Reden wir ein wenig über Google und die Printkrise: Vor einigen Tagen erschienen auf mehreren Plattformen überschäumende Loblieder auf die Leistung der Suchmaschine – mit einer einhergehenden Verdammung des starrköpfigen bis ruinösen Konservativismus deutscher Verleger und Journalistenverbände. Obwohl in der Sache unstreitbar richtig, fiel im Rahmen der Debatte eine Sache immer wieder unter dem Tisch: Ist Google wirklich die richtige Lösung, um die katastrophale Entwicklung deutscher Printmedien in eine wunderbare Chance für den modernen Journalismus zu verwandeln?
Kritik kam in erster Linie von den Datenschützern, denen die halbherzigen Einräumungen der Befürworter nicht weit genug gingen. Man könne ja auch alles mies reden, schnauzten diese zurück. Dass Google die Sache mit Daten- und Urheberrechtsschutz nicht so ernst nehme, sei schließlich nichts Neues. Das Bild von der bösen Datenkrake wäre aber nur hinderlich bei der Ideenentwicklung und hemme das kreative Sondieren neuer Monetarisierungsstrategien für den Zeitungsmarkt.
Richtig ist: Es gibt keinen Weg an der Suchmaschine vorbei. Doch nur weil die Verlagshäuser vehement an überkommenden Strategien festhalten und sich mehr und mehr ins Abseits manövrieren, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass Google im strahlenden Sonnenlicht steht. Es ist bezeichnend, dass zeitgleich zur deutschen Debatte zum Urheberrechtsschutz im Internet amerikanische Bürgerrechtsorganisationen gegen Google auf die Barrikaden gegangen sind. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) fomulierte ein Schreiben (PDF) an Google-Chef Eric Schmidt und forderte ihn auf, geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Schutz der Nutzerdaten zu gewährleisten. Konkret geht es um die Digitalisierung von Büchern, von der eine nicht zu unterschätzende Gefahr ausginge. Die EFF gibt mehrere konkrete Beispiele:
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Wenn Sie befürchten, ernsthaft erkrankt zu sein, können Sie in einen Buchladen gehen und nach Büchern suchen, die diese Krankheit thematisieren. Erweist es sich als nützlich, kaufen sie es und bezahlen bar. Sie können also davon ausgehen, dass die Krankenversicherungsbeiträge deswegen nicht steigen werden – für Versicherungen gibt es keinen Weg herauszufinden, was sie da eben gelesen haben.
Wenn Sie durch eine Ausgabe von „Lady Chatterly’s Lover“ in einem Buchladen blättern, ist es eher unwahrscheinlich, künftig Müll-Mails von Erotikverlagen zu erhalten, da Werber nicht genau wissen, was sie normalerweise so lesen.
Mit dieser Form der Privatsphäre sei aber bald Schluss, warnt die EFF: Googles Macht wird wachsen und indem Millionen von Buchtitel in digitalisierter Form verfügbar werden, neigen auch die Nutzer vermehrt dazu, ihre Lektüre online vorzunehmen. So wie sich Google Books heute darstellt (hier auch als bibliophiles Kinderspiel), gleiche der Dienst einem umfassenden Überwachungsapparat: Google speichere sämtliche Suchanfragen, Titel angelesener Bücher, die verbrachte Zeit und die Anmerkungen, die online hinterlegt werden. Sei eine solche Form der Spionage erst einmal etabliert, würden sicher bald auch staatliche Institutionen auf die Datenbanken aufmerksam:
Wenn Google die Rolle übernehmen möchte, das Weltwissen zu organisieren und zugänglich zu machen, dann muss das Unternehmen aber auch die Wünsche des Publikums respektieren und nicht haufenweise private Informationen über uns und was wir lesen speichern – um nicht eines Tages ein bequemer Shop für die Regierung zu werden, die sich dafür interessiert, was die Amerikaner lesen.
Das klingt ein wenig nach Verschwörung, nach Übertreibung – kurz: nach dem Klischee, das wir schon von Google gewöhnt sind. Doch (und das müssen auch die Google-Befürworter eingestehen) an der Sache ist etwas dran. Nutzerinformationen sind Googles Kapital für eine erfolgreiche Werbeauslieferung; Streuverlust kann da niemand gebrauchen. Dieser Aspekt der Privatheit wurde in der aktuellen Diskussion gerne vernachlässigt. Als sei heutige Google-Kritik das Metier der Internet-Ausdrucker, der Pessimisten, der ewig Gestrigen. Es ist einfach, auf Googles Rücken ins Ziel zu reiten: Doch was dabei alles auf der Strecke bleiben könnte, sollte meiner Meinung nach nicht unerwähnt bleiben.
Immerhin scheint der EFF-Aufruf einen Nerv in Mountain View getroffen zu haben, denn im Gourvernment-Blog von Google wurde mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht, die zumindest vordergründig versöhnlich wirkt: Der Vergleich mit den Verlagen sei gerichtlich noch nicht abgesegnet, weshalb viele Funktionen für Google Books noch nicht entwickelt wurden und es so derzeit schwer sei, eine gescheite Privacy Policy auf die Beine zu stellen. „Wir wissen noch nicht genau, wie das alles funktionieren wird“, heißt es. Man habe den Nutzern aber immer eindeutige Informationen über ihre Privatsphäre gegeben – ebenso wie die Möglichkeit keine oder ausgewählte Daten beim Benutzen von Diensten zur Verfügung zu stellen. Genau diese Form der proklamierten Transparenz vermisst die Welt derzeit jedoch bei Google. Warten wir es also ab…
(André Vatter)
Immerhin gab es bei google noch keinen Datenskandal wie mittlerweile fast überall (England vorneweg)
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