Mit dem Handy zu telefonieren, ohne dass die Mitmenschen um einen herum auch nur einen Ton des geführten Gesprächs mithören können oder gegen ihren Willen müssen – das ist der Traum von Frau Professor Tanja Schultz und ihrem Team. Die Informatikerin und Leiterin des Cognitive Systems Lab am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) arbeitet an der „Lautlosen Kommunikation“, einer Technologie, mittels derer die elektrischen Signale mit Elektroden gemessen werden, die während des Sprechens in den entsprechenden Gesichtsmuskeln des Handynutzers entstehen. Diese Signale werden anschließend in Sprache umgewandelt und von einer computergenerierten Stimme dem Gesprächsteilnehmer übermittelt.
Bereits seit einigen Jahren forschen Wissenschaftler im Bereich der „Silent Speech“-Interfaces (SPI) ist. Diese erlauben es beispielsweise Feuerwerhrleuten, Düsenjäger-Piloten oder NASA-Astronauten, sich ihren Kollegen mitzuteilen – und zwar vor allem in jenen Situationen, in denen die störenden Umgebungsgeräusche eine einwandfreie Kommunikation eigentlich nicht zulassen. Der Unterschied dieser Ansätze zu dem von Schultz entwickelten, liegt aber hauptsächlich darin, dass Erstere auf Sub-Vocalic-Speech basieren und nur für kurze Kommandos ausgelegt sind (ein Beispiels hierfür findet ihr bei der NASA). Schultz und ihr Team arbeiten an einer massentauglichen Technologie, die durch einen größeren Vokabelumfang nicht nur „kontinuierliche Sprache erlaubt, sondern auch ihre Akkuratheit steigert“, wie mir die Wissenschaftlerin am Telefon mitteilte.
Sie sieht für ihre Technologie vor allem zwei Einsatzgebiete: Zum einen im medizinischen Bereich, wo älteren oder kranke Menschen, die Probleme mit dem (lauten) Sprechen haben, ein Tool an die Hand gegeben würde, mittels dessen sie sich ihrer Umwelt weitestgehend problemlos mitteilen könnten. Als markantestes Beispiel nennt mir Schultz in unserem Gespräch Patienten mit Kehlkopfkrebs. Ein anderer Bereich ist der Security-Sector. Mittels der lautlosen Kommunikation könnten sich beispielsweise Polizisten oder Sicherheitsleute untereinander austauschen, ohne dabei Gefahr zu laufen, sich durch zu lautes Reden zu verraten oder geheime Informationen und Kommandos an Dritte preiszugeben. Letzterer Aspekt könnte beispielsweise auch dann zum tragen kommen, wenn über Telefon vertrauliche Daten – etwa Telefonnummern oder Bankinformationen – weitergegeben werden (müssen). Natürlich würde der Einsatz ihrer Technologie vielen Menschen auch die Zugreisen etwas angenehmer gestalten, da man als Fahrgast nicht mehr unfreiwillig den Gesprächen Dritter lauschen müsste. Da wir aber durch die Einführung ihrer Technologie nicht aufhören werden, normal zu reden, sei hier nicht von einer absoluten Stille zu rechnen, so die Wissenschaftlerin sinngemäß.
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Allerdings werden wir uns noch eine ganze Weile gedulden müssen, bis wir tatsächlich nur noch wie Fische die Mündern öffnen und unser Gesprächspartner unsere Äußerungen trotzdem vernehmen. Zwar ist die im oben beschriebenen medizinischen Sektor schon möglich und im Einsatz. Allerdings werden hierzu die Elektroden in die Gesichter der Personen geklebt. Für viele, die anders gar nicht mehr (verbal) kommunizieren könnten, zwar ein kleines aber durchaus hinnehmbares ästhetisches Übel. Für den Massenmarkt arbeiten Schultz und ihr Team aber an anderen Umsetzungen.
So soll die Größe der Elektroden irgendwann „in den Nano-Scale-Bereich schrumpfen und dann ins Gesicht gepflanzt werden“, so Schultz. Eine andere, aber weniger akurate Möglichkeit sieht vor, die Handys selbst mit den Sensoren auszustatten. Hierbei müsste der User diese Gadgets aber stets in einer bestimmten Position am Gesicht tragen, damit die beim Sprechen in den Muskeln entstehenden elektrischen Ströme auch tatsächlich und korrekt gemessen werden können.
Das Prinzip der Elektromyografie, auf der die stille Kommunikation basiert und bei der mittels Elektroden die elektrische Muskel-Aktivität gemessen wird, existiert Schultz zufolge bereist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und wird in vielen Bereichen genutzt. So beispielsweise in der Medizin bei Patienten mit amputierten Gliedern. Oder in der Elektronikindustrie. Microsft nutzt „Muskelbänder“ beispielsweise als Eingabegeräte für Computer.
Und eine Information noch am Rande: Ich hatte Frau Schultz gefragt, ob ihre Technologie nicht auch für Google interessant sein könnte, da das Unternehmen viel im Bereich der Spracheingabe und Übersetzung experimentiert. Hierauf antwortete sie, dass einer der führenden Google-Mitarbeiter in diesem Bereich früher für einen ihrer Professor-Kollegen von der RWTH Aachen tätig war und eine Zusammenarbeit nicht undenkbar wäre. Tja, so schließt sich manchmal der Kreis…
(Marek Hoffmann)