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Der AOL-Kahlschlag: Alle Büros werden in Deutschland dicht gemacht

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Und wieder verabschiedet sich eine Netzlegende… AOL – frisch an der Börse gehandelt und mehr als schwer angeschlagen – verfolgt den radikalen Sparkurs weiter: Wie uns das Unternehmen gerade offiziell bestätigt hat, plant der Online-Riese die Schließung sämtlicher Büros in Spanien, Schweden und Deutschland; hierzulande werden 140 Jobs in Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt wegfallen. Der wohl profitable Werbeableger AdTech soll hingegen nicht angefasst werden. „AOL verabschiedet sich nach 15 Jahren als Top-5 AGOF-Player aus dem deutschen Online Markt“, fasst ein Sprecher den Entschluss zusammen. Darüber hinaus stehen weitere Filialen in den insgesamt elf europäischen Staaten, in denen AOL vertreten ist, auf der Kippe. Die Gespräche mit den jeweiligen Betriebsräten würden zur Stunde aufgenommen, heißt es weiter.

Das Unternehmen begründet den Schritt mit dem selbstauferlegten Sparzwang: alle Bereiche, die „nicht mehr zur Kernstrategie gehören“ würden damit zur Disposition gestellt. AOL hatte Mitte November im Rahmen der Umstrukturierung angekündigt, weltweit jede dritte Stelle streichen zu wollen: insgesamt rund 2.500 Arbeitsplätze. Es gibt ein Freiwilligenprogramm für den Ausstieg, für das sich bereits 1.100 Mitarbeiter gemeldet hätten. Sollte die angepeilte Zahl von Entlassungen jedoch nicht erreicht werden, würden „unfreiwillige Kündigungen auf das Freiwilligen-Programm folgen“.

Die Flut an Kündigungsschreiben ist aber nur ein Teil der neuen Strategie. AOL-Chef Tim Armstrong hat bereits im Herbst für radikales Streamlinen in den Redaktionen gesorgt. Die Journalisten bekommen ihre Themen nun nach Buzz-Maßstäben vorgegeben – und werden entsprechend bezahlt. Zudem wurde kurz vor Weihnachten bekannt, dass sich AOL von seinem Instant-Messaging-Dienst ICQ trennen wolle. Sollte ein Käufer für das Chat-Urgestein gefunden werden, würde das AOL Einnahmen in Höhe zwischen 200 und 300 Millionen Dollar einbringen.

Alles in allem sind das alles andere als gute Nachrichten, die uns da erreichen. Hoffentlich ist Armstrong bewusst, dass Qualität auch einen Preis hat und AOL durch das konsequente Wegrationalisieren langsam ausblutet – oder noch schlimmer: in die Bedeutungslosigkeit abgleitet.

(André Vatter)

Über den Autor

André Vatter

André Vatter ist Journalist, Blogger und Social Median aus Hamburg. Er hat von 2009 bis 2010 über 1.000 Artikel für BASIC thinking geschrieben.

18 Kommentare

  • Aol ist doch schon seit Jahren tot, sie haben es nur noch nicht mitgekriegt. Genauso wie Lycos und Yahoo haben sie Jahrelang an ihrer Strategie festgehalten ohne mtzukriegen das die Welt sich weiterdreht und dafür haben sie Jetzt die Quittung erhalten.

  • […] AOL durch das konsequente Wegrationalisieren langsam ausblutet – oder noch schlimmer: in die Bedeutungslosigkeit abgleitet.

    Ein Gedanke, der mir auch zuerst gekommen ist… und den ich eigentlich halb so wild finde, weil ich AOL noch nie was abgewinnen konnte 😉

    Aber was mir dann eingefallen ist: AOL hat immer noch die Marke. Lass den Laden also jetzt in der Bedeutungslosigkeit (zumindest aus europäischer Sicht) verschwinden – im Gegenzug läuft dann das Kerngeschäft z.B. in den USA ordentlich. Dann hätten wir ein „kleines“, gesundes Unternehmen mit einer starken Marke, d.h. beste Voraussetzungen für den Phoenix aus der Asche und den entsprechenden Medienrummel („Buzz“). Vielleicht ist es also tatsächlich eine Taktik? Braucht halt nur seine Zeit.

    Auf der anderen Seite hat man bei Commodore ja auch immer gehofft 🙁 Es tat weh das geliebte, vom Brotkasten bekannte Logo auf einfachen Aktenvernichtern zu sehen…

  • Ich kann mich noch genau an meinen ersten Modem-Zugang via AOL und die erste Email-Adresse „Sie haben Post“ erinnern. Schon krass was da passiert.

  • AOL hat meiner Meinung nach den deutschen markt nie richtig verstanden und stumpf versucht, das amerikanische Konzept (was dort funktioniert) auf den deutschen Markt zu übertragen. Aber ähnlich wie beim Pay-TV ist die Bereitschaft in Deutschland diesen Geschäftskonzepten zu folgen vergleichsweise sehr gering. Man will alles umsonst und häufig findet sich auch immer irgendeiner, der´s anbietet. Auch wenn er damit pleite geht.

  • Das einzig gute an der Sache ist, das dann in naher Zukunft vielleicht endlich mein Vater auch versteht das es noch andere Browser außer den AOL-Browser gibt…

  • AOL, mein erster Internetprovider und jetzt gibt’s das Unternehmen in Deutschland eigentlich nicht mehr. Die einstige Nr. 1 ist gescheitert.

  • schon schade. Damals 1994 die erste Verbindung mit 28.8 per AOL CD und gefakter Kontonummer. Die ersten Bildchen nicht bekleideter Damen und mp3 Tausch noch per ftp server oder im usenet. Waren das noch (langsame) Zeiten

  • ich frage mich gerade, welche aol services ich überhaupt bisher benutzt bzw. gekannt habe… icq habe ich, bin aber schon seit langem zweigleisig mit jabber unterwegs und überzeuge immer mehr leute umzusteigen. dann wäre da noch winamp. und sonst? die aol suchmaschine habe ich nie benutzt. aus den werbe-cds habe ich als kind mal mobilés gebastelt ^^
    geht es euch ähnlich oder habe ich viel übersehen?

  • Also, ich bleibe AOL treu (bzw. dem übrigbleibenden Rest), solange es geht (bin seit weit über 10 Jahren dabei). Ein besseres Portal bzw. Email-Programm, das ähnlich übersichtlich, leicht beherrschbar und logisch aufgebaut ist, hat es nie gegeben – alle anderen Anbieter, bei denen ich registriert bin (einschl., t-online, meinem DSL-Provider), kann man vergessen. Meine mir noch zuletzt postalisch (!) zugesandte AOL-9-VR-CD hüte ich wie meine Augäpfel. Sie läuft auf allen älteren und neueren PCs und Laptops auch unter Vista und Windows7 einwandfrei, ist leicht und locker installierbar, und meine (über t-online laufenden) DSL-Zugänge zeigen sich bei Einwahl über AOL auf allen PCs perfekt und schnell. Etwas Besseres kann ich mir nicht wünschen – ich bleibe dabei.