Der erste Juli ist Stichtag in China, ab dann greift eine neue Stufe der Bevölkerungskontrolle. Die Rede ist vom Green Dam-Projekt, eine Filter-Software, die für jeden verkauften Rechner dann obligatorisch wird. Im Vorfeld war bereits viel Kritik laut geworden, nicht nur wegen des ungeheuerlichen Eingriffs in die Informationsfreiheit, sondern auch, weil das Zensurprogramm derart grottig zusammenprogrammiert wurde, dass es nicht einmal Bilder von Schweinen oder Garfield von echter Pornographie unterscheiden kann. Und dann gab es ja noch diesen kleinen Leaking-Fauxpas in Peking, durch den bekannt wurde, dass auch die Keywords „4. Juni“, „Tibet“ und „Falun Gong“ auf der Sperrliste stehen.
Für Hardwarehersteller ist das Mitmachen zweifelsohne eine unangenehme Sache, der Image-Schaden wird sich schließlich auch bei den Verkäufen im Westen niederschlagen. Laut dem „Wall Street Journal“ haben sie sich deshalb bereits im Vorfeld zusammengetan und einen gemeinsamen Brief an die chinesische Regierung formuliert. Darin heißt es dann unter anderen, dass „ernste Befürchtungen“ aufkämen. Der eingeschlagene Weg sei kontraproduktiv, um „Chinas wichtigem Ziel, nämlich eine lebhafte und dynamische Informationsgesellschaft zu werden“, näher zu kommen (übrigens: Kann sich jemand daran erinnern, wann ein solches Ziel dort jemals ins Auge gefasst wurde?). Weiter heißt es:
Das Green Dam-Mandat wirft wichtige Fragen in Bezug auf Sicherheit, Privatsphäre, Systemstabilität, den freien Fluss von Informationen und die informationelle Selbstbestimmung auf.
„Danke“, wird daraufhin sicher die Kommunistische Partei gesagt haben. „Dann läuft ja alles wie geplant: Weitermachen!“ – Sony jedenfalls ist nun als erster Hersteller eingeknickt. Vor einigen Tagen kursierte bereits das Foto einer Vaio-Broschüre auf Twitter, das ein anonymer Twitterer ins Netz gestellt hatte. Anfang der Woche wurde das Schriftstück mit der Überschrift „Sony Disclaimer Notice Concerning the Green Dam – Youth Escort“ durch die Bloggerin Rebecca MacKinnon übersetzt. Dadurch wissen wir jetzt, dass die Filtersoftware nicht auf 64-Bit-Systemen läuft und Sony für den Schmock in Sachen „Authentizität, Legalität oder Kompatibilität für den Inhalt des Programms, seine Funktionen, Dienste oder andere Feature“ keine Garantie gibt. Überhaupt sei es das Problem des Nutzers, wenn das Programm nicht erwartungsgemäß funktioniere – soll er sich doch an die Jungs im chinesischen Ministerium für Industrie und Informationstechnik wenden.
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Immerhin: Man kann Sony zugute halten, dass sie Green Dam vor der Auslieferung nicht bereits installiert haben. In einem ersten Schritt sind zunächst nur Schulen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen von der Zwangsmaßnahme betroffen. Dennoch werden Privatanwender schon jetzt vorsorglich in den Zensur-Hype einbezogen und durch die verführerische Option einer Installation belästigt: Wie bei den auszuliefernden Sony Vaios, bei denen sich Green Dam in gepackter Form bereits vorab auf der Platte befindet.
Update, 17:07 Uhr
Wie gerade bekannt wurde, hat sich China wohl kurzfristig dazu entschlossen, die Einführung des Internet-Filters vorerst auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Vielleicht ein gutes Zeichen… (Danke an Frumiz für den Hinweis)
(André Vatter)
Just in diesem Moment werden sich einige Politiker hierzulande Gedanken machen, wie ein derartiges System bei uns etabliert werden könnte… Nur zu unserem Besten, natürlich!
gerade auf tagesschau.de gelesen: „Nach Protesten aus dem Ausland
China verschiebt Einführung von Internet-Filter“ http://www.tagesschau.de/ausland/internetfilter100.html
Spätestens jetzt würde ich meine sieben Sachen packen und auswandern, wenn ich in China leben würde!
Irgendwas läuft da schief in der Regierung Chinas und zwar nicht erst seit kurzem. Da kann man nur noch den Kopf schütteln…
@2: Danke für den Link, siehe Update.
Kann man „kein Kommentar“ in einen Kommentar schreiben? Ich seh schon, ist gerade passiert : )
Tja, wenn die aktuelle Regierung bleibt haben wir in Zukunft die selben Zensuren, wie in China. Verstehe nicht, wie man sich über Chinas Zensur aufregen kann und hier noch diese CDU wählt, die gerade damit anfängt, das Internet zu zensieren und die Bürgerrechte einzuschränken.
wofür steht eigentlich „green dam“. so verdammt nach zensur hört sich das ja gar nicht an
Auch wenn einem allmählich das Lachen im Halse stecken bleibt, muss ich grad an den Cartoon mit der besorgten Mutter denken, die nachfragt, wo man dieses Chinesische Internet denn bestellen könne? 😉
Auf diese Frage gibt es nun „endlich“ eine Antwort! *sigh
Ich baue auf die Kreativität der chinesischen User und hoffe, dass sich solche Sperren umgehen lassen.
Hoffentlich kommt es zu einem Image-Schaden. Und hoffentlich wirkt er sich aus.
@Gedankenpflug: Wie jetzt? Sollen die Hersteller dafür bestraft werden, weil sie ein in China vorgeschriebenes Etwas draufpacken? Da frage ich mich: Wo ist das ein Image-Schaden? Wenn 128 GB RAM vorgeschrieben wären, würde das auch nicht zu einem Image-Schaden führe.
[…] das neue Zensur-Tool für Rechner kurzfristig wieder auf Eis gelegt wurde, hat die chinesische Regierung seit heute ein Handelsverbot […]
@rofl (#8):Den kenn ich ja noch garnicht. Gibt es den Cartoon im Netz?
@Carsten (#13): Der is von Ahoi Polloi – hab aber nur nen Spiegel-link parat grade xD
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,571472,00.html
[…] Green Dam: Sony liefert die ersten Zensur-Rechner an China aus | Basic Thinking Blog […]
@NewsShit!: Sorry, aber Du scheinst nichts begriffen zu haben. Es geht darum, reine Profitinteressen der Hersteller über Bürgerrechte zu stellen und damit die Unterdrückung zu fördern. Genauso wie es Yahoo auf Drängen Chinas in der Vergangenheit auch schon getan hat. Diesen Firmen wünsche ich, an ihrer Profitgier zu Grunde zu gehen.
[…] mit der die Regierung ihre Jugend vor ungeeigneten Web-Inhalten zu ”schützen” versucht, über 3.000 geklaute Zeilen Code einer US-Firma enthält, die dafür […]