Vor dem Bundesgerichtshof läuft seit ein paar Minuten die Verhandlung über die Klage einer Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen gegen das Kölner Onlineportal spickmich.de, auf dem Schüler ihre Lehrer mit Schulnoten bewerten können. Die Klägerin sieht ihr Persönlichkeitsrecht verletzt und fordert die Löschung ihrer persönlichen Daten wie Name, Schule und unterrichtete Fächer. Allerdings ohne Erfolg. Denn die Richter folgten bisher der Argumentation des Bewertungsportals.
Basic Thinking hat mit spickmich-Chef Tino Keller vor dem heutigen BGH-Urteil gesprochen:
Tino, wann fand die erste gerichtliche Auseinandersetzung mit spickmich.de statt und wie haben die Richter entschieden?
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Die erste Verhandlung war am 11. Juli 2007. Anlass war die Klage einer Lehrerin, die jedoch abgewiesen wurde. Seit dem gab es insgesamt vier weitere Gerichtstermine, die allesamt zugunsten von spickmich.de ausgingen.
Die Lehrerin hat seitdem nicht locker gelassen. Heute befasst sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob das Bewerten von Lehrern als Meinungsfreiheit oder Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz zu verstehen ist.
Wir hoffen, dass der BGH die bisherigen Urteile bestätigt und der Weg durch die verschiedenen Instanzen damit ein Ende hat. Auf der Grundlage einer Entscheidung aus Karlsruhe wollen wir uns gerne auch mit den Lehrerverbänden (sie unterstützen die Lehrerin bei ihrer Klage) an einen Tisch setzen und gemeinsame Wege diskutieren.
Wie wichtig ist das Thema Rechtssicherheit für eure Arbeit?
Es ist natürlich unangenehm, ständig in Prozesse verwickelt zu sein, die scheinbar kein Ende nehmen. Wir glauben aber, dass ein positives Urteil aus Karlsruhe auch die Position der Schüler stärken wird und haben deshalb hier nie die Fahnen gestreckt. Wir hoffen, dass nach dem Urteil wieder mehr auf Dialog und weniger auf Verbote gesetzt wird.
Macht ein positives Urteil den Weg frei für Neuerungen auf eurer Plattform?
Spickmich.de hat sich seit dem Launch im Februar 2007 immer weiterentwickelt. Die Lehrerbewertung konnten wir allerdings nicht so ausbauen wie wir uns es gewünscht haben. Wir hoffen durch die Entscheidung des BGH einen Rahmen zu haben, in dem wir dieses Angebot verbessern können.
Gibt es einen Notfallplan, wenn die Richter nicht der bisherigen Rechtsprechung folgen?
Die Lehrerbewertung ist ja nur ein Teil unserer Plattform. Wie genau wir diesen Teil von spickmich.de ändern müssten, hinge natürlich stark von der Entscheidung der Richter ab.
Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die obersten Richter heute entscheiden. Nichtsdestotrotz: Was für Maßnahmen unternehmt ihr derzeit, um Bewertungsmissbrauch einzudämmen?
Nach mittlerweile über zwei Jahren Erfahrung haben wir verschiedenste Systeme eingerichtet. Zu allererst sind Bewertungen ja nur in Notenkategorien möglich. Dadurch findet bereits eine Kanalisierung der Meinungen statt. Darüber hinaus haben wir einen Algorithmus, der Frust- und Spaßbewertungen erkennt und meldet. Natürlich melden uns auch unsere User Auffälligkeiten, denen wir dann mit unserem Supportteam nachgehen. Die Kombination von automatischer uns sozialer Kontrolle funktioniert sehr gut.
Worin bestehen eurer Meinung nach die großen Chancen und Gefahren eines Bewertungsportals?
Bewertungsportale haben sicher ihre Grenzen und jedes Bewertungsportal muss sich an den Ergebnissen, die es liefert, messen lassen. Ein Portal, das nicht nachvollziehbare Bewertungen liefert, wird auch bei den Usern keine Chance haben. Ein funktionierendes Bewertungsportal wie spickmich.de sorgt für Transparenz und kann ein effektiver Feedbackkanal sein.
Im kommenden Jahr soll ja auch das AOK-Ärzte-Bewertungsportal an den Start gehen. Ärzteverbände laufen bereits Sturm gegen die Pläne. Wie findet ihr die Idee, dass Patienten ihre Ärzte bewerten dürfen?
Wir halten das für eine sehr interessante Sache. Das Gesundheitssystem zeichnet sich wie das Bildungssystem in vielen Bereichen durch Intransparenz und Ineffizient aus. Bewertungsportale können hier ein Schritt in die richtige Richtung sein. Die AOK ist mit Sicherheit in der besten Position, ein Ärzte-Bewertungsportal mit breiter Akzeptanz zu etablieren.
Noch eine Frage zum Schluss: Ist die Kritik an Bewertungsportalen ein rein deutsches Phänomen? Wie sieht es bei unseren Nachbarn aus?
Spickmich.de richtet sich bisher nur an deutsche Schüler. Über die Diskussionen in anderen Ländern haben wir daher nur einen sehr eingeschränkten Überblick. Es gab allerdings Adaptionen in Frankreich und in den Niederlanden. Im Gegensatz zu spickmich.de waren bei dem Angebot in Frankreich die Namen und Noten der Lehrer ohne Anmeldung frei einsehbar und auch in Suchmaschinen erfasst.
Vielen Dank für das Interview.
Die Beratungen in Karlsruhe laufen seit zehn Uhr. Ein Urteil wird heute im Laufe des Tages erwartet.
UPDATE: Das Urteil ist da. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Grundsatzentscheidung wie erhofft, sondern nur um eine Einzelfallentscheidung im Sinne von spickmich.de. Demnach überwiege das Recht der Schüler auf Meinungsaustausch und freie Kommunikation das Recht der klagenden Lehrerin auf informationelle Selbstbestimmung. Mehr Infos zum Urteil gibt es hier.
(Michael Friedrichs)