„Das ist nicht unser Geschäft“, hatte Eric Schmidt noch Mitte Februar gesagt. Der O-Ton stammt aus der Live-Übertragung seiner Keynote auf dem Mobile World Congress und bezog sich auf die Frage eines Journalisten, ob Google jetzt zum Anbieter von Internetzugängen wird. Die Suchmaschine hatte im Herbst des vergangenen Jahres angekündigt, dass man den Aufbau eines eigenen 1-Gigabit-Monsterglasfasernetzes in den Staaten plane. Man habe der Federal Communications Commission lange genug in den Ohren gelegen, der Ruf nach Netzneutralität und Transparenz sei reaktionslos verhallt: Dann machen wir es halt selbst, so das damalige Fazit im Blogpost.
50.000 bis 500.000 Nutzer sollen an das Google-Netz angeschlossen werden, Gemeinden aus den ganzen USA konnten sich für eine Teilnahme an dem Projekt bewerben. Erst am Freitag ist die Frist dafür abgelaufen und wie zu erwarten war, war die Resonanz gigantisch: Bis 13.30 Uhr hatten 1.100 Gemeinden ihr Interesse bekunden, zusätzlich meldeten sich noch einmal knapp 200.000 Einzelpersonen, die künftig mit Google ins Netz gehen möchten. Alle drehten durch: Zwei Kommunen aus Alaska haben sich gemeldet, der Bürgermeister von Duluth sprang werbend in den Lake Superior, das Oberhaupt von Florida stieg in ein Haifischbecken und die Stadt Rancho Cucamonga hat sich übergangsweise in Rancho Googlemonga umbenannt. Wer den Zuschlag am Ende erhält, ist zur Stunde noch völlig ungewiss. Die Suchmaschine schickt nun Techniker in das ganze Land, die sich ein Bild vor Ort machen sollen.
Warum das ganze Theater? Google selbst gibt drei Gründe an, weshalb man nun ISP-Luft schnuppern möchte: Erstens soll geprüft werden, welche neuen Dienste sich mit der Breitbandverbindung realisieren lassen. Zweitens sollen die etablierten Netzanbieter etwas von Googles technischem Vorstoß lernen. Und drittens will man als Open Access-Krieger vormachen, wie Netzneutralität heute in der Praxis aussehen könnte: Datenpakete würden nicht gefiltert, gedrosselt oder sonstwie beim Transport behindert.
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Dass der Plan auf breite Zustimmung in der Bevölkerung trifft, ist selbsterklärend. Die Vereinigten Staaten, wie wir sie aus all den Hollywood-Schinken kennen, sind ein digital nur schwach erschlossenes Land. UMTS besitzt Seltenheitswert, die Mobilfunkinfrastruktur ist verglichen mit EU-Verhältnissen ein Witz und die meisten Breitbandzugänge haben diesen Namen nicht einmal verdient, weil ISDN-Speed noch immer an der Tagesordnung ist. Deshalb das neue Netz. „Schließlich ist es doch so, dass man nicht erst in zugefrorene Seen und Haifischbecken steigen sollte, um ultra-high-speed-Breitband zu bekommen“, greift Google dankbar und witzelnd die Freak-Stunts der verzweifelten Gemeindebosse auf.
Am Anfang war die Suche
Der Zugang zum Netz soll zu „wettbewerbsfähigen Preisen“ angeboten werden, was erstaunt, da Google bislang nur zwei Nutzergruppen um bares Geld bittet: Geschäfts- und Werbekunden. Wir Privatnutzer haben bis heute noch nicht einen Cent für Google-Dienste bezahlt, sei es Gmail, YouTube, Google Maps oder Earth. Es wäre ein Novum zu sehen, wie jemand Geld auf ein Google-Konto überweist. Auf der anderen Seite zeigte die Suchmaschine in der Vergangenheit verstärkte Aktivitäten im Geräte-Sektor (Nexus One, das geplante Chrome-Netbook), in dem immer häufiger stark subventionierte Hardware auf den Markt geworfen werden wird.
Doch, noch einmal: Warum das Ganze? Am Anfang war die Suche. Hier konnte das Surfverhalten der Nutzer minutiös protokolliert werden, um kostbare Informationen über Vorlieben und Abneigungen zu sammeln und dementsprechend die Werbung individuell auszurichten. Wer die Plattform verließ, war verloren. Deshalb kam Gmail dazu, kein Mensch sollte Google verlassen, nur, weil er eine Mail schreiben muss. Die Nutzer mögen Videos? Kaufen wir YouTube. Kartendienste und geobasierte Angebote werden immer attraktiver? Bauen wir ein Google Maps! Moment, da läuft noch Word und Excel? Bitte schön: Google Docs. Das Echtzeitnetz boomt? Unsere Lösung heißt Google Wave und Buzz. Als die Menschen anfingen, hin und wieder das Haus zu verlassen, um ihre Einkäufe zu erledigen, wurde Android erfunden, um auch auf den Handys jederzeit präsent zu sein. Nachdem das mobile Netz abgedeckt ist, kehrt Google nun zum Kernbereich wieder zurück.
Betreiber und Dienstanbieter in Personalunion
Ich beteilige mich ungern an Verschwörungstheorien, aber ist es nicht so, dass ein Netzanbieter Google nun unabhängig von der gewählten Aktivität der Nutzer im Internet alles auf den Schirm hat, was gerade passiert? Ist es nicht so, dass die etablierten Netzanbieter einem massiven Preiskampf ausgesetzt sind und die Investitionskosten für einen Neu- oder Weiterausbau gar nicht stemmen können und deshalb dem Google-Breitband nichts entgegen zu setzen haben? Und ist es nicht so, dass der Wettbewerb verzerrt wird, wenn Betreiber und Dienstanbieter in Personalunion am Markt operieren? Sollten deshalb in Deutschland beispielsweise die Kraftwerk-Besitzer sich nicht von ihren Netzen trennen? Würde Letzteres nicht geschehen, könnten die Quasi-Lokalmonopolisten den Kunden ihre Endpreise diktieren.
Ich betrachte die aktuelle Entwicklung in den Staaten mit großem Bauchgrummeln, wenn nicht mit großer Sorge. “Das ist nicht unser Geschäft“, hatte Schmidt gesagt. Es handele sich lediglich um einen Testballon. Doch wenn man ehrlich ist, sollte man nicht verschweigen, dass Google oft äußerst kreativ und kundenfreundlich vorgeht. Wenn Projekte eingestampft werden (was selten vorkommt), muss es sich schon um eindeutig absehbare Misserfolge handeln. Nach dem euphorischen Bewerbungszirkus, der im Vorfeld der Planung stattgefunden hat, halte ich es für relativ unwahrscheinlich, dass Google an einen Punkt kommt, an dem ein Baustopp beschlossen wird – und einen Rückzieher macht.
Um in Deutschland als Externer das Surfverhalten ausspähen zu können und um IP-Adressen ihren jeweiligen Besitzern zuordnen zu können, muss der Staatsanwalt zunächst eine richterliche Genehmigung einholen. Google bekommt diese Informationen bald 24 Stunden frei Haus geliefert. Völlig legal und dabei noch umjubelt.
(André Vatter)