Im vergangenen Jahr gab es nach tragischen Ereignissen an Schulen immer wieder reflexartige Diskussionen unter Politikern, die sogenannte „Killer-Spiele“ pauschal auf dem Index sehen wollten. Damals wollte ich eine solche Forderung gar nicht großartig kritisieren, es war jedoch vor allem die Kurzsichtigkeit des Vorhabens, die mich auf die Palme brachte: Packt die Ego-Shooter in den Giftschrank und dann werden eure Kinder zahm wie Lämmer – so einfach ist das? Dass der Leistungsdruck der Schüler heute im Vergleich zu vor zehn, zwanzig Jahren massiv gestiegen ist, dass manche ihrer Eltern arbeitslos sind, sie ohne Frühstück in den Unterricht kommen müssen und dass sie keine Vertrauenslehrer zur Aussprache haben, spielt keine Rolle? Was ist mit dem Ausbildungsplatzmangel? All diese Probleme scheinen wie von Zauberhand zu verschwinden, wenn CounterStrike verboten wird.
Dass das Verbot von Shootern ein polemisches Partei-Mittel kurz vor Wahlen ist, bestätigt nun auch der gerade veröffentlichte Jahresbericht 2009 der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Ballerspiele zählen zu einem Genre, das sich auf einem absteigenden Ast befindet: „Im letzten Jahr gab es einen weiteren Rückgang bei den Ego-Shootern“, lautet das Fazit von Jürgen Hilse, des Ständigen Vertreters der Obersten Landesjugendbehörden bei der USK. Während diese 2008 noch 148 Prüfverfahren ausmachten, hat sich diese Zahl 2009 mit 66 Verfahren mehr als halbiert. Ingesamt nahm die USK im vergangenen Jahr 3.100 Games unter die Lupe – eine Steigerung von 114 Stück im Vergleich zum Vorjahr. Ego-Shooter nehmen im Ranking der untersuchten Genrespiele nun den zehnten Platz ein. 80 Prozent aller Spiele erhielten eine Freigabe von null, sechs oder zwölf Jahren. Sieben Prozent der Games bekamen ein rotes „Ab 18“-Siegel verpasst.
Die USK hat übrigens ein massives Problem: Nicht nur, dass die Spieleschmieden selbst Druck aufbauen und damit drohen, das Land zu verlassen, wenn Deutschland sich nicht den Kriterien der PEGI unterwirft (ein Prüfverfahren, das fast jeder andere europäische Staat einsetzt). Eine dicke rote 18 bedeutet empfindliche Umsatzeinbußen. Nein, das eigentliche Problem der Jugendschützer ist das Internet: „Gerade kleine Spiele, vermehrt aber auch größere Produktionen, werden nur noch online erscheinen“, moniert der Geschäftsführer Felix Falk. Die USK ist hier derzeit völlig machtlos, da im Jugendschutzgesetzt explizit vermerkt ist, dass lediglich Spiele auf „Datenträgern“ geprüft werden dürften. Die Selbstkontrolle hofft darauf, dass sich dies bei einer Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags ändern wird: „Das partnerschaftliche Verfahren, in dem die USK als Selbstkontrolle der Wirtschaft den Prüfprozess organisiert und die Obersten Landesjugendbehörden die Alterskennzeichnung vergeben, hat sich bewährt und sollte im Sinne eines stringenten und wirksamen Jugendschutzes auch für Online-Spiele gelten“, so Falk.
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(André Vatter)