Vor einigen Tagen, genauer gesagt am 1. April 2009 ist der offene Streit zwischen der Google-Tochter YouTube und dem deutschen Verein GEMA eskaliert. Die Vertragsverhandlungen über eine Verlängerung des Lizenzvertrags sind gescheitert. Diese Entwicklung führt nun zu einer abstrusen Situation: YouTube hat begonnen, Musikvideos, deren Rechteinhaber von der GEMA vertreten werden, für Nutzer in Deutschland zu sperren. YouTube hat diese Videos gesperrt, um eventuelle Schadenersatzforderungen seitens der GEMA abzuwenden. Ich habe mit der Pressesprecherin der GEMA, Bettina Mueller, Kontakt aufgenommen, um einige Fragen direkt von ihr beantwortet zu bekommen.
Worum geht es in den Verhandlungen?
Kernpunkt der Streitigkeiten ist zum Einen das Vergütungsmodell. Momentan bezahlt YouTube der GEMA eine Pauschalsumme, unabhängig davon, welches Video abgerufen wurde und wie oft es abgerufen wurde. Die GEMA, die darauf bedacht ist, ihre Künstler transparent und zielgerichtet zu entlohnen, ist mit dieser Pauschalzahlung nicht einverstanden. Sie möchte wissen, welches Lied von welchem Künstler wie oft aufgerufen worden ist und für jeden Aufruf eine bestimmte Summe bezahlt bekommen. Zudem sind sich die Parteien über die Höhe der Vergütungen nicht einig. Während YouTube offiziell von einer Forderung von 12 Cents spricht, heißt es seitens der GEMA, es wäre lediglich 1 Cent pro Stream gefordert gewesen.
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Wir haben YouTube schriftlich ein Angebot von 1 Cent pro Stream unterbreitet – nicht 12 Cent, wie oft fäschlich behauptet wurde. […] YouTube möchte aber keine Einzelabrechnung sondern eine Pauschale. Das wiederum ist nicht im Interesse gerade der jungen Nachwuchskünstler, da eine Pauschale insbesondere sie stark benachteiligt.
Mangelnde Transparenz auf Seiten YouTube und der GEMA?
Ein weiterer Streitpunkt ist die mangelnde Transparenz, die beide Parteien sich gegenseitig vorwerfen. Auf Seiten YouTube heißt es, die GEMA wolle nicht sagen, wer ihre Mitglieder überhaupt seien und wen sie vertreten würden. Auf Seiten der GEMA heißt es demgegenüber, dass YouTube nicht transparent sei und nicht mitteilen wolle, welche Musikwerke online gestellt und einzeln abgerufen werden. Frau Mueller von der GEMA äußere sich diesbezüglich folgendermaßen:
Die Behauptung, die GEMA könne und wolle nicht sagen, wer ihre 62.000 Mitglieder konkret seien, ist schlichtweg falsch. Die GEMA vertritt über 90% des Weltrepertoires und die Informationen sind über die Werkedatenbank […] für jeden frei einsehbar und transparent
Diese Transparenz bietet YouTube leider nicht. Auf die für uns (zwecks Verteilung) sehr wichtige Frage, welche Musikwerke YouTube denn Online zur Verfügung stellt und auf unsere Forderung, diese ebenso wie die Anzahl der Streams fuer die Verteilung an die Künstler anzugeben, hat Google/ YouTube mitgeteilt, dass man diese Daten nicht haette und deshalb auch nicht zur Verfügung stellen könnte..
So lange wir diese Informationen aber nicht bekommen, ist von Seiten der GEMA aus leider keine genaue Verteilung der Einnahmen an die Künstler möglich. Schließlich ist es ein grosser Unterschied, ob ein Video 50fach oder 1000fach gestreamt wurde. Insbesondere für Nachwuchskünstler, die ganz besonders darauf angewiesen sind.
Wer aufgrund seiner großen Sympathie nun automatisch zu YouTube hält und den Verein GEMA genauso negativ beurteilt wie vielleicht die GEZ, liegt meiner Ansicht nach falsch. Beide Parteien haben in ihrem Sinne recht. YouTube, weil sie mit ihren Videos und Musikstücken mit dazu beitragen, dass gerade unbekannte Künstler eine große Verbreitung finden können. Mit ihren Videos machen sie kostenlos Werbung für die Mitglieder der GEMA, die mit ihren späteren Verkäufen wiederum Gelder in die Kassen spülen. Die GEMA wiederum möchte die Gelder gerechter verteilen, auch das ist verständlich. Denn wenn man nur eine pauschale Summe bekommt, kann man nicht beurteilen, ob ein unbekannter Künstler vielleicht extrem erfolgreich war und vielleicht ein größeres Stück vom Einnahmekuchen bekommen sollte.
Veraltetes Vergütungsmodell ist Grund für die Problematik
Die eigentliche Problematik liegt in dem meiner Ansicht nach veralteten Vergütungsmodell, nach dem sich die GEMA orientiert und vom Gesetz her auch orientieren soll. Sie geht in ihren Berechnungen weiterhin davon aus, dass sie es mit einem Push-Modell zu tun haben. Bislang war es so, dass im Radio oder Fernsehen ein Lied gespielt wurde und die jeweiligen Sendeanstalten selber bestimmt haben, wann sie ein Lied wo und wie oft gespielt haben. Hierbei war die Vergütung jeweils einfach zu regeln. Wurde ein Lied gespielt, war dafür eine Vergütung fällig. Im Fernsehen oder im Radio bestimmt der Sender, wann ein Lied abgespielt wird. Durch Plattformen wie YouTube hat sich das jedoch stark gewandelt. Heute haben wir es nicht mehr mit einem Push- sondern mit einem Pull-Modell zu tun.
Heutige Konsumenten holen sich ihre Inhalte selber
Hierbei bestimmt nicht YouTube als Sender, welches Lied wie oft gespielt wird sondern der Nutzer dieser Plattform bestimmt, wenn er ein Lied anhören möchte. Nun wäre das prinzipiell auch kein Problem, wenn es nur offiziell zugelassene Musikvideos auf YouTube geben würde. Da könnte man die Statistiken hierfür auch relativ einfach erfassen. Aber so ist es nicht. Jeder kann Musik hochladen und das muss nicht einmal das offizielle Musikvideo sein. Es kann eine Kopie des offiziellen Videos sein, ein Mitschnitt aus dem Radio, eine Reportage, wo ein Lied im Hintergrund gespielt wird oder als musikalische Untermalung eines Kurzfilms. Wenn jemand dem Video nun auch nicht gerade den offiziellen Namen des Künstlers und seines Stückes gibt, wie soll ein Unternehmen all diese Videos erfassen können? Ein ungeheuer großer Aufwand wäre die Folge, die sicher mehr kosten würde, als die Einnahmen, die mit diesen Stücken realisiert werden könnten.
Ein neues Vergütungsmodell muss geschaffen werden
Diese Entwicklung wird nicht mehr rückgängig zu machen sein. Benutzer werden immer mehr selber bestimmen, wann sie welche medialen Inhalte konsumieren möchte und werden sich nicht mehr davon abhängig machen, wann bestimmte Inhalt gespielt werden oder nicht. Das Pull-Modell ist meiner Ansicht nach jedoch noch nicht in allen Köpfen der Rechteinhaber und ihrer Vertreter angekommen. Wenn es einem Unternehmen teurer zu stehen kommt, umfangreiche Statistiken anzubieten, anstatt mit den Videos Geld zu verdienen, dann wird ein wirtschaftlich denkender Betrieb diese Funktion eben nicht mehr anbieten. Verlierer sind dann beide Seiten: YouTube, weil sie weniger Besucher auf ihren Internetseiten verzeichnen kann damit weniger Werbeeinahmen realisieren wird und die GEMA, weil sie nun gar kein Geld mehr bekommt und eine Möglichkeit weniger hat, auf die kommende Generation der Konsumenten einzuwirken und sie zum Kauf von Inhalten zu bewegen. Das ist jedoch ungeheuer wichtig, denn haben insbesondere Nachwuchsbands durch Plattformen wie YouTube nicht mehr die Möglichkeit, sich kostenlos zu präsentieren, dann wird der Nachschub an qualitativ guter Musik nach und nach versiegen und die Umsätze werden weiter einbrechen.
Sowohl YouTube als auch die GEMA verdienen nicht schlecht an den Einnahmen durch Musikvideos. Beide Parteien sollten sich schnell wieder an einen Tisch setzen und die Problematik mit offenem Geist und fortschrittlichem Denken angehen, anstatt sich in der Presse gegenseitig die Schuld für das Dilemma zuzuschieben. Die Vergütung von Künstlern und Rechteinhabern ist eine elementar wichtige Angelegenheit und sollte daher nicht klein geredet werden. Die GEMA hat ihre Existenzberechtigung, das ist für mich vollkommen klar. Allerdings sollte sie sich der neuen Realität stellen, anstatt auf veralteten Modellen zu beharren, die in der neuen Welt mit Internet und Co. so nicht mehr einfach realisiert werden können.
Danke übrigens an Frau Mueller von der GEMA für die schnelle und zeitnahe Beantwortung meiner Fragen. Sie hat am Samstag innerhalb von zwei Stunden auf meine E-Mail reagiert und ist offen auf die Problematik eingegangen. Eine positive Überraschung. Ihre gesamte Antwort auf meine E-Mail findet ihr im übrigen hier zur Ansicht.