Glaubt man den O-Tönen, die die dpa besorgt hat, ist unsere Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) ziemlich stinkig. Wir hatten schon vor rund zwei Wochen erste Misstöne von ihr vernommen, doch heute soll noch einmal eins draufgelegt werden. Nach wie vor geht es um Street View, das sie als „millionenfache Verletzung der Privatsphäre“ bezeichnet hatte. Das Feature von Google Maps ist für Deutschland noch immer nicht verfügbar, Google trampelt aber schon mit den Füßen und freut sich darauf, endlich loszulegen. Auf der CeBIT soll kommende Woche eine Live-Präsentation des Dienstes stattfinden.
Doch Aigner könnte der Suchmaschine einen dicken Strich durch die Rechnung machen, sie will Street View mit neuen Gesetzen in die Schranken weisen: „Wir sind da in Gesprächen auf Arbeitsebene mit den zuständigen Ministerien – auch die Justizministerin hat ja schon angekündigt, dass sie hier Handlungsbedarf sieht“, wird sie zitiert. Ingesamt hat sie einen vorläufigen Forderungskatalog von vier Punkten aufgesetzt, den sie mit allen Mitteln durchdrücken möchte:
1. Street View darf erst online gehen, wenn eine ausreichend lange Frist verstrichen ist, in der die Bürger ein Veto einlegen können. Aigner erwarte von Google, dass „die Zusage eingehalten wird, sämtliche Widersprüche zu berücksichtigen, und zwar bevor der Dienst im Netz veröffentlicht wird“.
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2. Eine Wischiwaschi-Verfremdung bei Gesichtern reicht der Ministerin nicht aus. Gebäude, Hausnummern, Gesichter und ganze Autos sollen „vollständig unkenntlich gemacht werden“. Eine „vage Verpixelung“ sei da nicht genug.
3. Aigner will die Street View-Wagen einen Kopf kürzer machen. Derzeit filmt die Kamera aus einer Höhe von 2,50 Metern. Nach ihren Wünschen muss die Kamera aber auf 1,80 Meter abgesenkt werden – ich schätze, dass dies dann der Passantenperspektive gleichkommen soll, aus der man nicht über Zäune usw. hinwegsehen kann.
4. Darüber hinaus will sie generelle Klarheit haben: „Ich erwarte, dass der Konzern offenlegt, wo und wie und wie lange Bilder gespeichert und mit welchen privaten oder kommerziellen Daten sie kombiniert werden sollen.“
Ich habe meine Meinung zu dem Thema bereits in einem Basic Flashback mitgeteilt – und ich bleibe dabei: Entweder die Ministerin will Street View in Deutschland völlig bewusst und konsequent den Stecker ziehen – oder sie hat einfach keine Ahnung. Schwarze Balken über Autos? Häuserfassaden? Parkplätze? Ein Gang durch Köln via Street View lässt dann Erinnerungen an früher wach werden: Löcher, Infrastrukturfetzen, verwaschene Hintergründe.
Es scheint, als habe Google bereits jetzt ein wenig resigniert. Der Suchriese hat trotzig eingewilligt, dass man Löschanträge nicht nur von Hauseigentümern, sondern auch von Mietern entgegennehmen wird. Ob man die Anträge denn auch auf ihre Legitimität hin abklopfen würde, fragte die FTD. Antwort: Natürlich würde nicht überprüft, „ob eine ganz bestimmte Person irgendwo wohnt.“ Ich, der Immobilienmogul des Rheinlands, schicke dann gleich schon mal den Löschantrag für meine Schule von damals ab…
Wenn es soweit kommt, bringt auch das Fazit des von Google bestellten Gutachters zu der Sache nichts mehr. Nikolaus Forgo, Professor für Rechtsinformatik an der Universität Hannover, hatte Street View heute als „datenschutzrechtlich unbedenklich“ erklärt. Eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne nur für den einzelnen Fall untersucht werden. Dies sei jedoch „in der Regel unwahrscheinlich“. Ich schätze, zu diesem Zeitpunkt hat aber wohl niemand mehr zugehört.
Aigner jedenfalls haut weiter auf die Pauke. Sie hat auf der Website des Verbraucherschutzministeriums bereits eine fette Infoecke zur neuen bundesrepublikanischen Bedrohung Street View eingerichtet. Hier empfiehlt sie jedem Bundesbürger, sich umgehend und kompromisslos an Google zu wenden. Es sei jedem geraten, „vorsorglich von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen“. Ein entsprechender Musterwiderspruch findet sich gleich dabei.
Übrigens: Bevor Aigner heute ihr Statement zu Street View abgab, hat sie sich am Vormittag noch für die Etablierung eines (freiwilligen) EU-Tierschutzlogos stark gemacht. Ein löblicher Vorstoß. Wie sie binnen weniger Stunden dann aber wiederum den Kompetenzsprung zu geobasierten Kartendiensten geschafft hat – das wüsste ich auch mal gerne.
(André Vatter / Foto: Wikipedia)