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Bundestagswahl: Angst vor Manipulation, deshalb Twitter-Verbot für Politiker?

bundeswahlleiter

Nach der peinlichen Twitter-Schlammschlacht rund um die Bundespräsidentenwahl Ende Mai, wo das amtliche Wahlergebnis vor der offiziellen Verkündigung durch den Bundestagspräsidenten bereits via Twitter in die Welt posaunt wurde, mehren sich jetzt im politischen Berlin die Befürchtungen, dass es einen ähnlichen Fall bei der Bundestagswahl am 27. September wieder geben könnte. Demnach wächst sowohl beim Bundeswahlleiter als auch bei Politikern egal welcher Partei die Sorge über eine unzulässige Beeinflussung der Bundestagswahl, wenn Ergebnisse noch vor Schließung der Wahllokale bekannt werden könnten.

Konkret geht es um die sogenannte Wahlnachfrage. Hier fragen Meinungsforschungsinstitute Wähler nach deren Stimmabgabe, welche Partei sie gewählt haben. Die gewonnen Daten werden entsprechend hochgerechnet und den TV-Sendern als aussagekräftige Prognose zur Verfügung gestellt. Die Daten dürfen allerdings erst nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr bekannt gegen werden. Mit einer Ausnahme: Alle Bundestagsparteien werden über die Ergebnisse schon vorab informiert – und genau hier vermutet der Bundeswahlleiter eine nicht ganz unwichtige Schwachstelle. Demnach könnte eine Partei, der noch ein paar Stimmen fehlen, diese Daten via Twitter in die Welt setzen, um noch einige Wähler zu mobilisieren.


Spielen wir das Szenario einmal durch: Die CDU erreicht nur 4,8 Prozent in den Hochrechnungen der Meinungsforscher. Klar, dass sich die Freude in der Union über das zu erwartende Wahlergebnis in Grenzen halten wird. Also was tun? Schwups ein paar 140-Zeichen-Nachrichten („Bitte, bitte, geht wählen und macht ein Kreuz bei uns, sonst sind wir Geschichte.“) verschickt und schon laufen ein paar Wähler mehr zur Urne – und die Fünf-Prozent-Hürde ist gemeistert. Ok, blödes Beispiel mit der CDU, aber nach dem ganzen Zensursula-Fiasko dürfte die Union jede Stimme dringend brauchen.


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Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ sprach sich SPD-Mann Dieter Wiefelspütz deshalb für ein Verbot der Wählerbefragungen aus. Seine CSU-Kollegin Dorothee Bär plädiert dagegen für ein „Kodex des Stillschweigens“ für alle Eingeweihten. Auch die Meinungsforschungsinstitute sollen noch einmal ins Gebet genommen werden, damit keine Daten vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangen.

Auf die einfachste Idee ist allerdings niemand gekommen: Die Parteien bekommen einfach keine Daten mehr vor der Schließung der Wahllokale zur Verfügung gestellt. Dies erhöht einerseits die Spannung in den Wahlkampfzentralen, andererseits kann dann kein Politiker in Versuchung kommen, die Hochrechungsergebnisse vorzeitig in die Welt zu posaunen. Problem gelöst.

(Michael Friedrichs / Foto: Der Bundeswahlleiter)

Über den Autor

Michael Friedrichs

Michael Friedrichs hat als Redakteur für BASIC thinking im Jahr 2009 fast 400 Artikel veröffentlicht.

26 Kommentare

  • Man sehen wie lange es dauert bis der erste Politiker die Blockierung von Twitter vorschlägt. Die Partei werde ich dann garantiert nie wieder wählen.

  • @Jimbo: Mal sehen, wie lange es dauert, bis im Internet nicht solche idiotischen Aussagen wie deine getroffen werden.

  • Zitat: „Ok, blödes Beispiel mit der CDU, aber nach dem ganzen Zensursula-Fiasko dürfte die Union jede Stimme dringend brauchen.“ *lol*
    Ich bin wahrlich kein Fan der CDU. Aber das „Zensursula-Fiasko“ beschränkt sich immer noch auf die Blogosphäre, die sich im Moment mit einer blöden Äußerung nach der anderen übertrifft. In der echten Welt kriegt davon keiner etwas mit. Die vielbeschworene Demokratisierung durch das Web2.0 ist im Moment Mehrheitsterror: Jeder der nicht sofort seinen Austritt aus CDU oder SPD und seinen Eintritt bei der Piratenpartei verkündet gilt als Feind. In dieser Rhetorik unterscheiden sich viele Blogger keinen Deut von solchen Krachern wie George W. Bush. Ganz ehrlich: Bis vor Kurzem war ich ein großer Blog-Fan. Inzwischen bin ich wieder Fan von richtigem Journalismus.

  • Logische Schlussfolgerung. Nur sitzen die Politiker am längeren Hebel. Die haben sich so daran gewöhnt, schon 2-3 Stunden vor 18:00 sich auf die Ergebnisse vorzubereiten und Statements zu formulieren, dass sie das sicher nicht missen wollen. Oder hat sich noch niemand gewundert, warum die Polit-Promis um 5 nach 6 schon alle Ergebnisse im Schlaf kennen und nicht stottern: „Was hatten die … noch mal, war das über 6%?“ oder so. Übrigens will das auch kein Sender. Die wollen klare Statements, möglichst schnell.

    Nur: Das Problem ist anscheinend wirklich schwerwiegend. Inkl. Wahlanfechtung. Meine Vermutung: In den nächsten Wochen wird wieder weiter von Medien und Politik auf den „rechtsfreien Raum“ und „Gerüchteküche“ Internet rumgehackt. Immerhin ist das eine Gefahr für die Demokratie, wenn es bis zur potentiellen Wahlwiederholung geht.

  • Also das die Parteizentralen vorab Ergebnisse bekommen ist ja schon lange so und auch nicht schlimm. Ich finde es schon richtig bei Personen bei denen es da um die persönliche Zukunft geht eine Möglichkeit zu schaffen sich vorab ein wenig vorzubereiten. Gerade damit der Bürger schneller informiert ist, was jetzt passiert.

    Den Kommentar zur CDU fand ich jetzt auch etwas schwach: Zensursula hat bei der Europawahl die Piraten auf knapp 1% gebracht und wahrscheinlich den Grünen ein paar Stimmen gegeben. Wir sind noch weit davon entfernt das Blogs in Deutschland so einen Einfluss haben wie in den US.

    Was man ändern sollte: Die Parteizentralen liefern selber die Zahlen an ihre Abgeordneten weiter und diese werden diese sicherlich nicht für sich behalten. Es müsste also nur am späten Nachmittag der Pizzalieferant zufällig von einer Person die mit einem Abgeordneten wartet aufschnappen das es für schwarz/gelb gereicht hat. Die Parteien sollten also einfach selber einen engen Kreis von 10 Personen bestimmen die die Ergebnisse bekommen, entsprechende Statements vorbereiten und diese Informationen für sich behalten.

    Gleichzeitig stellt sich mir die Frage: Das Internet und E-Mail-Verteiler und Internetseiten gbt es schon länger. Über diesen Weg lassen sich weit mehr Personen erreichen als über Twitter (gibt es schon 1 Mio Nutzer in D?). Warum kommt das plötzlich als Thema auf? Die Handys mit denen man twittern kann können über ein CMS auch ne Homepage editieren oder ne Massenmail starten.

  • Meine Prognose: Das wird passieren. Denn am Wahltag lässt sich kein Spitzenfunktionär und Politiker mit kühlem Kopf und rational steuern. Schon mal in einer Parteizentrale am Wahltag gewesen? Da laufen Hormonbomben rum. Adrenalin, Serotonin, und alle anderen Neurotransmitter fluten den armen Politikerkörper. Ein „Kodex des Stillschweigens“ ist kaum möglich. Vor Gericht könnte man glatt auf Unzurechungsfähigkeit plädieren.

  • Auch ohne, dass die Politiker vor Schließung der Wahllokale die Prognose kennen, wäre es doch wohl für sie förderlich, via Twitter (vulgo Internet) um Stimmen zu betteln. Wofür muss man da die Prognose kennen? Sie können sich ja auch einfach eine Prognose ausdenken. Vor der Wahl sind sie ja eh groß im Märchen erfinden.

    Ich sehe das so, wie im letzten Absatz beschrieben: Auch die Politiker brauchen die Prognose nicht vor Schließung der Wahllokale zu kennen.

  • Muss mich #3 anschließen. Wir wissen, wie das mit Zensursula gelaufen ist, aber die Welt da draußen nicht – und sie interessiert sich auch nicht dafür, was wir „Kinderschänder“ (und dafür hält uns Ottonormal zweifelsohne) da für skandalös halten.

    Ich halte deinen Vorschlag, den Parteien vorab keine Meldung zu geben, für richtig. Warum sollen die das denn vorher wissen? Damit sie ihre Reden nochmal polieren können, bevor sie ins Rampenlicht treten? Nö, in dem Fall plädiere ich für gleiches Recht für alle!

  • Für mich sind weder Wählerbefragungen noch Twitter ein Problem – meine Herausforderung sind die Parteien, weil:

    Die CDU/CSU führt Stasi 2.0 ein.
    Die SPD hat ständig Bauchschmerzen und kriegt nichts richtig auf die Kette.
    Die Linken sind nur in der Opposition zu gebrauchen.
    Für die FDP gilt das Gleiche wie für die die Linke.
    Die Grünen sagen zu Allem Ja und Amen, wenn sie irgendwo ein Bäumchen pflanzen dürfen.
    Die Piratenpartei wird die 5% Hürde nicht schaffen.
    Die Rechten sind kein Alternative.

    Ergo, ich hab ein echtes Problem, was ich wählen soll bzw. ob ich überhaupt wählen gehen soll…

  • Das ist doch alles Banane. Klar, Twitter ist gerade der Supertrend, aber gab es solche voreiligen Nachrichten nicht auch schon vorher? Nur in anderer Form? Über SMS, E-Mail oder Telefonate erreichen Nachrichten schon den Empfänger, da ist das Medium doch egal?

    Fazit nochmals: Alles Banane 🙂

  • Und warum bitte erhalten nur die Bundestagsparteien diese Ergebnisse, und nicht alle zur Wahl stehenden Parteien?
    Zählt die Piratenpartei mit Herrn Tauss nun als eine Bundestagspartei, oder sind hier etwa die Fraktionen gemeint?
    Diese Ungleichberechtigung kann meiner Meinung nach nicht länger hingenommen werden. Entweder sollten alle Parteien diese Nachrichten erhalten, oder eben keine. Oder sieht das jemand anders?

    Martin

  • Ich bin dafür das „Wählermobilisierung“ zum Unwort des Jahres wird.
    Ich meine wie schlecht ist dass denn bitte, die Linke wird gefragt warum sie weniger Stimmen bei der EU-Wahl erhalten hat als erwartet und ihre Antwort ist „Ja bei uns gingen weniger Leute wählen als bei den anderen Parteien“, den Fehler bei sich zu suchen wäre einfach zu schwer. (Und die Linke war nicht die einzige Partei die das u.a. als Begründung nannte).

    Zum Topic: Die „Lösung“ wurde ja schon im letzten Absatz des Artikels geschrieben. 🙂

  • Man sieht doch jetzt schon bei der Sonntagsfrage immer den ungefähren Stand… So viele Überraschungen wird es da bei der Wahl nicht geben.. oder denken die, dass die SPD vielleciht auf 40 Prozent hochschiesst?

    LOL

    Und außerdem könnte eine Vorabveröffentichung ebenso den Effekt haben, dass sich jemand denkt „Was meine Partei hat so gut oder so schlecht abgeschnitten, jetzt brauch ich auch nicht mehr hingehen und meine Stimme abgeben“- also dann quasi eine „ANTIWÄHLERMOBILISIERUNG“ 🙂

  • Diese Befragungen sind nur bei den grossen Parteien aussagekräftig. Für Splitterparteien ist das Vertrauensintervall zu gross.

  • Die Revolution der Kommunikationsmedien lässt eben keinen gesellschaftlichen Bereich unangetastet. Und ich bin sehr gespannt auf all die Wirkungen, die hier und da noch spürbar werden mögen. Und Twitter wird nicht das Ende sein.

  • Warum soll das eine „unzulässige“ Wahlbeeinflussung sein? Vor der Wahl werden doch ständig Umfragen und Wahlprognosen verbreitet, und die Wahlnachfrage ist auch nicht zuverlässiger. Diese Wahlnachfragen sind doch in keinster Weise ein officzielles Ergebnis. Es erscheint mir nicht logisch warum soetwas unzulässig sein soll wenn es am Wahltag passiert.

  • „Auf die einfachste Idee ist allerdings niemand gekommen: Die Parteien bekommen einfach keine Daten mehr vor der Schließung der Wahllokale zur Verfügung gestellt. Dies erhöht einerseits die Spannung in den Wahlkampfzentralen, andererseits kann dann kein Politiker in Versuchung kommen, die Hochrechungsergebnisse vorzeitig in die Welt zu posaunen. Problem gelöst.“

    Absolute Zustimmung!! Warum sollten die „Politiker“ noch vor ihren Wählern über ein mögliches Ergebnis informiert werden. Eigentlich sollte das sogar eher umgekehrt sein! Warum schließt man die Politiker nicht gleich in eine Gummizelle ein, bevor das endgültige Ergebnis bekannt ist? 😉