Ihr habt sicherlich alle die Tragödie in den USA mitbekommen: Bei einem Amoklauf auf dem Militärstützpunkt Fort Hood in Texas wurden Medienberichten zufolge zwölf Menschen erschossen und 31 zum Teil schwer verletzt. Und wie schon hierzulande nach ähnlichen Unglücksfällen, zum Beispiel in Winnenden oder Ansbach, gerät auch jetzt wieder der Microblogging-Dienst Twitter in die Kritik. Aber nicht, weil über ihn vermeintlich authentisches Bild- und Infomaterial zur Tat getwittert wurde, sondern weil diese Informationen ohne erkennbare vorherige Prüfung von Journalisten aufgegriffen und publik gemacht wurden.
So griff beispielsweise der Businessinsider zum Handy, filterte mit der Applikation Tweetie alle Tweets aus der Umgebung von Fort Hood raus und veröffentlichte sie auf seiner Seite, ohne Hinweis darauf, dass die Quellen verifiziert worden wären. So hat man beispielsweise ein Foto veröffentlicht, das von einem (offenbar weiblichen) Twitter-User namens Misstearah stammte; dieses zeigt – angeblich – einen Armee-Angehörigen in einem Krankenhaus, der von dem vermeintlichen Amokläufer angeschossen wurde (s.o.). Unter seinem Bild kommentiert der User selbst: „Ich arbeite nicht in diesem Krankenhaus und habe auch nichts mit dem Krankenhaus zu tun. Ich war einfach nur da“. Kann stimmen, muss aber nicht.
Desweiteren werden angebliche Original-Tweets veröffentlicht, in denen zum Blutspenden für die verletzten Soldaten-Kollegen aufgerufen wird. (Bild rechts) Zeit und Ort, die man dem Post entnehmen kann, lassen natürlich die Vermutung zu, dass es sich um einen potenziellen Augenzeugen handelt. Leider aber auch die, dass es sich um einen kranken Trittbrettfahrer handelt.
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Dass dies eine grob fahrlässige Verhaltensweise ist, erkennt man nicht zuletzt daran, dass es in letzter Zeit zuhauf gefakte Twitteraccounts und Trittbrettfahrer gab, die aufgrund einer gestörten Persönlichkeit oder eines perversen Sinns für Humor Falschmeldungen verbreiteten. Doch selbstverständlich kostet es Zeit, solche Informationen gegenzuchecken. Aber da sind wir auch schon beim nächsten Problem: Sollte die Aktualität von News über deren Wahrheitsgehalt gestellt werden?
Natürlich haben die großen Nachrichtenportale Twitter (beziehungsweise das Internet als solches) als „Puls der Zeit“ entdeckt und versuchen, ihre Informationen auch über diesen Kanal einzuholen. Doch seit dem so ist, schwindet kontinuierlich das Vertrauen der Leser in die Seriösität des sogenannten „Copy and Paste“-Journalismus. Vorfälle wie der Bluewater-Skandal zeigen deutlich, dass man meine Frage mit einem eindeutigen „Nein“ beantworten muss. Vor allem dann, wenn es um sich um ein so sensibles und kritisches Thema wie einen Amoklauf handelt.
(Marek Hoffmann)
Nunja, wer will denn schon verifizieren, ob meine Tweets korrekt sind – bislang hat beinahe jedes Renommeepunkte-System versagt.
Und ich recherchiere meine tweets schon sehr sorgfältig, bevor ich sie versende… nur eine Quellenangabe, die man in der Schule und Uni noch lernte und die unumgänglich war, ist bei den heutigen Systemen nicht vorgesehen.
Und das liegt nicht an der Technik, solche Features zu implementieren, sondern eher an der Bequemlichkeit und der Verführung, das Medium durch Masse statt Klasse am Laufen (sprich an hohem Marktanteil laufen) zu lassen.
wie lange dauert das „gegen-checken“ von solchen tweets?
10 min?
ein blick in die örtlichen tv- und radio-sender?
und facebook-meldungen?
damit dürfte sich der verdacht, dass was wahres dran ist, schon mal erhärten lassen. fakten im detail lassen sich damit zwar nicht hinterfragen, jedoch das ereignis als solches schon.
Also ich denke, dass man die Aktualität mit Twitter nicht mit der Qualität vom Journalismus vergleichen kann. Twitter ist sehr aktuell und hilft, um sich einen guten Überblick zu News zu besorgen. Aber ein Artikel auf einer etablierten Seite hat doch einen seriöseren Anstrich als 140 Zeichen auf Twitter. Man muss ja nicht alles für bare Münze nehmen, was auf Twitter steht…
Schlimm wirds erst, wenn die Journalisten kein bisschen nachprüfen, was sie auf Twitter lesen. Erst dann wird es kritisch.
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Basic Thinking, Zwitscherpresse erwähnt. Zwitscherpresse sagte: Blogs: Amoklauf in Fort Hood: Twitter-Meldungen werden ungefiltert …: http://url4.eu/hmmM […]
Nur weil ich etwas (re-) publiziere, das ich irgendwo gelesen habe, mache ich mir das doch noch nicht zu eigen. Das Problem ist wohl eher, dass der Leser glaubt erwarten zu dürfen, dass alles, was bestimmte Medien publizieren, der Wahrheit entsprechen müsse.
Solange da als Quellenangabe aber der Twitteraccount oder gar der Link auf den Tweet dabei steht, kann sich jeder Leser selbst die Mühe von Recherchen machen. Kein Grund den Re-Publizierenden für die Wahrhaftigkeit verantwortlich zu machen.
Eher zutreffend ist die Schlussfolgerung von der Veröffentlichung auf die persönliche (!) Relevanz für den Publizierenden. Darin steckt der eigentliche Wahrheitskern, nicht in der Nachricht an sich.
Ich verstehe die Verbindung von Twitter zu den „einschlägigen“ Medien immernoch nicht. Twitter sollte einfach eine Kommunikations- Selbstdarstellungsplattform unter Freunden, Bekannten oder Anonymen bleiben, so wie das Anfangs war.
Twitter ist wie CB Funk. Haben damals die Journos ohne Recherche zitiert?
Ja klar – Quelle war noch weniger zu verifizieren.
Genau deswegen verschwende ich meine Zeit nicht damit, über Twitter als Erster über Ereignisse informiert zu werden. Die ersten Meldungen von sowas sind meist nicht fundiert recherchiert. Das sind keine News sondern Zeitfresser, deswegen wird Twitter ohne ein Verifizierungsverfahren (z.B. Post Ident) niemals als seriöse Quelle für Berichterstattungen dienen können, es sei denn man kennt die Quelle persönlich, aber warum dann Twitter?
Übrigens hat das Verarschen von Massenmedien nichts mit Perversität zu tun, sondern einfach nur mit Spaß. Auch in einem so traurigen Fall.
@ satyasingh: „wie lange dauert das “gegen-checken” von solchen tweets? 10 min?“ – Keine Ahnung. Je nachdem. Wie lange hätte es im Iran gedauert, den Wahrheitsgehalt der Tweets zu checken? Endlos lange, vermute ich. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,630845,00.html
Und bzgl. örtlichen tv- und radio-sender? und facebook-meldungen?: Da kann ich wohl wieder auf das Bluewater-beispiel verweisen.
@ sammy: Dein letzter Absatz fasst genau das zusammen, worauf ich hinweisen wollte.
@ sa7yr: „Nur weil ich etwas (re-) publiziere, das ich irgendwo gelesen habe, mache ich mir das doch noch nicht zu eigen.“ – Hat ja auch keiner behauptet. „Das Problem ist wohl eher, dass der Leser glaubt erwarten zu dürfen, dass alles, was bestimmte Medien publizieren, der Wahrheit entsprechen müsse.“ – Für Journalisten gilt, dass sie Neuigkeiten (Nachrichten) verbreiten (oder Sachverhalte schildern (berichten)). Für Nachrichten gilt laut Wikipedia: „wahrheitsgemäß und sorgfältig wiedergegebene Informationen“. Somit darf ich als Leser einer News-Seite erwarten, keine fiktionalen Geschichten zu lesen, wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind. „Solange da als Quellenangabe aber der Twitteraccount oder gar der Link auf den Tweet dabei steht, kann sich jeder Leser selbst die Mühe von Recherchen machen. Kein Grund den Re-Publizierenden für die Wahrhaftigkeit verantwortlich zu machen.“ Seltsame Ansicht, die ich so nicht teilen kann. Würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass ich zukünftig auch Franz Beckenbauer selbst interviewen muss, um herauszufinden, ob er wirklich das gesagt hat, was als Interview veröffentlicht wurde. Oder habe ich dich jetzt komplett falsch verstanden?
@ Cocreatr: War mich nicht bekannt, dass es solche Fälle gab. Was haben die denn da gehört bzw. welche Infos haben die sich wo über CB eingeholt?
@ Gehirnmensch: Ersten Teil deiner Aussage könnte ich akzeptieren, den zweiten leider nicht. Hängt aber natürlich zu einem bestimmten Teil davon ab, wie man Perversion für sich selbst definiert. Mir reicht da schon die Wikipedia-Definition: eine den vorherrschenden Moralvorstellungen […] entgegenwirkende Eigenschaft.
@10 Es ist doch nicht so, dass die Tweets als eigene Geschichte dargestellt wurden: ich gehe mal davon aus, dass das ungefähr so aussieht wie eine Timeline auf Twitter – mit vielen einzelnen Tweets von Leuten, denen ich folge. Wer also Twitter kennt, weiß, dass das nichts anderes als Fremdzitate sind. Die Rechtfertigung für solche Zitate ergibt sich bereits aus ihrer Existenz. Denn mehr sagt ein Zitat zunächst nicht aus als: das hat jemand gesagt (oder getweetet).
Insofern ist es schlicht nicht einschlägig, wenn du sagst, der Leser dürfe nicht-fiktionale Geschichten erwarten – Fiktion betreibt vielleicht der ursprüngliche Verfasser. Derjenige, der zitiert, tut eben nur das: Zitieren. Ob er sich damit vielleicht seinen guten Ruf verdirbt ist eine ganz andere Frage.
Und was Interviews angeht: Hier übernimmt der Publizierende ja explizit die Verantwortung für die Richtigkeit – allerdings auch nur: der Wiedergabe (!), nicht der inhaltlichen Richtigkeit dessen, was der Interviewte gesagt hat.
Zusammenfassend: ein Zitat bedeutet nur Gewähr für korrekte Wiedergabe, nicht für die Richtigkeit des Inhalts. Dieser Unterschied ist ziemlich wichtig.
@ sa7yr: „Die Rechtfertigung für solche Zitate ergibt sich bereits aus ihrer Existenz.“ – Sorry, da kann ich dir nicht ganz folgen.
„Denn mehr sagt ein Zitat zunächst nicht aus als: das hat jemand gesagt“ – Ich denke, hier bist du ganz schön auf dem Holzweg. Denn ein Zitat wird nie um seiner selbst Willen benutzt. Und weil dem so ist, wird mit dem Zitat nie nur das ausgesagt, was das Zitat selbst sagt, sondern es wird immer noch um die Bedeutungsebene erweitert, die der zitierende dem Zitat beimisst. Sonst bräuchte man kein Zitat und würde den Sachverhalt ggf. mit seinen eigenen Worten widergeben.
„Insofern ist es schlicht nicht einschlägig, wenn du sagst, der Leser dürfe nicht-fiktionale Geschichten erwarten“ . Wie gesagt, eine News-Seite beschränkt sich durch das Label „News“ bereits selbst auf nicht-fiktionale Darstellungen, so wie ein Roman sich als Roman zu erkennen gibt und sich an die Konventionen hält, die einen Roman als Roman festlegen. News = wahrheitsgemäß und sorgfältig wiedergegebene Informationen.
„Fiktion betreibt vielleicht der ursprüngliche Verfasser. Derjenige, der zitiert, tut eben nur das: Zitieren.“ – Zu dem letzten Teil habe ich gerade oben schon was gesagt. Zum ersten Teil fällt mir nur dieser Vergleich ein: David Copperfield zaubert die Freiheitsstatue weg, Journalist schreibt, die Freiheitsstatue ist weg, und ich als Leser glaube es. Hm, ganz so läuft’s doch nicht, oder.
Ich räume allerdings ein, dass ich mit meiner Meinung komplett daneben liegen kann, da ich eben kein Journalist oder Medienwissenschaftler bin. Das Problem ist nur, dass deine Argumente mich bisher nicht davon überzeugen konnten, dass ich falsch liege. 😉
Ein wörtliches Zitat enthält per se eine inhaltliche Distanzierung. An sich genügt das bereits, um auszudrücken, dass man sich das Gesagte nicht zu eigen macht. Diese Begründung dürfte wohl die kürzeste sein, die das von mir Gemeinte verdeutlicht.
Indirekte Rede ist förmlicher distanziert, aber inhaltich auch nichts anderes. Und die Bedeutungsebene existiert nur in der Phantasie des jeweiligen Lesers: Ob ich dem Zitierenden unterstelle, dass er sich das Zitierte inhaltlich zu eigen macht, ist ganz und gar mein eigenes Bier.
Allenfalls beruht es auf einer allgemeinen Erwartungshaltung, dass man eben dies meistens unterstellt. Es ergibt sich aber nicht schon aus der Natur der Sache. Der Autor kann andere ungenannte Gründe dafür haben, warum er etwas zitiert.
Das ist ein prinzipielles Problem: Wenn jemand sich nicht ganz klar äußert, was er eigentlich meint, beruht jede Interpretation auf Spekulationen über das interne Bedeutungssystem des sich Äußernden.
@ sa7yr: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es oftmals hilfreich ist, erst einen Streitpunkt zu klären, bevor man sich auf verschiedenen Baustellen rumtreibt, weil die Klärung eines Punktes häufig auch andere beleuchtet. Ich fasse daher nochmal deinen Zitat-Standpunkt auf: „Ein wörtliches Zitat enthält per se eine inhaltliche Distanzierung. An sich genügt das bereits, um auszudrücken, dass man sich das Gesagte nicht zu eigen macht.“ – Das ist schlichtweg nicht richtig. Ein Zitat kann keine – und schon gar nicht per se – inhaltliche Distanzierung enthalten. Dies ist formal-logisch einfach nicht möglich. Selbst wenn es möglich wäre, würde das ja bedeuten, dass sich ein Zitierender immer vom Inhalt des Zitats distanziert. Dass dem nicht so ist, bedarf, denke ich, keiner Beispiele. Und zum zweiten Teil deiner Aussage: Ich benutze ein Zitat, weil ich mir gerade das Gesagte zu eigen machen will. Wie bereits gesagt, ich benutze ein Zitat immer mit einer Absicht. Um diesen Punkt vielleicht auch wissenschaftlich zu untermauern, möchte ich diese Begründung nicht als meine eigene stehen lassen, sondern auf das Werk „Intertextualität und Markierung“ von Jörg Helbig verweisen. Ansonsten natürlich auch auf jegliche Literatur zur Intertextualität.
Um die anderen Leser dieses Blogs nicht zu langweilen, können wir diese Diskussion aber auch gerne „privat“ fortführen. Meine Mail-Adresse findest du im Impressum. 🙂
Da liegst du völlig falsch. Zu eigen mache ich mir etwas, wenn ich mich inhaltlich anschließe. Solange ich nur sage: „Der hat das gesagt“ ist das nichts weiter als eine Tatsachenbehauptung.
Das gilt vor allem auch rechtlich. Die Wiedergabe einer Holocaustleugnung ist zum Beispiel nicht selbst eine Holocaustleugnung. Und sie kann das legitime Ziel haben, jemanden für das, was er gesagt hat, zu entlarven und bloßzustellen.
Und genau damit machst du dir die Wiedergabe (bzw. das Zitat) doch zu eigen! 😉
Ja dankeschön, ich glaub nicht, dass ich darauf noch weiter eingehen muss, das spricht wohl für sich (und für deine „Kompetenz“
Was sind denn Soldaten-Kollegen? Ist das die politisch korrekte Variante von Kameraden?
Renomierte Zeitungen und Sender werden die Twitter Posts hoffentlich nicht eins zu eins übernehmen, und was der Rest schreibt, ist mir persönlich egal.
ich möchte zum Vorfall Fort Hood weitere Informationen empfehlen:
http://terrorexperte.blogspot.com/2009/11/amoklauf-in-fort-hood-verbindung-zu-911.html
[…] Tragödien schreibe. Wie beispielsweise im November des vergangenen Jahres über den Amoklauf in Fort Hood. Oder nun über Haiti. Die Folgen des schwersten Erdbebens (Stärke 7) seit 200 Jahren in […]