Erst wurde gespart, jetzt wird nach vorne geschaut – Kunden, Aktionäre und Journalisten haben immerhin lange genug gewartet. Der Chef der Deutschen Telekom, René Obermann, will sein Unternehmen zurück auf den Wachstumskurs bringen. Machen wir uns nichts vor: Der Ex-Monopolist steht vor einer Riesenaufgabe und ein beharrliches „Weiter so!“ – das haben wir in der Vergangenheit gesehen – würde den Laden über kurz oder lang vor die Wand fahren lassen.
Schon seit Monaten geisterte deshalb die Rede einer diffusen „Strategie 2.0“ durch die Wirtschaftsredaktionen, ein geheimes Planungspapier, das sich Obermann mit visionärer Kraft und spitzem Bleistift ersonnen hat, um den Telco mit den 260.000 Mitarbeitern weltweit wieder auf Vordermann zu bringen. Branchenbeobachter zeigten sich jedoch zunächst skeptisch: Der neuen und teils geleakten Roadmap fehle es an Biss, sie sei konservativ und mutlos. Heute war es soweit und Obermann stellte das neue Konzept in Bonn vor (Video): „Verbessern – Verändern – Erneuern“, lauten die Schlagworte oder etwas zeitgemäßer durch die T-Werber ausgedrückt: „Fix – Transform – Innovate“. Schauen wir uns die Zukunftsstrategie für die kommenden drei Jahre also ein wenig genauer an.
Durch die (längst überfällige) Fusion der Geschäftsparten T-Home und T-Mobile ist ein wenig Platz im Angebotsportfolio frei geworden, den Obermann nun wieder zu füllen gedenkt. Grundsätzlich soll das Unternehmen durch einen breiteren Umsatzmix punkten, unvermeidbar dafür ist das Erschließen neuer Geschäftsbereiche: Festnetz und Mobilfunk werden zwar weiterhin eine „tragende Rolle“ im Geschäftsmodell spielen, jedoch tatsächlich nur noch hintergründig. Die wirklich tragenden Säulen – fünf an der Zahl – werden dafür unternehmensintern immer weiter gepusht.
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Hier die neudeklarierten Kernbereiche im Einzelnen:
1. Mobiles Internet: Beim mobilen Datenverkehr soll der Umsatz von knapp vier Milliarden Euro 2009 auf zehn Milliarden Euro 2015 steigen.
2. Das Geschäft mit eigenen Internetangeboten wie Scout 24, Music-, Video-, Software- oder Gamesload will die Telekom erweitern und bis 2015 auf zwei bis drei Milliarden Euro Umsatz steigern.
3. Connected Home: Privatkunden sollen Zugang zu Diensten und Inhalten über alle Endgeräte hinweg bekommen. Der Umsatz soll dadurch – inklusive Breitbandzugang – von fünf auf sieben Milliarden Euro in 2015 wachsen.
4. T-Systems plant, seinen externen Umsatz um zwei auf acht Milliarden Euro zu steigern. Cloud Computing wird hier neuer Wachstumstreiber.
5. Intelligente Netzdienste: Neue Angebote für Branchen wie Energie, Gesundheit, Medien und Automobil sollen es richten. Dazu gehören Anwendungen Dritter, die durch die Netze und Services der Telekom erst möglich werden – wie zum Beispiel die Telemetrie fürs Auto oder intelligente Stromzähler für Privatkunden.
Das Komplettpaket soll dem Konzern bis 2015 Umsatzzuwächse in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro (30 Milliarden Euro insgesamt) bescheren – wenn man bedenkt, dass die Telekom einstmals ihre Brötchen mit der Minutentaktung im Kupferdraht verdiente, sind dies tatsächlich große Schritte, die dort geplant sind. In einer ersten Reaktion äußerten sich die Kritiker jedoch folgendermaßen: Sollte Obermann das 5-Säulen-Modell umsetzen, könnten sich die Bonner verzetteln! „Zwei Dinge sind wichtig: Ein margenstarkes Kerngeschäft und der Mut, auf chancenreiche Wachstumsfelder zu setzen“, entgegnete dem Obermann. „Eine erfolgversprechende Strategie muss heute mehr als einen Fokus haben.“ Streamlining ist demnach out…
Neue Investitionen in Milliardenhöhe
Endkunden werden von der Umsetzung der Blaupause wohl schon in Kürze profitieren: In Deutschland will der Konzern von 2010 bis 2012 rund zehn Milliarden Euro investieren, etwa in Glasfasernetze, die dann für vier Millionen Haushalte nutzbar sein werden, oder in neue Mobilfunktechnologien wie LTE. Auch in anderen europäischen Märkten sind Investitionen geplant, selbst für die Vereinigten Staaten, in denen die Telekom ein eigenes Mobilfunknetz betreibt, wurde die „Netzoffensive USA“ angekündigt. Angesichts dieser ambitionierten Plänen konnte sich sogar der Aufsichtsrat nicht mit seinem Jubel zurückhalten: „Mit den Investitionen bereitet der Vorstand in Deutschland und anderen Ländern den Weg in die Gigabit-Gesellschaft und schafft zugleich Möglichkeiten für neue Beschäftigung“, so Vize-Aufsichtsratchef Lothar Schröder. „Die Telekom stellt sich damit ihrer gesellschaftlichen Aufgabe.“ Ein Lob, das dem Chef gut tun wird, immerhin steht in diesem Jahr die Verlängerung seines Vertrages an.
Ein interessanten Seitenhieb hatte Obermann auch für die Dienst- und Produktanbieter wie Google, Amazon oder Apple mit im Gepäck, die – so der Vorwurf – Dank des Internets den fetten Reibach machen, sich aber nicht um die Investitionskosten des Netzausbaus kümmern. Den Spaniern geht diese Mitnehmmentalität bereits auf den Senkel, der Telefónica-Chef César Alierta hatte kürzlich gedroht, Google zur Kasse zu bitten oder andernfalls rigoros den Hahn abzudrehen. Obermann ging da diplomatischer ans Werk: Anstatt die eigenen Netze zur reinen Dumb-Pipe degradieren zu lassen, arbeite man lieber selbst an Lösungen, um den Kabeln erstmals Intelligenz einzuhauchen. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass die Telekom (wie unter Punkt 2 und 5 vermerkt) verstärkt selbst als Dienstanbieter auftreten wird: Payment-Lösungen, IPTV und andere Multimedia-Spielereien der Telekom dürften uns also bald häufiger im Netz begegnen.
Ob das alles ausreicht, um die Telekom fit für die Zukunft zu machen? Ein wenig Skepsis ist angebracht. Neben der Gefahr der Verzettelung gibt es noch einen weiteren Grund: Die „Financial Times Deutschland“ merkt nervös an, dass sich in den ersten Jahren nicht viel von der Weichenstellung in den Bilanzen niederschlagen wird. Und das wird zweifelsohne einige Aktionäre auf die Palme bringen. Die ehemalige Volksaktie dümpelt seit langer Zeit unter zehn Euro herum.
(André Vatter)