Irgendwie lässt sich diese Diskussion um Intelligenz und Internet nicht abschütteln. Im vergangenen Jahr hatte ja der ewige IT-Muffler Nicholas Carr im „The Atlanic“ mit einem Donnerknall verkündet, dass die Netzsuche uns zu geistlosen Wesen werden lässt: „Is Google Making Us Stupid?„. Dabei ließ er von McLuhan über Nietzsche bis hin zu Gutenbergs ersten Kritiker alle zu Wort kommen: Das gedruckte Wort? Pfui! Der Text im Netz? Doppel-Pfui! Der Artikel schlug damals große Wellen und alle Welt diskutierte darüber, ob das Aufklauben von Infobröckchen dem Hirn als kognitives Gesamtkunstwerk tatsächlich entgegensteht. Nietzsche jedenfalls verlor laut Carr bereits auf seiner Schreibmaschine (einer Malling-Hansen, wie wir erfuhren) den Überblick.
Ich komme darauf, weil mich die Tage über Umwege auf einen Bericht im Apothekenfachblatt „Senioren Ratgeber“ stieß. Kein Witz. Es ging um eine Studie des US-Gehirnforschers Gary Small. An der Universität von Kalifornien hatte der Wissenschaftler ein ausgesuchtes Grüppchen von Damen und Herren im Alter zwischen 55 und 76 einem Test unterzogen. Die Hälfte von ihnen war fit in Sachen Internet, die andere hatte von „Google“ noch nichts gehört. In der Kernspinröhre wurden alle gebeten, eine einfache Suche im Internet anzustellen: Was sind die Vorteile von Schokoladenkonsum, wo gibt es günstige Gebrauchtwagen und wo befinden sich beliebte Wanderwege? Während sie die Google-Maschine anwarfen, maßen die Forscher die Gehirnströme. Das Ergebnis: Die neurologische Aktivität von Google-Neulingen war um einiges intensiver als die der alten Suchhasen.
Small erzählte nachher der „Washington Post“, dass es vor allem im Präfrontallappen zu gut messbaren Regungen kam – immerhin der Ort, an dem komplexe Denkvorgänge und Entscheidungsfindungen stattfinden. Laut Studie übrigens auch ein Unterschied im Vergleich zum einfachen Lesen. O-Ton Small: „Es ist möglich, dass die Internetsuche gut für das Gehirn ist, dass eine einfache Aufgabe wie die Internetsuche unser Gehirn aktiviert und es auf irgendeine Weise schützt.“ Laut Bericht sprang ihm bei der These Paul Sanberg, der Direktor der University of South Florida College of Medicine’s Center of Excellence for Aging and Brain Repair (wie das auf eine Visitenkarte passen soll…) unterstützend zur Seite: Google sei – in neurologischer Hinsicht – gut für den Menschen. „Es gibt Beweise: Je aktiver das Gehirn ist, desto mehr vernetzt es sich.“ Donnerwetter, dachte ich. Sollte Carr tatsächlich falsch gelegen haben?
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Witzig, dass jetzt auch gerade das „Discover-Magazin“ auf den Zug aufgesprungen ist. In „How Google is making us smarter“ versucht Carl Zimmer zu erklären, dass das menschliche Gehirn durch die Gedankenprothese Google nicht ein-, sondern ausgeht. Es sei Quatsch anzunehmen, dass der Denkapparat ein isoliertes, von Knochen umgebenes Organ sei, das durch www.google.com immenser Gefahr ausgesetzt werde. Ich will’s kurz machen, aber er zitiert einen interessanten Aufsatz von Clark und Chalmers (wie es der Zufall will aus dem Jahr von Googles Geburt, 1998), in dem Inga und Otto vorgestellt werden. Wenn Inga von A nach B kommen möchte, findet Sie die Weginformation im Kopf. Der gedächtnisschwache Otto schreibt sich den Weg eben in seinem Notebook auf. Und nun sind wir ja alle ein wenig Otto, unsere Wahrnehmungswelt ist eben beschränkt. Das ist das eine. Das andere ist, dass das Hirn ständig nach Erweiterungen sucht. Wer am Rechner sitzt, die Maus bewegt, den Monitor im Blick hat, schickt taktile und visuelle Informationen Richtung Kopf. Zur Perfektionierung dieses Feedback-Systems wird nach Werkzeugen gesucht.
Results like these, Clark argues, reveal a mind that is constantly seeking to extend itself, to grab on to new tools it has never experienced before and merge with them. Some people may be horrified by how passionately people are taking to their laptops and GPS trackers. But to Clark it would be surprising if we didn’t. We are, in Clark’s words, „natural-born cyborgs“.
Ergo: Google sei nur natürlich, gegen ein Fernglas hat ja schließlich auch niemand etwas einzuwenden.
(André Vatter)