Normalerweise würde die seriöse Presse solche Stimmen niemals aufschnappen – doch es gähnt nun einmal das Sommerloch und deshalb bekam wieder mal ein Geistlicher die Gelegenheit, sich öffentlich und ausführlich über sein Verständnis eines christlichen Internet zu äußern. Aufgrund seines munteren Unterhaltungspotentials will ich ausnahmsweise die Worte des Erzbischofs von Westminster, Vincent Nichols, im Folgenden wiedergeben.
Seite Kritik trifft in erster Linie die jungen Nutzer von Social Communities. Ihr Antrieb sei die Suche nach „flüchtigen“ Freundschaften – je mehr, desto besser: auf die Qualität der zwischenmenschlichen Bindungen werde kaum mehr Wert gelegt. „Freundschaft ist keine Massenware“, sagte er der Times. „Freundschaft ist harte Arbeit und beständig.“ Durch E-Mails und SMS würden die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen verkümmern. Der „entmenschlichende“ Einfluss der Communities mache es ihnen immer schwerer, die Stimmung und Körpersprache von anderen einzuschätzen. „Vielleicht tragen Facebook und MySpace bei der Community-Bildung bei – doch ich bleibe misstrauisch.“
Letztlich wäre es ja so: Unter jungen Leuten sei das „Trauma flüchtiger Beziehungen“ der Schlüsselfaktor für den Selbstmord. „Sie werfen sich in eine Freundschaft oder ein Netzwerk voller Freundschaften, dann bricht dieses zusammen und sie sind am Boden zerstört.“ Damit nimmt Nichols Bezug auf den Suizid der 15-jährigen Megan Gillan, die zuvor im Bebo-Netzwerk heftig gemobbt wurde. Der Streit zwischen ihr und den Mitschülern hatte übrigens seinen Ursprung im Klassenzimmer gehabt.
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Da es leicht ist, auf die konservativen Moralvorstellungen der Katholiken zu schimpfen (wobei: jetzt wo sie dick im Tabak-, Rüstungs- und Verhütungsmittelgeschäft sind…) will ich versuchen, ein paar sachliche Gegenargumente zu bringen.
1.) Nichols sagt, dass Jugendliche durch Social Communities die Beziehungen im echten Leben aus den Augen verlieren. Das würde bedeuten, dass das Internet den Alltag komplett ersetzt, was schlicht falsch ist. Dass ein „Freund“ auf Facebook nicht dasselbe bedeutet, wie der beste Kumpel aus der Schule, leuchtet jedem Schüler ein. Aus jedem Facebook-Nutzer einen sozialen Krüppel zu machen, ist daher Quatsch.
2.) Nichols meint, heutige Schüler sammeln online Freunde wie Mähdrescher – je mehr, desto besser. „Quantität“ sei das Stichwort. Doch dann frage ich mich, weshalb sie „am Boden zerstört“ sein sollen, wenn ein Bekannter die Verbindung abbricht. So tief kann die emotionale Verwurzelung ja nicht gewesen sein.
3.) Das Argument des Suizids ist ein absoluter Klogriff. Das Gegenteil ist der Fall: Schüchterne bis depressive Schüler haben dank der Anonymität des Internet eher die Möglichkeit, sich helfen zu lassen und eventuell Freundschaften zu knüpfen, zu denen sie im schulischen Alltag zunächst nicht in der Lage gewesen wären.
4.) Mobbing – wenn in dieser Form auch nicht einmal angesprochen – ist ein Problem (übrigens war es das auch schon, bevor Frau von der Leyen neuerlich auf den Wahlkampfzug aufgesprungen ist): Ursächlich ist die mangelnder Medienkompetenz, etwa, wenn Jugendliche zuviel im Internet von sich preisgeben. Es ist sowohl die Aufgabe der Community als auch der Erzieher in der Schule und Zuhause, diese entsprechend zu vermitteln.
(André Vatter)