Alle Blicke der Zensursula-Kritiker sind derzeit hoffnungsvoll auf Horst Köhler gerichtet. Unterschreibt der Bundespräsident bis Ende der Woche das umstrittene Netzsperren-Gesetz? Ruft er beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an, um sich Klarheit (sprich Rechtssicherheit) zu verschaffen? Ich habe leider keine Glaskugel zur Hand. Fest steht aber: Wenn Köhler bis Ende der Woche das Gesetz ebenfalls durchwinkt, tritt es am kommenden Samstag in Kraft. Ben Schwan von der taz hat den Stichtag zum Anlass genommen und sich bei Michael Rotert, dem Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft eco, nach dem aktuellen Stand der Dinge erkundigt – da der Interessenverband ja schließlich zahlreiche Internet-Dienstleister vertrete.
Demnach musste das Bundeskriminalamt fast schon dazu überredet werden, die Sperrliste „nicht als Excel-Datei“ an die Internet-Provider zu schicken, sondern in einem verschlüsselten Format. Außerdem geht Rotert davon aus, dass die Liste innerhalb kürzester Zeit im Netz zu finden sein wird – trotz der angedrohten Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro. Zudem könnten die Domain-Blockaden technisch sehr einfach umgangen werden. Den missbrauchten Kindern sei damit nicht gedient, dass eine Frau von der Leyen sich hinstellt und erzählt, „wie wunderbar die Sperren funktionieren“. Das Problem: Viele Politiker wüssten mit dem Internet nichts anzufangen, deshalb hoffe er auf junge Abgeordnete, die der gesamten Materie offener gegenüber stehen.
Darüber hinaus teile er die Befürchtungen vieler Internetnutzer, dass die einmal errichtete Sperr-Infrastruktur missbraucht werden könnte. Erste Forderungen zum Beispiel von Rechteinhabern seien bereits laut geworden, obwohl sich das Gesetz ausschließlich gegen Kinderpornografie richte. Die Vergangenheit (Stichwort: Autobahnmaut) habe gezeigt, dass die Politik auf dem Standpunkt stehe, „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Dies gelte insbesondere für die Zeit nach der Wahl.
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