Der Startschuss ist gefallen, Springer führt ab heute Paid Content bei seinen Online-Produkten „Hamburger Abendblatt“ und „Berliner Morgenpost“ ein. In einer breit angelegten Apologie entschuldigt sich zumindest schon einmal die Hamburger Redaktion für den Entschluss – und wirbt selbstbewusst für Verständnis: „Ist es zu viel verlangt, in Zeiten, wo aufgeschäumter Kaffee im Pappbecher drei Euro kostet oder das Telefonvoting für sinnbefreite Casting-Shows mindestens 50 Cent, für das Produkt Qualitätsjournalismus knapp 30 Cent am Tag zu bezahlen?“ Die Antwort auf diese Frage müssen nun die Leser geben.
Das Premium-Angebot des „Hamburger Abendblatts“ gibt es künftig für 7,95 Euro im Monat, darin eingeschlossen sind alle Nachrichten aus Hamburg und Norddeutschland sowie das Archiv. Die Ressorts Sport, Politik, Wirtschaft und Kultur bleiben von dem neuen Zahlschloss ausgenommen. Die „Berliner Morgenpost“ berechnet für den Zugang zu „Exklusiv“-Inhalten 4,95 Euro. Ich habe gerade einmal bei unserer Kölner Bahnhofsbuchhandlung angerufen, wo mir mitgeteilt wurde, dass auch die Print-Ausgabe des „Hamburger Abendblatts“ ein ganzes Stück teurer (1,10 Euro zu 0,95 Euro) ist – so könnte man den Gebührenunterschied erklären. Übrigens ist der Online-Zugriff auf sämtliche Artikel für reguläre Print-Abonnenten immer kostenfrei.
Kurz angeteasert
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Abgerechnet wird über Click&Buy, wobei die Wahl dieses Micropayment-Anbieters kaum überrascht: Die Abrechnung per Click&Buy ist heute eine Möglichkeit, in Apples App Store seine Rechnung zu begleichen. Und wenn man bedenkt, dass Springer erst vor wenigen Tagen die beiden Bezahl-Apps für „Bild“ und „Welt Kompakt“ eingeführt hat… vielleicht haben sie ja bereits gute Erfahrungen mit Click&Buy gemacht.
Woran merkt der Leser nun, dass er es mit einem kostenpflichtigen Artikel zu tun hat? Beide Online-Zeitungen haben dafür neue Icons (kleine Euro-Zeichen) zur Kennzeichnung eingeführt, die sich neben den Überschriften befinden. Die Texte werden kurz angeteasert – zu kurz, wie ich finde: An manchen Stellen folgt nach der Headline ein knapper Satz, dann muss der Leser bereits wissen, ob ihn das Thema interessiert und er dafür Geld ausgeben möchte – oder nicht. Gemäß Statistik dürfte sich die Begeisterung, das Portemonnaie zu zücken, eh in Grenzen halten. Laut einer neuen GfK-Studie wären nur neun Prozent der deutschen Nutzer bereit, für Inhalte im Netz Geld auszugeben.
Doch ich verstehe das Dilemma der Zeitungen – auch wenn sie selbst schuld daran sind. Niemand hätte vor zehn Jahren vermutet, dass der Online-Ableger den Absatz von Printausgaben ernsthaft einbrechen lassen könnte. Das Pendant im Netz sollte neugierig machen und die Leser zum Kiosk locken, mehr nicht. Dann kam die Werbung und plötzlich wurde das Geschäft noch profitabler. Irgendwann aber kippte das Verhältnis völlig, Krise war angesagt, die Abozahlen brachen ein. Heute sind die Leser derart verwöhnt, dass sie es als eine Selbstverständlichkeit erachten, kostenlos Content im Netz geboten zu bekommen. Doch das Modell der Querfinanzierung funktioniert nicht mehr und die Investitionen der Verleger in Redaktionen und Traffic laufen ins Leere.
Vertrauen zurückgewinnen
Was also tun? Die Verlagshäuser haben zu lange mit ihrer Entscheidung gewartet. Um dem Kostendruck zu entkommen, haben sie reihenweise Redakteure gefeuert und Ressorts abgebaut – sparen, sparen, sparen! Zeitgleich schimpften sie auf die Leser, die Werber und den Staat, der Holzmedien nicht subventionieren wollte. DuMont ist noch immer sauer, dass Berlin die Mehrwertsteuer für Printprodukte nicht komplett abgeschafft hat. Diese gefährliche Art der Realitätsferne ist unbegreiflich und je länger sie anhält, desto mehr leidet die sowie bereits stark eingebrochene Qualität in der deutschen Medienlandschaft. Es wird keine Renaissance der klassischen Zeitungsära geben! Je früher sich die Verlagshäuser an den Gedanken gewöhnen und endlich nach neuen, wirtschaftlichen Modellen im Netz suchen, desto besser. Paid Content ist eine Möglichkeit, von der noch niemand weiß, ob sie auch funktionieren wird: „Vielleicht ist es aussichtslos. Vielleicht ist es selbstmörderisch. Vielleicht ist es auch unverschämt. Doch vor allem ist es eins: Es ist alternativlos“, lautet das Anapher-Mantra der Redaktion des „Hamburger Abendblatts“. Man kann ihnen nur alles Gute wünschen. Wir haben es hier auch mit einer gefährlichen Reihenfolge von Ereignissen zu tun: Erst wurde abgewartet, bis die Qualität am Boden war, nun wird dafür Geld verlangt und dem Leser zeitgleich versprochen, dass dann alles besser würde. Hoffentlich wird Springer dieses Vertrauen auch entgegengebracht.
Frage am Rande
Und nun einmal eine Frage an euch. Rein hypothetisch, ich meine… angenommen, Basic Thinking würde von heute auf morgen die Schotten dicht machen und zum Bezahlangebot werden. Wie viel wären euch denn so unsere Posts wert – also in barer Münze gerechnet. Ein paar Cent im Monat? Ein Euro? Gar nichts? Würde mich ja schon mal interessieren. Und, keine Sorge: die Umfrage ist anonym. 🙂
Update, 19:02 Uhr
Der stellvertretende Chefredakteur Matthias Iken vom „Hamburger Abendblatt“ hat gerade auf die Leserkritik reagiert. Der Artikel ist kostenlos.
(André Vatter)