Es gehört einfach zum Wesen des Internetmenschens, dass er hin und wieder ordentlich auf die Kacke haut. Er muss es tun, er hat gar keine andere Wahl – das gehört zum Handwerk und wird auch erwartet. „Warum Blogs einfach scheiße sind!“, heißt es dann. Oder: „Tschüss, lieber Telefonanbieter XY.“ Oder: „Deshalb wird Deutschland nie nach oben kommen.“ Dann geht ein Rumms durch das Netz, ein kurzes Beben, das die Nutzer aufschreckt: sie taumeln, sympathisieren und distanzieren sich und so werden einmal mehr die Grenzen neu gezogen.
Deshalb war ich auch nicht groß überrascht, diese Woche wieder einmal einen von Don Alphonsos Donnerschlägen zu vernehmen. Ein wenig ungewöhnlich war jedoch die Richtung, aus der der Angriff kam: gezündet im klassischen Medium der FAZ (für die der Don seit gut einem Jahr schreibt) raste die Rakete per RSS in das Netz, um auf Twitter ihre Runde zu drehen und dann im Herzen des Internets zu detonieren. Aber, sei’s drum. Alphonso hatte eine Attacke auf Social Media-Berater gestartet, die sich gewaschen hatte. Dabei geizte er nicht mit Details, nannte polternd Gründe und ätzte einige Übeltäter-Namen heraus. Irgendwann lichtete sich die gelbe Schwefelwolke und der Vorhang fiel, ein resignierendes Fazit verdeckend.
Hier einmal die Essenz des Pamphlets, von mir zusammengefasst: „Unternehmen nutzen Social Media als Versuch, ihre eigene Unfähigkeit zu verdecken, während ihre Berater wie Heuschrecken von dieser gut bezahlten Illusion zehren und bei ihren Sprüngen zum nächsten Unternehmen eine Spur der Verwüstung hinter sich lassen.“ Es fällt schwer, eine explizite Gegen- oder Pro-Position zu beziehen, Robert hat es versucht, Herr Kolbrück mahnte zu maßvolleren Gedanken und Meedia fasste die Meldung im „Sendung mit der Maus“-Stil noch einmal zusammen.
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Ein Haufen windiger Maden
Was kann man schon sagen? Ja, er hat Recht, der Don. Es gibt einen Haufen windiger Maden, die zu Hunderten auf den Budget-Speck kleiner und großer Firmen zukrabbeln. Um das zu verstehen, reicht es völlig aus, bei YouTube einmal die Suchbegriffe „Twitter“ und „Geld“ einzugeben: „Jetzt durchstarten“, brüllt es uns entgegen. „So wird’s gemacht!“ oder „Effektive Neukundengewinnung“. Mehr Beispiele? Man variiere die Suchbegriffe mit einschlägigen Keywords aus der Social Media-Branche und schon rieche ich gebratene Tauben.
Doch Moment! Von diesen Netzbeschmutzern, die da im Wohnzimmer vor aufgespannten Bettlaken ihre E-Books und Lehrvideos anpreisen, hat Alphonso doch gar nicht geredet. Er hat von den Großen gesprochen, von den etablierten Netzgrößen, von einem gewissen, eingeschworenen Kreis des (Berliner) Klüngels, der seinen von den Medien gestützten Einfluss dazu nutzt, um sich mit der Aura des Unentbehrlichen zu umgeben. Gut, wenden wir uns diesen zu…
Berater als Türöffner – nicht Impulsgeber
Im vergangenen Jahr hat Vodafone eine Kampagne gestartet, wohl die erste in Deutschland, die das Prädikat „Social Media“ auch verdient hätte. Beratende Beisitzer waren einige Netzgrößen (teilweise mit wilden Frisuren) sowie eine ziemlich große Hamburger Agentur. Alphonso spricht diese Werbeaktion auch explizit an, ein Flop sei sie gewesen. Das ist subjektiv empfunden unzweifelhaft richtig: „Helden für einen Tag“ war ein Rohrkrepierer. Vodafone war das erste TK-Unternehmen, das laut „Hier!“ geschrien hatte, als es um die Netzsperren ging, gegen die praktisch jeder einzelne aus der Zielgruppe war. Blogger wurden eingekauft und mit ihrer neuen, ungewohnten Rolle als Handy-Fürsprecher hilflos auf die Bühne geschubst. Als die Luft dann brannte, zogen sich die „Berater“ zurück und überließen das Ruder wieder der konservativen Pressestelle, die unbeholfen gegenzulenken versuchte. Ein Image-Desaster – erschien es zumindest den Außenstehenden. Vielleicht auch ein wirtschaftliches Fiasko: Ich habe Vodafone kurz nach Lektüre des Alphonso-Artikels um ein Fazit zur Kampagne gebeten, doch bis zur Stunde vernehme ich nur bedeutsames Schweigen aus Düsseldorf.
Vodafones Held stürzte ab, weil es ein Kompromiss war. Entgegen landläufiger Meinung entstehen Ideen zu Social Media-Kampagnen nicht durch die Penetranz der Berater, sondern beim Kantinengespräch der Unternehmenspraktikanten. Diese tragen den Vorschlag in der Marketingabteilung vor, dort aber sieht man sich mit einem Problem konfrontiert: „Klar, wollen wir auch auf Facebook etwas machen“, sagte mir einmal ein Unternehmenswerber, schwenkte das Kölsch-Glas und setzte an. „Das Problem ist, dass die Budget-Zuteiler über Fünfzig sind und keine Ahnung haben.“ Als Folge werden die erwähnten Berater an Bord geholt, um auf 45-minütigen Vorträgen die Chefs der Chefs mit witzigen Anekdoten und beeindruckenden Beispielen lehrreich zu unterhalten. „Okay“, sagen diese dann. „Ihr bekommt den Zuschlag. Aber macht es richtig.“
„Macht es richtig“, bedeutet im Konzernsprech: Kreation, Produktion, Auslieferung, Analyse – am Ende steht eine Excel-Tabelle, in der der Erfolg auf drei Nachkommastellen ermittelt wurde. Schön und gut – doch so funktioniert Social Media nicht. Mit dem Gedanken an eine Conversion Rate auf Facebook oder Twitter loszulegen, ist schlichtweg falsch – ein Einwurf, den die Berater ihren Auftraggeber löblicherweise auch nicht verschweigen, den Alphonso jedoch kritisiert. Social Media wirkt nicht wie der Schokoriegel an der Kasse, sondern eben wie der Kumpel, der mir mitteilt: „Boah! Super-süß, aber schweinelecker, das Teil!“ Das verstehen viele Unternehmen nicht.
Und so kommt es zu diesen fatalen Kompromissen, in denen die Berater sich einen schlanken Fuß machen („Keiner kann versprechen, dass danach die Verkaufszahlen nach oben gehen!“) und die Unternehmensverantwortlichen die Zügel ihres Kontrollzwangs nicht locker lassen wollen („1.000 Fans auf Facebook müssen mindestens hundert unterschriebene Prepaid-Verträge bringen!“).
Wo waren die Berater?
Es gibt noch weitere Probleme: Social Media ist unberechenbar und die Kiste kann auch nach hinten losgehen. Ein guter Berater klopft deshalb auch vorher die beworbene Ware auf seine Web 2.0-Tauglichkeit hin ab. Sich auf Facebook zu öffnen, bedeutet, sich der Kritik der Kunden auszusetzen. Wenn dann noch das Produkt nicht das einhält, was versprochen wurde (UMTS-Verfügbarkeit, Qualitätsjournalismus, 20 Pfund in drei Wochen) – dann knallt es. Vodafone ist schlecht beraten worden, jeder Zehntklässler, der eine MySpace-Seite hat, hätte dem Unternehmen davon abgeraten, sich mitten in der Zensursula-Debatte mit „Hallo, Boyz and Mädelz! Was geht ab, was können wir für euch tun?“ im Wespennetz anzumelden. Wo waren die Berater zu diesem Zeitpunkt, als genau das geschah? Fort.
Aus Angst vor weiterer Eskalation machte Vodafone alleine weiter. Schön konservativ, wie man es gewohnt war, funktionierte man erfahrene Pressesprecher plötzlich zum Facebook-Buddy der aufgebrachten Menge um. Sprecher sind darauf gedrillt, Journalisten an der Nase herumzuführen. Man lese die Pressemitteilung zu einem Quartalsbericht: aus „schlecht“ wird da „ausbaufähig“, aus „teurer“ wird „wertvoller“ und aus einem „katastrophalen Unfall“ eine „Unregelmäßigkeit“. Journalisten lächeln angesichts des Versuchs und rutschen über das PR-Blah hinweg, runter zu den Tabellen mit den harten Fakten. Kritische Kunden allerdings kommen sich angesichts solcher Parolen nur noch verarscht vor. Noch einmal: Wo waren da die Berater?
„Wir haben doch unseren Teil erledigt“, hieß es da nach Tagen und Wochen und man wusch die Hände in Unschuld. Die Strategie, die sie anderen verkaufen – nämlich: im Netz zuhören und handeln – wandten sie natürlich nicht bei sich an. Lobo setzte sich brachialer, öffentlicher Kritik aus, indem er sich selbst auf seinem Blog interviewte und es dabei beließ. In anderen Worten: Er saß es aus. Das Geld hatte er ja von Vodafone bekommen. Übrigens dasselbe Phänomen, dem wir auch im Fahrwasser des Don Alphonso-Artikels begegnen: es kommt nichts. Keiner der Angesprochenen hat bislang auf die Vorwürfe reagiert.
Gibt es also ein eindeutiges Fazit zur Relevanz von Social Media? Zum Berufsfeld „Berater“? Nein, weil es hierzulande noch nie richtig gemacht wurde. Es gibt schwarze Schafe unter den Beratern, ebenso, wie es hervorragende Ansätze gibt. Es geht um Neider und berechtigte Kritik, um eine Menge Falltüren, Ängste und sicherlich auch um einen Haufen Kohle.
Niemand weiß, wohin die Reise geht, weshalb ein wenig Demut bei den Beratern angesagt ist. Und Unternehmen sollten sich merken, nicht zwangsläufig auf jedes Klickibunti-Angebot anzuspringen. Doch wenn sie es tun, dann bitte richtig.
(André Vatter)