Iwan Petrowitsch Pawlow hätte vermutlich seinen Spaß daran: Wie die Hunde in seinen Experimenten ist die breite Masse der Bevölkerung darauf konditioniert, „irgendwas unternehmen zu müssen“, wenn jemand „Kinderpornographie“ schreit.
Gibt es einen Amoklauf, muss man Killerspiele verbieten, gibt es Kinderpornographie, muss man dagegen was machen. Punkt. Aber was?
Keine 134.000 Petitionen-unterzeichnenden Internet-User und erst recht kein Politiker hat da ein Allheilmittel gefunden. Da das Thema den Politikern aber am Herzen liegt (und man damit natürlich bei wenigstens 90 Prozent der Bevölkerung offene Türen einrennt – welcher Politiker kann das nicht gebrauchen?), wird es auch immer wieder hervorgekramt, werden Schreckens-Visionen von KiPo-Industrien im Netz und aus Versehen pädophil gewordenen Zufalls-Kinderpornographie-Entdeckern gezeichnet, die mit genauso knackigen wie falschen Zahlen belegen sollen, was für ein Sündenpfuhl dieses Internet doch ist.
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Im vergangenen Monat ließ ein Gerichtsurteil aufhorchen, welches verkündete, dass man sich bereits strafbar macht, wenn man kinderpornographischen Content auf dem Rechner betrachtet. Auch das temporäre Zwischenspeichern wird somit als Besitz ausgelegt und unter Strafe gestellt. Soweit schön und gut – ich würde eh niemandem ernsthaft abnehmen, dass er in der Tat zufällig auf einer solchen Seite gelandet ist.
Das ist der Punkt, an dem ich ein wenig Verständnis-Probleme bekomme: Die Zensursula-Debatte hat uns gelehrt, dass unsere Regierung uns durch Sperren davor bewahren will, zufällig auf Kinderpornographie zu stoßen. Sollte die Wahrscheinlichkeit dort zu landen, jedoch wirklich dermaßen hoch sein, müssten wir unter Berücksichtigung des oben erwähnten Urteils eine wahre Pädophilenschwemme befürchten, denn ein versehentlicher Klick auf ein vermeintlich „normales“ Porno-Video erfüllt demnach ja bereits den Tatbestand.
Ihr seht, es bleibt so oder so ein heikles Thema. Nun wird es noch ein wenig verschärft, wenngleich ich trotz aller hin und wieder eventuell durchklingenden Polemik den beteiligten Politikern durchaus guten Willen attestieren möchte. So hat beispielsweise Uwe Schünemann, Niedersachsens Innenminister, unter dem Label White-IT ein Bündnis geschmiedet, welches von Hilforganisationen über Polizei bis zu Vertretern der IT-Branche alles an einen Tisch bringen möchte, was zu einer wirkungsvollen Aktion gegen Kinderpornographie dazu gehört.
Gefährlicher KiPo-Feuermelder
Auf der CeBIT präsentierte man nun auf der eigens dafür eingerichteten Seite jetzt-loeschen.de ein Add-On, welches es uns – das Wortspiel drängt sich auf – kinderleicht machen soll, diesen ekelhaften Content zu melden. Dieses Add-On gibt es aktuell für den Firefox und in Bälde auch für den Internet Explorer. Einmal installiert, nistet es sich zwischen Home-Button und Adresszeile ein und ermöglicht es uns, mit einem einzigen Klick den widerlichen Inhalt einer Kinderporno-Seite zu melden. Klingt für eine Sekunde lang fast ordentlich, oder?
Aber merkt ihr was? Wenn ihr das Add-On auf der einen und das Gerichtsurteil auf der anderen Seite betrachtet? Wenn ich zufällig über KiPo-Inhalte stolpere, soll ich den Knopf drücken in meinem KiPo-Feuermelder, gleichzeitig jedoch mache ich mich strafbar, wenn ich versehentlich dort hin gelange und vielleicht nur wenige Sekunden in ein solches Video reinschaue, bevor mir mein fataler Irrtum bewusst wird. Das dieser Button dummerweise nicht so anonym und locker-flockig mitmach-netzig daherkommt, wie man uns glauben machen möchte, könnt ihr bei fxneumann nachlesen. Felix erklärt dort ausführlich, wieso bei der angeblich anonymen Übertragung dennoch IPs mitgeloggt werden können.
Der Gesetzgeber räumt immerhin ein, dass wir „bewusst“ handeln müssen, um uns schuldig zu machen. Die Frage stellt sich aber dennoch, wie das in diesem Fall mit der Beweislast aussieht. Wie sieht es aus, wenn man meinen Weg durchs Netz nachzeichnet und – entgegen meiner Meinung – zu dem Schluss käme, dass ich doch irgendwie mutwillig diese Seite angesteuert habe? Klicke ich ein einziges Mal auf diesen Button, geht man vielleicht wirklich noch von einem Zufall aus. Widerfährt mir dieses Missgeschick aber ein zweites Mal und melde ich erneut eine anstößige Seite, wird man mir spätestens einen Strick daraus drehen. Das ist bei allem guten Willen, den Verbrechern auf die Spur zu kommen, das Damoklesschwert, welches ständig über dem Nutzer dieser Erweiterung baumelt.
Geeignet als Einweg-Plugin
Da ich weder Firefox als Standard-Browser nutze noch den Plan hege, ein solches Plugin zu nutzen, kann ich eine weitere Sache nicht überprüfen: Wie sieht es denn aus, wenn ich nur – die Lage des Buttons gibt das durchaus her – versehentlich auf den Knopf drücke? Zwar öffnet sich ein Fenster zur nochmaligen Bestätigung, aber in Gedanken ist eventuell ja doch schneller geklickt, als man glaubt.
Ich kann und will hier niemandem abraten, ein solches Add-On zu installieren, aber ich persönlich fühle mich ein wenig mulmig dabei und würde auch euch empfehlen, zumindest mit gesunder Skepsis über dessen Einsatz nachzudenken. Falls ihr es einsetzt und tatsächlich über Kinderpornographie stolpern solltet, deinstalliert es nach dem erstmaligen Melden – denn als Wiederholungs“täter“ nimmt euch vermutlich keiner mehr euren guten Willen ab. Somit sollte das jetzt-loeschen-Add-On als einziges Einweg-Plugin in die Geschichte des Firefox eingehen.
Was meint ihr? Sehe ich Gespenster? Ist vielleicht doch etwas Tolles auf den Weg gebracht worden, was sich mir nur nicht erschließt? Oder seht ihr die Dinge ähnlich und seht ebenfalls von einer Installation ab?
(Carsten Drees)