, dann sollte sie sich lieber wieder ihrem zweiten Aufgabenfeld als Ministerin widmen und Empfänge auf Landschaftsgartenschauen besuchen. Als ich ihren Brief las, war bei mir erst einmal eine Runde Fremdschämen dran.
Die Verbraucherzentrale hat nun den Vorschlag gemacht, den Datenschutz in die Liste der Verbraucherschutzgesetze im Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) mit aufzunehmen, um gegen Datenmissbrauch rechtlich vorgehen zu können. Das wäre ein erster Schritt. Ich frage mich auch, warum die EU nicht langsam eingeschaltet wird. Die Telekommunikationsregulierung in Brüssel hat in der Vergangenheit den ein oder anderen Rumms durch Europa gehen lassen, vielleicht vermögen das auch die dortigen Datenschützer. Auf der anderen Seite… die aktuelle Nummer mit den Netzsperren hat wieder einmal aufgezeigt, dass es nicht immer Sinn macht, Brüssel zuviele Kompetenzen zuzuschanzen.
(André Vatter)