Ich schätze, dass sich die Verhandlungen etwas in die Länge gezogen haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass Google erst jetzt die Schwingen ausbreitet, um sich auf AdMob zu stürzen. 750 Millionen Dollar in Aktien (etwa eine halbe Milliarde Euro) lässt sich die Suchmaschine den Spaß kosten – soviel hat Google schon längere Zeit nicht mehr für ein Start-Up ausgegeben. Und es ist ein Spottpreis!
AdMob gibt es seit 2006, das kleine Unternehmen aus San Mateo war von Anfang an darauf spezialisiert, die besten Wege zu finden, um mobile Werbung auszuliefern. Sicher hat Google auf diesem Gebiet auch einige Erfahrungen – doch seien wir ehrlich: es sah immer furchtbar aus. Google hat sich bislang nicht sonderlich Mühe gegeben, such- und kontextbasierte Ads handytauglich zu machen. Häufig wirkte es billig-anachronistisch und fast immer gequetscht. Kein seriöser Entwickler oder Publisher wäre deshalb auf die Idee gekommen, Google bei der Monetarisierung seiner Produkte um Hilfe zu bitten. Wo bleiben die Display-Ads? Und dann gibt es ja noch die neue Werbeform der In-App-Ads, von der der Suchriese ja nun überhaupt keine Ahnung hat.
Aber warum Know-How aneignen, wenn man es auch mit einem simplen Scheck kaufen kann? AdMob hatte sich vom ersten Tag an prominent am Markt positioniert, knapp ein Jahr später kam das iPhone in die Regale der Händler und der kleine Start-Upper konnte richtig zulegen. Wiederum ein Jahr später verleibte sich AdMob auch das Potenzial der Android-Apps ein. Über 15.000 Publisher wurden mittlerweile unter Vertrag genommen, zu den Werbekunden zählen unter anderem Coca-Cola, Adidas, Land Rover und Volkswagen. Laut J.P. Morgan fährt AdMob jährlich rund 60 Millionen Dollar Gewinn ein – aktuelle Zahlen wurden zum Abschluss des Deals nicht genannt, die einzige Infos war die, dass sich der Gewinn „im vergangenen Jahr verdoppelt“ hätte.
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(Quelle: Diagramm)
Da ist noch satt Luft nach oben, die Marktforscher von eMarketer haben errechnet, dass der Markt für Mobile Advertising in knapp vier Jahren die 1,6 Milliarden Dollar-Grenze überschreiten wird. Heute ist das Volumen etwa 416 Millionen Dollar groß. Vertreter der klassischen Online-Werbung können über diese Summe noch lachen – noch. Derzeit ist das Geschäft mit Website-Bannern und dergleichen 23 Milliarden Dollar schwer, doch es besteht kein Zweifel daran, dass die Advertiser ihrer Zielgruppe früher oder später werden folgen müssen. Und die checkt heute viel öfters ihre E-Mail in der U-Bahn, liest im Wartezimmer auf dem Handy die Schlagzeilen oder spielt ein kostenloses (da werbefinanziertes) Spiel auf dem iPhone.
Jetzt gilt es, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Und so sehr ich ein Verfechter bezahlter Inhalte im Internet bin – Paid Content wird nicht schlagartig kommen. Als der Springer Verlag ankündigte, eine kostenpflichtige iPhone-App für Bild.de und Welt.de zu veröffentlichen, regte sich ein leises Grummeln im Publikum. Als dann noch bekannt wurde, dass man gleichzeitig iPhone-Nutzer dem Browser-Zugriff auf die Portale sperren wollte, tobte das Netz. „Zensur!“ schrien einige und tatsächlich ist ein solches Vorhaben mehr als ungewöhnlich. Bislang war es so, dass häufig Content-Anbieter mit den Netz-Providern darum stritten, dass ihre Inhalte ungehindert und -gefiltert beim Nutzer ankommen – Stichwort: Netzneutralität. Offenbar sind wir aber in Deutschland mittlerweile so weit, dass Portalbetreiber die Selektion des Publikums nun selbst in die eigene Hand nehmen. Springer begründet den Entschluss damit, dass man „ein völlig neuartiges Produkt“ erschaffen werde, das den Website-Zugriff überflüssig machen soll. Das ist User-Pädagogik mit Brachialgewalt und für mich bestehen keine Zweifel daran, dass das „multimedial integrierte Print-, Online- und Bewegtbild-Unternehmen“ (O-Ton aus der Selbstdarstellung) von den Nutzern dafür ordentlich einen vor den Latz geknallt bekommt. Man kann den Leser nicht jahrelang mit kostenlosen Inhalten verwöhnen, um dann eines Tages nonchalant das große Vorhängeschloss zuschnappen zu lassen.
Wir werden sowohl im mobilen als auch im immobilen Sektor um das Thema Werbung in den kommenden Jahren nicht herumkommen. Das hat mit der eben angesprochenen Einstellung der User zu tun, das hat mit den noch vorhandenen Problemen beim Micropayment zu tun – und gibt ganz weltliche Gründe, etwa die App-Piraterie, die Entwickler dazu treibt, auf den Verkaufspreis ihrer Programme zugunsten von Werbung zu verzichten.
Springer sollte sich noch einmal die Option „Werbung“ genauer ansehen. Es gibt unzählige Vermarkter von Handy-Portalen – und es muss nicht AdMob sein. Doch dass Google reichlich furchtlos zugeschlagen hat, die Analysten vor Freude zittern und die Aktionäre nach der Bekanntgabe des Deals die Google-Aktie um 2,1 Prozent steigen ließen – dass sollte den Herren Bild-Vermarktern doch zu Denken geben, oder? Ich würde mich jedenfalls über eine erneuten Potenz-Check des mobile Advertising für die eigenen Projekte freuen.
(André Vatter)