Kennt ihr bei „Hart aber fair“ diese kleine Feedbackrunde? Frank Plasberg seufzt dann immer ein wenig und rückt im dynamischen Schritt vom Gästetisch ab, um ein Schwätzchen mit seiner Redaktionsdame zu halten. Frage: „Wie ist die Stimmung da draußen im Land?“ Es ist wundersam, dass dort niemand auf eine bessere Idee kommt, als die Zuschauer um einen Eintrag „im Gästebuch“ zu bitten oder gar zum „Anruf im Studio“ zu animieren. Das Feedback des Publikums wird umständlich und selektiv eingesammelt und dann vom Blatt ablesend wieder durch die Kamera auf die Bildschirme der Leute gespuckt. Das war es. Ich glaube, so haben das in den Achtzigern schon die Benefiz-Shows gemacht. Gibt es denn nach 30 Jahren Fernsehgeschichte keine besseren Ansätze? Natürlich gibt es die…
Das neueste Experiment zum interaktiven TV-Konsum startet in wenigen Wochen der US-Fernsehsender PBS. In Zuge der Reihe „American Experience“ wurde die Dokumentation „Earth Days“ produziert, ein 102-minütiger Streifen, in dem die Entwicklung des Umweltaktivismus in den Vereinigten Staaten nachgezeichnet wird. Der Film wurde schon in rund vierzig Kinos im Land gezeigt, nun steht die TV-Premiere an. Doch der Produzent Mark Samels hat dieses Mal andere Pläne: „Unser Fernsehen ist ein sehr distanzierendes Medium“, erzählte er nun der „New York Times„. „Man steckt all Arbeit hinein und am Ende verschwindet es in diesem schwarzen Loch, im Äther.“
Deshalb soll der Film dieses Mal noch vor der Fernsehpremiere im Internet gezeigt werden, bei Facebook, um genau zu sein. „Es ist eine Chance und wir gehen davon aus, dass wir ein völlig neues Publikum erreichen – ein anderes, das wir eben nicht erreichen können, wenn wir am Montagabend um 21 Uhr auf PBS auf Sendung gehen“, so Samels. Für das Live-Streaming wurde von Brand Networks eine spezielle „Social Screening App“ entwickelt, Zuschauer werden Dank eines angepassten Video-Players in der Lage sein, in Echtzeit an Umfragen teilzunehmen und ihr Feedback in der Facebook-Kommentarbox zu hinterlassen. Jeder Nutzer kann dabei festlegen, ob seine Fragen und Statements nur für andere Zuschauer oder aber auch auf der eigenen Pinnwand sichtbar werden.
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Der Versuch ist einigermaßen riskant, im Schnitt schauen rund vier Millionen Leute die Sendungen von PBS – auf der anderen Seite: Facebook ist heute die digitale Heimat für über 400 Millionen Nutzer weltweit. Hinter den Kulissen bereitet sich das Team deshalb vorsichtshalber auf ein Traffic-Feuerwerk vor. Es gibt keine Beschränkungen, was die Anzahl der Zugriffe angeht. „Wir haben Vorbereitungen getroffen, um mit dem Ansturm fertig zu werden“, so Samels. „Earth Days“ wird am 11. April im Netz gestreamt, erst acht Tage später findet die eigentliche Fernsehpremiere statt.
Tolle Idee? Ich finde schon. Das neue Format eignet sich besonders für Debatten, kontroverse und emotionale Themen – ich könnte mir aber vorstellen, dass der eine oder andere Nutzer dem auch bei Spielfilmen etwas abgewinnen könnte. Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis wir derlei Experimente in Deutschland bewundern können. Da sich die Öffentlich-Rechtlichen eh nicht an ihre zurechtgestutzten Expansionsvorgaben im Internet halten, stehen die Chancen gar nicht mal schlecht, dass dies bald geschieht. Die Privaten werden noch einige Zeit zögern, immerhin fürchten konservative Sendeanstalten gerne die potenziellen Einbrüche in den Werbeeinnahmen im Internet. Doch ich sage es noch einmal: 400 Millionen Nutzer tummeln sich derzeit weltweit auf Facebook. Bis heute wurde die höchste Einschaltquote des US-Fernsehens am 7. Februar 2010 gemessen, beim Super Bowl. Damals sahen 106,5 Millionen Zuschauer zu.
(André Vatter)