Ausgangslage und Grunddaten
die letzte Analyse der Entwicklung der Deutschen Blogcharts betrachtete den Zeitraum Jan 06 – Juli 08:
Erweitern wir den Zeitraum um das Quartal III/08:
Die Verlinkungsdichte nimmt weiterhin stetig ab. Seit dem Peakwert im Sommer 2007 hat die Linksumme um 36% abgenommen (von 51.616 auf 33.166, Stand Okt 08). Nimmt man den Peakcount (maximale Linksumme je Blog, das zZt in den deutschen Blogcharts genannt wird) zum jetzigen Linkniveau, fällt die Abnahme noch etwas stärker aus: -39% (54.515-33.166). Betrachten wir die Radieschen von unten: Im Sommer 2007 waren rund 270 Links nötig, um im die Deutschen Topcharts zu kommen. Heute sind es nur noch 167. Und anders gesagt: Wir haben den Pegelstand von Januar 2007 unterschritten. Von Januar 2007! Das sind nun schon fast zwei Jahre! Und bewegen uns fröhlich Richtung Pegelstand Frühjahr 2006.
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Na und? Voreilige Rückschlüsse auf den Eitelkeits-Verlust der A-Blogger mögen auf den ersten Blick nur zu natürlich sein, doch darum ging und geht es mir Zero. Wie schon damals gesagt:
Ableitungen auf die gesamte Vernetzungsdichte aller Blogs in D sind denkbar, aber nicht belegbar;) Man kann zwei Theorien aufstellen: Topblogs werden seltener genutzt, man bleibt mehr in der Breite untereinander (mehr Bezüge innerhalb der Peergroups) oder aber die Bezugsfreude aller Blogs nimmt allgemein ab.
Ich tendiere mittlerweile dazu, dass die Vernetzungsdichte in der gesamten, deutschen Blogosphäre abnimmt. Der Eindruck bestätigt sich, wenn man sich die Analysen von Henning Krieg anschaut, der die Blawgosphäre der Juristenblogs vermisst. Da sind die gleichen Effekte zu beobachten. Obwohl diese bloggende Peergroup als gut vernetzt gilt. In einer anderen Analyse vermisst er die RSS-Abozahlen der Juristenblogs. Da beobachtet er einen umgekehrten Trend: Die Anzahl der Abonnenten nimmt zu. Auch das stimmt mit dem überein, was ich allerorten höre: Die Leserzahlen stagnieren nicht, sie nehmen eher zu. Was übrigens kein Wunder ist, da sich eine alternde, aktive Seite tendentiell immer besser etabliert.
Die Gründe für das Abnehmen der Vernetzung
Bei der Betrachtung muss man demnach die Leser von den Bloggern entkoppeln. Die Leser werden nicht müde, die Blogger schon, was die aktive Vernetzung untereinander angeht. Das mit der Müdigkeit kann folgende Gründe haben, die sich additiv bzw. subtrahiv auswirken können, je nach Stärke des einzelnen Effekts:
1. Wir wissen aus dem jüngsten Technorati-Report, dass rund 5%-6% der Blogs weltweit aktiv bleiben. Bedeutet? Blogger steigen in 95 von 100 Fällen eher wieder aus. Wenn nicht mind. im gleichen Verhältnis ebenso viele Neu-Blogger hinzukommen, schrumpt der Teil der aktiven Blogosphäre in einem starken Ausmaß, bis es sich auf einem natürlich Niveau irgendwann einpendelt. Und wenn statt 100 Blogs nur noch 5-6 Blogs da sind, kann man sich denken, wie sich das auf die Vernetzungsdichte auswirkt.
2. Je länger man bloggt, desto seltener verlinkt man auf seine ehemaligen Stammblogs, die man als Blogger selbst liest. Das ist eine Anname, aber das beobachte ich nun schon seit rund 5 Jahren bei zahlreichen Bloggern. Neben dem Abnutzungseffekt („das kenne ich doch schon, hat er schon x-Mal verbloggt“) kommt ein Mitdenk-Effekt hinzu („das Blog habe ich schon so oft verlinkt, das sollten meine Leser nun kennen, muss ich nicht mehr drauf hinweisen“).
3. Extrem viele der sehr aktiven Publisher (iWs von aktiven Mitmachen im Netz) haben sich auf Twitter gestürzt. Dort werden mittlerweile jeden Tag abartig viele Linkverweise gepostet, das einem als Blogger die Tränen in die Augen schießen:) Bis dato hat sich ein aktives Monitoring der Linkverweise in Twitter nicht eingebürgert, so dass man diese Links auf sein Blog rüberzieht und ihnen damit eine qualitativ weitaus hochwertigere Umgebung zum Weiterbesprechen gibt. Die Links und die Link-Besprechungen bleiben in Twitter kleben, wo eine tiefere Kommunikation nur sehr mühsam ausfällt. Nun geht es bei Microblogs wie Twitter nicht nur um Links, sondern und vaD um die Grundlage des Knüpfens zwischenmenschlicher Bande: Small Talk! Die Speerspitze der aktiven Publisher ballt sich in Twitter, Blogs werden tendentiell künstlich zu mentalen Dickschiffen aufgebläht, wo der Small Talk weniger als das tiefgründige Nobelpreisthema im Vordergrund steht. Reicht aber Twitter aus, um echte soziale Bande zu knüpfen, die über das flüchtige 140er (=max. Zeichenlänge eines Tweets) Gespräch hinausgehen? Ich weiß es schlichtweg nicht. Anthropologen vor bitte:)
4. Tools wie Rivva werden annahmegemäß von der gleichen Gruppe der sehr aktiven Publisher genutzt. Um sich zu informieren, was sonst noch so los ist in der Blogospäre. Wenn man so will, ist Rivva ein weiterer Killer (obwohl es das nicht sein will, Ironie der Geschichte). Denn, man geht nicht mehr wie früher aufs Blog selbst und zieht sich die Kommentare rein, die in der Summe (+Artikel) einen mentalen Einstieg erst erlauben, um dem auf seinem eigenen Blog öffentlich und publizierend zu verarbeiten. Man sieht lediglich dutzende von Topnews auf Rivva und wird erschlagen. Die Ruhe aber wie früher ist dahin. Alle Topnews konkurrieren untereinander, dieser visuelle Flooding-Effekt nimmt damit extrem zu. Eine Maschine wie Rivva presst Menschen in einen virtuellen Strom von Nachrichten, wo der Einzelne verschwimmt und zu einem simply processed ranked link verkommt. Im Endergebnis befasst man sich über die maschinengestütze Förderung der mentalen Faulheit immer weniger mit fremden Blogs bwz mit dem individuellen, einzelnen Blog per se, das im Grunde genommen die digitale Annäherungssumme eines komplexen Menschen darstellt. Newstracker bzw. Aggregatoren sind Maschinen, die Menschen nicht greifen können, nur dumme Links setzen, mehr nicht. Ja, es hat was mit Entschleunigung, Ruhe und Tiefe zu tun. Das könnt Ihr in aller Ruhe beim Yoda nachlesen, den Don Alphonso tatsächlich in einem anderen Zusammenhang geringeschätzig als Trigami-Hure bezeichnet hatte, ohne sich die Zeit zu nehmen, die Person zu sehen und zu würdigen, statt nur das äußere Blog wahrzunehmen.
5. Die bodenlose Dummheit der Medien, die gerne hierzulande über Blogs herziehen, um ihre Stories zusätzlich mit Boulevard-Mist zu speisen. Medien, die das Goldene Kalb anbeten, können partout nicht honorieren, dass sie ebenso wie Blogs dazu beitragen, etwas für die Weiterentwicklung einer losen Gesellschaft beizutragen. Sie sehen nur sich im Mittelpunkt als sog. Gatekeeper als Umsatzfaktor, mit dem man lediglich seine Taschen stopfen kann, nur zu kurzsichtig das ist, aber das soll nicht mein Problem sein, wo Medien in der zunehmenden Digitalisierung landen. Blogger sind Bürger, keine Gatekeeper. Sie sind soziale Wesen. Medien honorieren das nicht, sie sehen die Möglichkeiten nicht, sie werten Blogs stetig und andauernd ab, quatschen andauernd von der miesen Qualität der Blogs, ganz so, als müssten alle Menschen in ihrem Privatleben goldene Nobelpreistexte andauernd ablassen. Hirnis! Und so tragen die Medien ihren gewichtigen Teil dazu bei, dass Menschen kein gutes Bild vom Bloggen bekommen. Wie auch? Man vertraut den Medien, dummerweise. Medien schaffen gefilterte Öffentlichkeiten und Tatsachen, thats life. Noch. Der Blogger selbst? Er bekommt seinen sozialen Stempel aufgedrückt. Er tut was Merkwürdiges, was sozial nicht anerkannt ist, etwas außerhalb der sozialen Normen stehendes, er verzapft nur Unsinn, nix Werthaltiges angeblich, no factchecking und all den gefaselten Medienbullshit. Manche mögen diesen Druck nicht, wenn man sie komisch anschaut. Das prägt und fördert einen Ausstieg, wenn die Umgebung den Blogger komisch anschaut. Einen Einstieg fördert es null.
Wenn wir eins aus den sozialen Netzen wie Flickr und Youtube -oder aber der Wikipedia- gelernt haben, so sind es die wenigen aktiven Publisher, die ein System im Kern tragen und extrem zu den ominösen Netzwerkeffekten beitragen. Viele der Aktiven bewegen sich in Twitter, nutzen Rivva und unterliegen den in Punkt 2. genannten Abnutzungseffekten. Den Blick von außen trüben die Medien zudem.
Resumee 1
Zugegeben, ich werde etwas traurig ob dieser Entwicklung, denn nach wie vor erachte ich Blogs als fantastische Vernetzungsmedien, die in dem Transport der Personality ungeschlagen sind. Persönlichkeit ist und bleibt aber der einzige Faktor in einem digitalen Medium (das nur ansatzweise das Mensch-Sein abbilden kann), wenn es darum geht, dass sich Menschen nicht nur in den weak Tie-Netzen (Menschen, die sich nicht kennen, tauschen sich hin und wieder passiv oder aktiv aus) bewegen, sondern strong Tie-Netze bilden. Wenn wir also hier von den Deutschen Blogcharts ableiten, so sollte man dies nicht wie so oft gerne mit einer A-Geilheit verwechseln (ich garantiere Euch, dass die meisten, inkl. meiner einer keinen Steifen haben, wenn sie da oben stehen, sondern das, was sie über ihr Blog tun, von innen heraus tun). Warum sich die Entwicklung in der deutschen Blogosphäre so darstellt, weiß ich nicht. Üblicherweise hätte ich angenommen, dass es wie in einer Ehe ist. Zu Beginn Liebe, später Routine, am Ende mehr Nebeneinander statt Miteinander. Ob das gleiche soziale Verhalten nun stärker oder schwächer ausgeprägt in einer nationalen Blogosphäre zu beobachten ist, weiß ich nicht. Denn dort kommen stärkere Effekte zum Tragen: Soziale Gruppen dominieren stets das Verhalten des Individuums weitaus stärker als in Zweierbeziehungen. Die Gruppe und das Individuum können je nach Ausprägung einer Blogosphäre mal mehr mal weniger dominieren. In D ist offensichtlich die Summe der Einzelblogs größer als die Summe des Gesamten. Dazu mehr am Abschluss, wir kommen gleich dazu.
Resumee 2
So schließe ich mit dem fiesen Gedanken, dass sich die deutsche Blogosphäre warum auch immer extrem gesagt zu einer assozialen und weniger zu einer asoziierten Blogosphäre entwickelt, wo ein jeder sein Ding vor sich dahinbloggt. Was mich aber nicht daran hindern wird, als eine Art menschlicher Linkhub weiterhin auf die vielen Blogs da draußen zu verweisen, zu verlinken, sie zu fördern, wo immer es geht. Ich betrachte das als meinen Minibeitrag zur Förderung einer sozialen Gesellschaft. Auch und besonders im Digitalen. Mein Blog macht mir Spaß, alle Blogs machen mir noch viel mehr „Spaß“. Ich nehme aber davon Abstand, andere erziehen oder bevormunden zu wollen, wie sie ihr Blog pflegen und wie sie ihr Tun verstehen. Nur weil ich das Bloggen als eine wichtige, soziale und gesellschaftliche Tätigkeit verstehe, müssen das nicht andere ebenso tun. Warum? Meine Blog-Historie ist eine völlig andere, die aus den Anfangserlebnissen einer sozialen unglaublich eng agierenen Gruppe von Menschen genährt wurde und wird. Mich hat das seit Beginn an geprägt. Andere werden ihre Erfahrungen gesammelt haben und dementsprechend andere Rückschlüsse gezogen haben, was sich ebenso auf die Bedeutung ihres Blogs als ein Ausdruckskanal ihres Mensch-Seins auswirkt. Zudem war ich schon immer ein Asshole zu einem Teil meiner selbst, dem das Tun von Menschen irgendwo auch egal ist, in welche Richtung sie rennen. Ein jeder muss für sich erkennen, was das Beste für ihn selbst ist. Ich kann aber sehr wohl mein Tun und das der anderen in der Summe reflektieren, was ich dann für mich werte, nicht aber für Dritte. Denkt gefälligst selbst! Die Grunddaten habe ich versucht aufzuzeigen, woraus man sich selbst ein Bild ableiten kann.
Blognationen sind unterschiedlich
Und schließen tue ich mit einer weiteren Grafik. Die erste da oben hatte ich nicht erklärt. Die zweite Grafik erkläre ich schon. Es handelt sich um eine interessante Vernetzungsstudie eines US-Forschers, der die deutsche (oben) und die französische Blogosphäre (unten) auf Vernetzung analysiert hat. Die eine Galaxis zeigt viele lose Punkte auf, eine kalte Galaxis. Die andere ist viel enger zusammen, sie strahlt und blinkt. Was wir als Einzelperson tun, wirkt sich gesamtheitlich aus. Mal so mal so. Je nachdem, was man tut, wie bewußt man es tut, warum und in welcher Gruppe man sich bewegt. Erstaunlich, oder? Werden nun die Franzosen daraus eine bessere, digitale Gesellschaft darstellen? Fragt mich doch nicht, ich glaube nicht wirklich an bessere Gesellschaften, solange Egoismen hochgehalten werden, aber das ist ein anderes Thema:))
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