zu dem Thema diesmal ein Vollzitat, Kommentar vom „Weddinger Landboten„:
>>Eigentlich gilt ja der Satz, es gibt keine falschen Fragen, aber deine Frage unterstellt, dass wir Ossis eine Möglichkeit der Wahl gehabt hätten. Die Wahl war aber nicht ob schnell oder langsam, sondern ob oder ob nicht. Und wie oben schon richtig angemerkt wurde, der Westen hatte nicht einmal die Wahl. Die Einheit des deutschen Volkes stand als Forderung im Grundgesetz.
Um die Geschwindigkeit der Einheit richtig einschätzen zu können, muss man ein bisschen über die Zeit von damals wissen. Keine Angst, ich will hier keinen wissenschaftlichen Vortrag halten, nur ein paar Stichpunkte. Für den 7. März 1989 waren in der DDR Kommunalwahlen angesetzt. Jeder wusste, dass die Wahl und die Ergebnisse eine Farce waren. Man hat es achselzuckend hingenommen und ist zur Tagesordnung übergegangen. Anfang 89 beschlossen ein paar mutige Oppositionelle ihr Recht in Anspruch zu nehmen, und das Wahlergebnis zu überprüfen. Dabei stellte sich heraus, dass das Wahlergebnis gefälscht wurde. Der Versuch Strafanzeige zu erstatten gelang nicht, weil es in der DDR den Straftatbestand der Wahlfälschung gar nicht gab. In der Folge davon trafen sich an jedem 7. des Monats ein paar „Unbelehrbare“, um gegen die Wahlfälschung zu demonstrieren. So auch am 7. Oktober, dem 40. Jahrestag der DDR. Aus den Wenigen waren inzwischen hunderte geworden.
Neue Stellenangebote
Teamleitung Social Media (m/w/d) Köhler+Partner GmbH in Buchholz in der Nordheide (Großraum Hamburg) |
||
Social Media Manager & Content Creator (m/w/d) duo schreib & spiel Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Vertriebs KG in Berlin |
||
HR Social Media Manager und Content Creator (m/w/d) freenet AG in Hamburg |
Gorbatschow war in Berlin und hatte Honecker kritisiert. Es entwickelte sich die bekannte Demonstration, die Staatsmacht griff brutal ein. Die Bilder konnte man noch am gleichen Abend im Fernsehn sehen. Jeder konnte begreifen, was die DDR-Führung von Reformen hielt. Im August hatte Ungarn seine Westgrenze für DDR-Bürger geöffnet. Zehntausende nutzten das Loch im Eisernen Vorhang. Die Demonstrationen nahmen zu. In Leipzig riefen Hunderttausend „Wir sind das Volk“. In Berlin demonstrierten am 4. November eine halbe Millionen Menschen. Die Mauer fiel. Plötzlich war der Weg in den Westen frei. Aber immer noch verliesen jeden Tag tausende Menschen die DDR. Der Runde Tisch wurde installiert und im März zum ersten Mal wirklich gewählt. Zum ersten Mal seit 1933!
Um die enorme Ausreisewelle zu stoppen, gab es nur eine Möglichkeit, die D-Mark musste her. Auf einer Kundgebung in Dresden hatten die Menschen zum ersten Mal gerufen: „Kommt die D-Mark nicht zu uns, dann kommen wir zu ihr!“ Die Vereinbarung zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion wurde geschlossen. Wenn man damals die Währung der DDR real umgetauscht hätte, wären mit einem Schlag 15 Millionen DDR-Bürger zu Sozialhilfeempfängern geworden. Selbst ein gut verdienender Ingenieur wäre mit 400 DM nach Hause gegangen. Rentner hätte mit 100 DM auskommen müssen. Der Umtauschkurs von 1:1 war also nicht nur eine politische Entscheidung. In der Folge davon brach allerdings der DDR Außenhandel völlig zusammen. Sodass sogar die deutsche Einheit auf den Oktober vorgezogen werden musste, weil die Novembergehälter nicht mehr hätten gezahlt werden können.
Bis Mitte 89 waren beide deutsche Regierungen von einer langsamen Annäherung der beiden deutschen Staaten ausgegangen. Aber schon die Regierung Modrow hatte von der Bundesregierung 15 Milliarden Soforthilfe gefordert, die Kohl nicht leisten wollte. Außerdem wurde immer deutlicher, dass Gorbatschows Macht in Moskau bröckelte. Wenn man die Einheit Deutschlands tatsächlich erreichen wollte, dann musste schnell gehandelt werden. Man mag von Helmut Kohl halten was man will, aber in dieser Situation hat er Geschick und ewiesen.
Ich war damals Anfang 30, widerständig und politisch interessiert. (Es stimmt also nicht, dass hier nur Leute unter 40 lesen). Auch ich hätte mir gewünscht, dass die Wiedervereinigung Deutschlands anders läuft. Im Rückblick lassen sich natürlich eine Menge Fehler ausmachen. Die Arbeit der Treuhand ist einer davon.
Wie man das Leben in der DDR im Nachhinein verklären kann, bleibt mir trotzdem ein Rätsel. Ich will nur auf einen Punkt eingehen, der immer wieder genannt wird – Kinderbetreuung. Die soll ja in der DDR angeblich vorbildlich gewesen sein. Die Einrichtung von Kindergartenplätzen war keine soziale Errungenschaft der DDR. Sie war eine schlichte Notwendigkeit. Bekanntlich herrschte in der DDR die Plicht zur Arbeit. Man brauchte die Frauen als Arbeitskräfte. Trotzdem hatte niemand das einklagbare Recht auf einen Kindergartenplatz. Ich kenne eine Mutter, die aus politischen Gründen damals keinen Kindergartenplatz bekommen hat. Aber das führt jetzt zu weit.
Ich weiß auch nicht, ob es so erstrebenswert ist, Kinder und Jugendliche vormillitärisch auszubilden, ihren Lebensweg an der politischen Einstellung der Eltern festzumachen oder Duckmäuser zu erziehen. Offensichtlich glauben ja viele, dass es sich bei den „schlimmen“ Berichten immer um Ausnahmen handeln würde. Aber da hat nicht mal jemand einen Fehler gemacht, die Diktatur war System. Da ging es auch nicht um eine wie auch immer geartete Anpassungsleistung. Es sei denn, man war bereit auf elementare Menschenrechte zu verzichten. Was persönliches Glück nicht ausschließt, im Gegenteil. Wir haben uns nicht jeden Tag vor der Stasi gefürchtet, aber sie hat an Stellen gewühlt und zersetzt, an der ich es am wenigsten erwartet hatte. Für mich jedenfalls liegt der größte Fehler, wenn man denn von Fehler sprechen kann, in der Vergesslichkeit der Menschen. Wie kann man jemanden der nachweislich als Rechtsanwalt seinen Mandanten Robert Havemann verraten hat, und das auch noch als juristische Meisterleistung preist, in den Bundestag wählen?
Aber sei’s drum. Gott sei Dank dürfen inzwischen auch Leute wie Gysi oder Lafontaine ihre Meinung sagen, ohne befürchten zu müssen, dafür im Knast zu landen.<<