ein sehr spannender Artikel in der NZZ über den führenden Anbieter von Kleinanzeigen in den USA. Im Netz natürlich. Nicht im Print. Es geht um Craigslist, das weltweit zu den rentabelsten Unternehmen zählt. Mit nicht einmal 30 Mitarbeitern generiert man jährlich um die 100 Mio USD Umsatz (Experten schätzen, dass Craigslist das Zehnfache an Umsatz machen könnte, wenn es konsequent kommerzielle Kleinanzeigenkanäle monetarisieren würde). Und gehört weltweit zu den 10 meistbesuchten Seiten überhaupt. Dabei verzichtet man gänzlich auf klassisches Sendungs-Marketing, sondern verläßt sich rein auf Mundpropaganda.
NZZ: Wir reagieren auf die Wünsche der Kunden
Um welche Zahlen es im Kleinanzeigengeschäft geht, verdeutlich dieser Absatz in der NZZ:
Noch werden mit Zeitungs-Kleinanzeigen jährlich 14,2 Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Fast ein Drittel dieses Geschäfts ist aber seit dem Allzeithoch im Jahr 2000 weggebrochen – damals waren es knapp 20 Milliarden Dollar gewesen. Die US-Statistik reicht bis 1950 zurück; seither war in keinem anderen Jahr die Einbusse dramatischer als 2007: Minus 16,5 Prozent vermeldete die NAA, was einem Umsatzrückgang von 2,8 Milliarden im letzten Jahr gleichkommt.
Dass Craigslist daran schuld sein soll, ist ziemlich unsinnig, aber in diese Richtung argumentiert der NZZ Artikel. Craigslist gibt es seit 1997. Und man hat jedes Jahr die Anzeigen verdoppelt. Laut Eigenaussage. Damit ist aber kein linearer Anstieg von Umsätzen einhergegangen. Zumal, wieviel Prozent machen 100 Mio USD von 14,2 Mrd USD? Antwort: 0,7%!
Nun muss man aber bedenken, dass Craigslist nahezu sämtliche Anzeigen kostenlos einstellen lässt. Nur Job- und Immobilienanzeigen kosten etwas (70 USD mW), aber bei Weiten nicht in allen Locations (schaut Euch Craigslist an, die Seite ist absolut regionalisiert aufgestellt). Gut, schön. Den Umsatzrückgang der Kleinanzeigen im Printgeschäft wird man damit dennoch nicht in dieser Größenordnung erklären können. Denn, man sollte bedenken, dass das Internet in den USA ein überragende Stellung eingenommen hat. Und damit lernen die User eben umzugehen, wenn sie einmal ein derart populäres Werkzeug in der Hand halten. Sie wissen mit der Zeit, wo man etwas einstellen, wo man etwas suchen und wo man etwas finden kann. Umgekehrt entstehen massiv viele Angebote im Netz, angefangen von Jobbörsen, über Shoppingportale wie eBay bis hin zu Immobilienportalen. Zudem, die User vernetzen sich stärker untereinander und können auch direkt und unmittelbar Kleinanzeigen „austauschen“, ohne unbedingt ein zentrales Anzeigenportal ansteuern zu müssen. In der Summe kann man damit wohl eher den Umsatzrückgang im Print erklären. Ähnliche Effekte beobachten wir ebenso in D. Nur, hier spielt Craigslist keine gesteigerte Rolle, ist vielmehr hier ein absoluter Underdog.
Kleinanzeigen sind ideal fürs Netz geeignet: Atomares Suchen und Finden ist eine Paradedisziplin des Netzes, was sich maschinell eben besser lösen lässt. Pech gehabt.
via turi2