Wie in jedem Jahr hat es sich Google auch diesmal nicht nehmen lassen, den Frühling selbst anzukündigen. Der meteorologische Lenz beginnt eigentlich in dem Moment, wenn die Sonne den Äquator Richtung Norden überquert; doch wer hört schon auf Himmelskörper. Die Datenkranke hat einen ganz eigenen Weg gefunden, mittels demoskopischer Auswertungen weltliches Geschehen vorauszusehen. Und so auch in diesem Fall: die Suchanfragen für das Stichwort „Suppe“ verflüchtigen sich zusehends. Wir schließen daraus, dass die Kälte in den Knochen weicht, die Sonnenbrillen aus den Handschuhfächern geholt werden und der Ventilatorenabsatz langsam wieder anzieht. Frühling eben.
Google Insights ist ein wertvolles Instrument. Die Beantwortung der Frage „Wer hat wo wann was gesucht?“ lässt verlässliche Schlüsse auf vergangene und künftige Entwicklungen zu. Tatsächlich hat sich Google mit dem Tool bereits in den Dienst der Wissenschaft gestellt, etwa mit Flutrends, das besorgte US-Bürger nutzen können, um herannahende Grippewellen zu lokalisieren und den Medizinschrank rechtzeitig neu zu bestücken. Wird in der Nachbarschaft häufiger nach Heilungsmethoden für Kopf- und Gliederschmerzen gesucht, ist es dann auch soweit.
Als ich heute nach einiger Zeit wieder auf Googe Insights gestoßen bin, experimentierte ich ein wenig herum. Der „Amoklauf“ war ein disproportional großes Thema nach Winnenden. „DSDS“-Anfragen steigen mit der wachsenden Scheußlichkeit von Bohlens Garderobe. Und als Herr von und zu „Guttenberg“ neuer Wirtschaftsminister wurde, wollten alle direkt einmal nachschauen, wer denn jetzt mit der Aufgabe betraut wurde, die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Irgendwann gab ich ohne nachzudenken „Sex“ ein (wer der Statistik folgen möchte, sollte hier drauf klicken) – und staunte nicht schlecht. Sex ist in den Köpfen der Deutschen keineswegs jahreszeitresistent verhaftet.
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Genau genommen gibt es zwei Hochphasen. Der Boom des pornographischen Internet erlebt einen ersten Höhepunkt Anfang Juni, um dann die Rutsche der Gleichgültigkeit zu nehmen. Das Thema bleibt für den Rest des Jahres auf einleuchtend hohem Niveau. Doch dann das: der Moment, an dem Deutschlands Hormone wirklich durchdrehen, liegt mitten in der besinnlichen Weihnachtszeit, steigert sich dann weiter über die Feiertage, um in der Silvesternacht bacchantisch zu explodieren. Das neue Jahr beginnt mit Frust, Enttäuschung und Desillusionierung – das Interesse ebbt ab. Ich wurde neugierig und versuchte eine Reihe weiterer Keywords, die ich hier beim Blick auf die Uhr nicht äußern will. Ich vergrößerte auch den Zeitraum der Auswertung, doch immer wieder zeigte sich die zyklische Geilheit der Landsleute.
Noch eine Erkenntnis lässt sich machen: Die Hessen treiben’s am dollsten, hier kamen die meisten Suchanfragen her. Danach folgen NRW und Hamburg, auf den letzten Plätzen liegen Bremen, Berlin und mit weitem Abstand Brandenburg, was in diesem Fall wohl dem Alter der Einwohner geschuldet ist. Fassen wir zusammen: die Silvesternächte in Frankfurt/Main sind damit unumstritten die heißesten.
(André Vatter)