auf Netzwertig kann man nachlesen, dass Pro 7 das regional strukurierte Usernetzwerk Lokalisten komplett übernommen haben soll (zuvor nur minderheitlich beteiligt). Gemunkelte Übernahmepreis = 25 Mio Euro. Die Lokalisten stehen auf Platz 3 der user generated websites, folgt man der Trafficausweisung von IVW per April 08 (1.234.483.919 PIs und 27.850.799 Visits), nach SchülerVZ und StudiVZ. Gegründet wurde das Unternehmen 2005.
Die anderen großen, deutschen Webseiten der Web 2.0-Ära gehören:
– StudiVZ = Holtzbrinck (eingekauft)
– SchülerVZ = Holtzbrinck (Eigengewächs von Holtzbrinck)
– Wer kennt Wen = RTL (nicht bekannt, ob RTL die Mehrheitsanteile hält, mind. 49% sollen es sein)
– MyVideo = Pro 7 (eingekauft)
– Clipfish = RTL (Eigengewächs von RTL)
– Sevenload = noch kein bekannter Medienkonzern mehrheitlich eingestiegen
– Xing (eigenständig)
Free is death
Das waren soweit die bekannten Web 2.0-Portale. Außer Sevenload und Xing sind alle anderen, o.g. Serviceanbieter nunmehr im oder so gut wie im mehrheitlichen Besitz eines Medienkonzerns. Oder wurden wie im Fall SchülerVZ und Clipfish gleich unter den Fittichen einer finanzstarken Mutter aus dem Boden gestampft. Neben Holtzbrinck und RLT/Pro7 verfolgt Burda ebenfalls eine digitale Strategie, so ist es kein Wunder, dass Burda u.a. auch bei Sevenload investiert hat (neben Anbietern wie DaWanDa und Edelight). Warum das so ist, dass die o.g. Seiten im Besitz eines Medienkonzerns einen Exit gesucht und gefunden haben? Sie waren und sind unterfinanziert. Sie haben und sie setzen auf ein Modell, das dem User alles kostenlos anbietet. Wollen sich über Werbung finanzieren, laufen damit in die Werbefalle. Ökonomisch gesehen ohne Zufuhr von externen Finanzmitteln wären sie schlichtweg pleite. Sie haben falsch geplant könnte man sagen. Schauen wir uns das nun in Ruhe an. Warum diese Free-Strategie, warum die Ausrichtung auf Werbung als Einnahmemodell? Warum nicht andere Ansätze?
USA als Vorbildmarkt, wer spielt allein, wer nicht
Wie sieht es in den USA aus? Nahezu alle großen Web 2.0-Seiten gehören mittlerweile einem bekanten Konzern. YouTube gehört Google, MySpace und Photobucket gehören der NewsCorporation, Last.fm gehört CBS, Flickr gehört Yahoo. Nahezu? Stimmt nicht. Nur die größten Services gehören einem Dickschiff? Nicht nur. So sind Digg.com, Facebook, LinkedIn und Woot nach wie vor eigenständig. Doch auch da hört man, dass der Exit immer eine Option war, sich wohl aber kein Käufer bisher mit einem passenden Angebot gefunden hat.
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Craigslist, +80 Mio USD
So ist ein Exit nicht unbedingt immer die zwingende Option, die jedem Startup droht. Man muss ja auch nicht verkaufen. Wenn Cash aus dem Service heraus reinkommt, kann man uU ganz gut auch ohne dicke Mama entspannt überleben und sich entwickeln. Craig Newmark hatte Craigslist 1995 gegründet und heute ist die Seite die dominierende Kleinanzeigenplattform im US-Netz. Schätzungen zu Folge generiert Craigslist pro Monat rund 9 Mrd Seitenaufrufe, 30 Mio. Kleinanzeigen und wird dieses Jahr angeblich 80 Mio USD Umsatz machen (letztes Jahr sollen es 55 Mio USD gewesen sein). Mit 25 Angestellten! Wobei Craig nur sehr vorsichtig monetarisiert und bei Weitem nicht für alle Kleinanzeigenbereiche und Lokationen (Regionalprinzip ist tragendes Element der Seite) Gebühren erhebt. Craig hatte schon mehrfach schwindelerregende Angebote ausgeschlagen (die Branche schätzt seinen Wert auf 0,5-1 Mrd USD).
Xing, +20 Mio Euro
Ein ähnliches Bild ergbibt sich bei Xing, die erst letztens ihren neuesten Quartalsbericht veröffentlicht hatten. 7,5 Mio Euro Umsatz wurden im ersten Quartal 08 generiert. Der Großteil resultiert aus den Gebühren der Premiummitglieder (5,9 Mio). Der kleinste Teil aus Werbeeinnahmen (0,5 Mio Euro). Und rund 1 Mio Euro stammen aus „e-Commerce“, was aber im Grunde genommen Kleinanzeigen („Marketplace“) entspricht. So resultieren also rund 2/8 der Umsätze aus werblichen und rund 6/8 aus nicht werblichen Maßnahmen. Ist es Zufall oder steckt mehr dahinter, dass ausgerechnet das mit Abstand renommierteste und finanziell erfolgreichste Web-Startup aus der deutschen Web-2.0 Ära nicht auf einem Werbemodell beruht?
Woot.com, +40 Mio USD
Zurück in die USA: Ähnlich sieht es bei Woot.com aus, die aus eigener Kraft wachsen (Amazon hat jedoch letztens 4 Mio USD investiert). Woot ist eine pure Umsatzmaschine, die aus dem Handel mit Waren naturgemäß kaum werbliche Umsatzanteile verzeichnen (ich weiß nicht, ob die noch AdSense einsetzen). Ihr Gesamtprodukt ist extrem gut aufgestellt. Die Kommunikation, das Einkaufserlebnis, der Kaufprozess als solcher, die Güter, und und und. Zufall, dass Werbung als Einnahmemodell und Free keine Rolle spielen? Woot ist mit Abstand das finanziell erfolgreichste eCommerce-Unternehmen der letzten 2.0-Jahre.
Und die jungen Werbeeinnahmen-Kings: Es gibt keine!
Ich bin mir sicher, wenn man weitere Webunternehmen analysieren würde, dass insbesondere diejenigen weiterhin selbständig fahren, die von Beginn an mit einem klaren Einnahmemodell unabhängig von Werbeeinnahmen fahren. All diejenigen, die auf das Umsatzpferdchen Werbung setzen, müssen sich zu Recht fragen, wie sie ohne eine finanzstarke Mutter die nächsten 1-3 Jahre überleben wollen, wenn denn die User hohe Betriebskosten verursachen. Und auf der Gegenseite werbliche Umsatzstrategien keine schnellen Euro versprechen. Zumal Werbung im Internet noch lange nicht da steht, vergleicht man es mit den Einnahmen im TV- und Print-Markt.
Werbung als Derivat für ein gutes Produkt?
Es ist ohnehin fraglich, warum man sein Kerngeschäft darauf aufbaut, von Werbeeinnahmen leben zu wollen. Ganz so, als würde nicht das eigentliche Produkt im Vordergrund stehen, das der User tagtäglich anfassen bzw. nutzen kann, sondern auf einer Vermittlungsleistung. Die Unternehmen und Zielkunden zusammenbringt. Das ist Werbung. Das ist im Kern eben eine Vermittlung. Ein indirektes Geschäft. Hat aber mit dem direkten Geschäft nichts zu tun. Das Produkt ist lediglich das Vehikel. Strange, oder? Wir brauchen uns nun nicht den TV- oder Printmarkt anschauen, der wird von einer anderen Wirtschaftsgeschichte getragen. Das Internet kann jedoch auf einen langen, etablierten Weg nicht zurückblicken. Es ist ein anderes Segment, wenn man so will. Wo Werbung natürlich eine Rolle spielt. Aber entscheidend ist und bleibt das Produkt. Werbung ist aber kein Produkt, ach…
Ohne Werbung entspanntes Wirtschaften
Offensichtlich haben Craigslist, Xing und Woot ein Produkt, das dem Kunden etwas Wert ist. Wären die drei jemals so stark geworden, wenn sie von vornherein nur auf die Karte Werbung gesetzt hätten? Das Kernprodukt als reines Vehikel für eine werbliche Vermittlungsleistung? Ich glaube kaum. Und ich bin sicher, dass die mittlerweile nicht mehr eigenständig wären. Und betrachtet man ihre immer noch recht junge Geschichte, haben sie Stück für Stück am Produkt gearbeitet, um es zu verbessern und zu veredeln. Betrachtet man jedoch andere Web-Unternehmungen in D – insbesondere Social Networks wie StudiVZ-, so könnte man fast meinen, es ginge immer nur um das Verbessern der vermittelnden Leistungen für Werbekunden, nicht aber um das Verbessern und Aufwerten des Kernprodukts. Mag das verwundern, wenn Unternehmen wie Burda, Holtzbrinck, Pro7 und RTL in diesen Angeboten eine Verlängerung ihres Käufermarkts sehen?
VCs als Treiber falscher Strategien
Oben steht „Premium, Freemium, Free…“. Kommen wir zum eigentlichen Thema. Free scheint bei vielen Startups eine bevorzugte Strategie zu sein. Free wird mit Wachstum gleichgesetzt. Alle Produkte und Produktbestandteile können von den Usern kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Hoffnung ist, dass man über geringe Eintrittshürden ein schnelles Wachstum hinlegt. Was auch der Konkurrenz geschuldet ist. Die Angst ist, dass man durch Premiummodelle langsamer als die Konkurrenz wächst und demnach letztlich aus dem Markt gedrängt wird. So bleibt dann nur noch das Werbemodell als indirektes Einnahmemodell, ist ja klar. Diese Strategie ist jedoch die denkbar schlechteste Alternative. Es ist eine Alles-oder-Nichts Strategie. Und man muss ganz klar an dieser Stelle den Investoren -allen voran den VCs- einen Vorwurf machen, die untereinander die Startups ausspielen und dieser künstlichen Wachstumsstrategie Vorschub leisten. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein VCler sein Kapital nicht nach 10 Jahren verzinst sehen möchte. Er muss -insb. wenn er das Geld von anderen verwaltet- für kurzfristige Renditen sorgen. So ist ein toller Exit die beste und lukrativste Alternative. Da wir uns zur Zeit nach wie vor in einer Umbruchphase befinden, in der sich finanzstarke Unternehmen Gedanken um ihre digitale Zukunft machen, stehen folgerichtig hin und wieder auch Abnehmer zur Verfügung, um ein Startup aufzukaufen. Das freut den VC. In nahezu allen Verkaufgesprächen steht nicht das Kernprodukt im Vordergrund, sondern der User als Empfänger werblicher Vermittlungsleistungen. Das freut den Abnehmer.
Die Käufer von Free-Startups
Aber wissen denn die Käufer dieser künstlich aufgeblähten Startups ohne eigentliches Geschäftsmodell nicht, dass das mit der Werbung nicht so einfach ist? Doch, schon. Aber? Na ja, man muss nicht immer denken, dass finanzstarke Unternehmen zwingendermaßen rein rational agieren. Ein zunehmender Teil der Gedanken kreist um die Zukunft ihres Geschäfts. Wenn Studien besagen, dass junge Kunden das Netz verstärkt nutzen und damit nun gar das eigene Geschäft bedroht wird, so sieht man frühen Handlungsbedarf. Und so erklärt es sich auch, dass sich ein TV-Sender ein Social Network wie die Lokalisten oder Wer-kennt-Wen einverleibt. Obwohl sich TV und Social Networks so wie das Herstellen von Wurst und das Verkaufen von Reisen zueinander verhalten. Die Käufer wissen eben nicht, wie sich der Werbemarkt in 5 Jahren verhalten wird. Sie wissen eben nicht, ob die User der Plattform X auf ewig die Treue schwören werden. Sie wissen im Grunde genommen wenig. Sie hoffen. So sind auch Kaufsummen iHv 25 Mio Euro nichts anderes als Wetten. Sie basieren auf keinen Umsatzzahlen des Startups. Sie basieren auf dem Gedanken, dass sich Märkte verändern und möglicherweise damit das eigene Geschäft.
Schnelles Wachstum als garant für hohen Exit?
Was hat das aber nun mit dem Startup selbst zu tun? Solange es sich sorgende Unternehmen wie Pro7 gibt, solange Gründer dem schnellen Wachstum hinterherjagen, solange es VCler gibt, die dieses Umfeld zu nutzen verstehen, werden Freemium- und Premium-Modelle eine Strategie zweiter Wahl sein. Gründer werden zwar selten mit augenscheinlich hohen Summen abgespeist und diese extrem seltenen Fälle gelten dann gar als Vorbild. Vorbild für ein mathematisch gesehen unwahrscheinliches Ereignis? Hoher Exit als Ziel? Hirnriss, oder? StudiVZ hat die gesamte VC-Szene in D aufgerüttelt, ebenso die angehenden Gründer. Es hatte Signalwirkung auf die gesamte Szene. Das ist kein Zufall. Man sprach von 120 Mio Euro, 80 Mio, 50 Mio, egal, es ging um viel Geld. Das ist doch ein Vorbild. Ja, sicher. Ist Spielen von Lotto ein Vorbild für Unternehmen? Aber die hohen Summen? Ich sage bewusst, dass Gründer abgespeist werden. Von allen Alternativen erscheint ein schneller Exit als unklug. Ökonomisch gesehen. Moment, ist nicht der Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach? Kommt auf die Risikostruktur des Gründers an. Wenn er nicht wirklich an sein Baby glaubt und womöglich nur dem schnellen Geld nachjagt, ist ein schneller Exit in der Tat eine geeignete Vorgehensweise. Ein Risk-Taker denkt anders als ein risikoaverser, geldgeiler Gründer. Und ein schneller Exit mit viel Geld ist nicht der Spatz in der Hand, sondern die Taube auf Alpha Centauri, vier Lichtjahre entfernt, das ist die Realität. Kein Mensch mit gesundem Verstand baut ein Unternehmen nach einer Exit-Strategie auf. Zocker machen das, nicht Unternehmer. Und es gibt Phasen, wo die Eintrittswahrscheinlichkeit zum Zocken etwas höher scheint, doch die Phase ist dann ebenso schnell wieder weg wie sie kam. Niemand baut auf solche kurzen Extremphasen. Und eines gilt es auch zu bedenken: Wie oft kommt es vor, dass ein Webunternehmen ein schnelles Wachstum hinlegt? Fragen wir lieber, wie selten dieses Ereignis ist. Blitzschlag wahrscheinlicher?
Für Gründer ist ein schneller Exit eine toller Weg zum verschwendeten Reichtum
Nehmen wir Ehsan und Bemmann von StudiVZ, die beiden Gründer. Gut, einer war mittellos und ist nun wie der andere auch Multimillionär. Aber müssen sich die Gründer nicht ebenso wie die von Flickr fragen, wie viel man eigentlich verschenkt hat? Flickr hat zu früh verkauft, das ist heute klar. Statt gemunkelten 40 Mio USD (von Yahoo), hätte man wohl das Zehnfache haben können heute. Hätte, wenn und aber. Klar. Doch die Frage ist: Wie würde StudiVZ heute aussehen, wenn Ehssan und Bemmann nicht den schnellen Euro gesucht hätten? Was wäre passiert, wenn man auf Freemium- und Premium-Modelle gesetzt hätte? Statt auf Free und brutales Wachstum? Wäre aus dem Cash Flow heraus ein gesunderes Unternehmen entstanden, das keine schnelle und rettende Finanzierung seitens Holtzbrinck bedurft hätte? Theoretisch? Wieso? Xing ist wie StudiVZ ein Social Network und hat von Beginn an, vom ersten Tag an, Mitgliedern die Möglichkeit geboten, ein höherwertigeres Produkt gegen ein Entgelt zu nutzen. Nicht zu vergessen: Ein Produkt, das nichts kostet, muss nicht höherwertig erscheinen, nur weil sich das viele User tummeln. Aber das ist ein Punkt, den es jetzt nicht zu besprechen gilt. Wo steht Xing heute und was ist es wert? Wäre Lars genauso unerfahren wie Ehssan vorgegangen, hätte er auf ein werbliches Modell gesetzt, wäre er demnach auch mit einer sechsstelligen Summe abgespeist worden? Und wo steht Lars jetzt, wo Ehssan/Bemmann? Lars betreibt ein glänzendes Unternehmen, das ein Vielfaches gegenüber StudiVZ wert ist.
Ausrichtung des Geschäftsalltags am Produkt
Warum? Wir reden nicht davon, dass es Holtzbrinck eines Tages gelingen mag, mit werblichen Einnahmen einen positiven Cash Flow zu verzeichnen. Wir reden vom Gründer. Wir reden davon, wie immens wichtig eine Strategie ist, die nicht auf künstliches Wachstum aus ist. Die nicht alles kostenlos hergibt, nur um nach lumpigen Werbedollars grabschen zu müssen. Sobald die Strategie lautet, direkt und unmittelbar am Kunden zu verdienen, wird das Produkt aber auch jede Entscheidung danach ausgerichtet. Jeden Euro, der stetig reinkommt, kann man reinvestieren, was nicht, kann man nicht ausgeben. Man muss das Produkt nicht verbiegen, um eine werbliche Vermittlungsleistung vorzuschalten. Man muss nicht auf Teufel komm heraus wachsen, nur um eine bröckelnde Aktivitätsquote bekämpfen zu müssen. Das Produkt wächst ökonomisch und richtet sich am User aus, aber nicht an der Werbeindustrie. Und ich verwette meinen Hintern, dass dann ein optionaler Exit weitaus mehr einbringt, als ein schneller Exit.
Hopp oder Top?
Ich bin der Meinung, dass ein schnelles Wachstum und die daraus folgende Free-Strategie überhaupt keine Notwendigkeit sind. Man muss sich nicht auf den Wahnsinn einlassen, entweder die No.1 zu werden oder unterzugehen. Die Chance zu Bestehen ist hierbei viel geringer, als kaufmännisch zu agieren. Das klingt banal, wird aber angesichts winkender Millionendeals zu schnell vergessen. Die zudem die super seltene Ausnahme sind. Und das Money, was man als Gründer in diesem seltenen Fall einnimmt, beinhaltet auch noch verschenktes Geld und das nicht zu knapp.
Wirtschaften gegen Verbrennen
Schön und gut, kann man nun sagen, was aber, wenn der Gründer einfach nicht genug Finanzmittel hat, die lange Durststrecke zu überstehen? Free und Wachstum sind doch allemal besser als ein langsamer Tod. Moment, ein Web-Unternehmen zu gründen, heißt genauso wirtschaften zu müssen wie bei jeder anderen Unternehmung auch. Wer sich aber 10 Programmierer, 10 PRler und 10 Designer in einem teuren Büro leistet, muss wissen, was er tut. Obwohl er keinen Cent verdient. Laut Plan und fremdinvestierten Mitteln reicht das idR aus, um ungefähr 1 Jahr zu bestehen, um die Kosten decken zu können. Das ist kein Joke, gelebte Praxis. Wahnsinn, reiner Wahnsinn. Ich kenne so gut wie keinen Selbständigen, der sein Unternehmen danach aufbaut, nach einem Jahr illiquide zu sein, wenn man nicht im grünen Bereich ist. Wer das aber tut und feststellen muss, dass das schnelle Geld alle ist, was man von einem VC bekommen hat, ist zurecht pleite. Da habe ich weder Verständnis noch Mitleid. Aus Erfahrung wird man klug. Nochmals, es gibt keine Notwendigkeit, schnell wachsen zu müssen. Schnell bedeutet rein gar nichts. Nur weil man von StudiVZ und YouTube gehört hat, sind das noch lange keine Beispiele für exemplarisches Wirtschaften. Das sind lediglich Beispiele von Kamikaze. Genauso gut kann man sein Haus verpfänden und die Kohle im Casino auf eine Zahl beim Roulette setzen. Nur weil man weiß, dass andere auch was auf dem eigenen Gebiet machen, ist das ebenso wenig Grund zur abstrusen Eile, gespeist aus Fremdmitteln.
Reguliertes Wachstum gegen künstliches Wachstum
Das einzige Ziel kann nur sein, dass man die Kosten aus der Einnahmenseite speist und überschüssige Einnahmen reinvestiert. Benötigt man Fremdmittel, um kurzfristige Kapitalunterdeckungen zu überbücken, muss ebenso klar sein, wie lange man benötigt, um sich wieder selbst tragen zu können. Ist das unklar, braucht man erst gar keine Fremdmittel aufzunehmen. Je werbelastiger und je mehr „free“ so ein Geschäftsmodell ist, umso tödlicher ist das eigene Vorhaben. Advertisement is not an option! Kleine Unternehmen backen kleine Brötchen, große Unternehmen backen große Brötchen, nicht umgekehrt. Man hat zu schnell zu viele User und kann die Infrastruktur nicht bezahlen? Kein Mensch auf Erden hindert den Unternehmer daran, den Kundenzustrom zu regulieren und künstlich zu hemmen. Bis die Cash-Situation wieder so ist, dass man sich weitere Kunden leisten kann. Dazu muss man aber seine Kostenstruktur kennen. Es gibt so gut wie keine glatten Kostenverläufe. Jeder einigermaßen begabte Controller kann Kostenverläufe projizieren. An welchen Stellen hakt es, wann muss man langsamer machen, wann kann man aufdrehen, wann muss man Fremdmittel an Bord nehmen, wie hoch darf die FK-Quote sein, wie sehen die Barbestände aus. Was die Web-Konkurrenz mit ihrem Free-Wachstumsmodell macht? Die pulvern und pulvern Kohle raus, um Kunden zu akquirieren. Na und? Ist das gesund? Ist das ein Beispiel? Lass sie ihre Geld verbrennen, sie werden so oder so verlieren. Über kurz oder lang. Wenn sie doch mal einen Käufer finden sollten, ab dafür, its a new game. Aber nich jetzt. Was zählt, ist einzig und allein ein exzellentes Produkt, das besser als die Konkurrenz sein muss. Was zählt, sind zufriedende User. Ohne zufriedene User kein tragbares Premium/Freemium-Modell. Scheiß auf den schnellen Exit, das ist was für Gamer, die man im Casino findet.
Premium/Freemium auf Teufel komm heraus?
Das sagt sich so leicht, dass man seine 1.000 User versilbern soll. Wo bittschön soll man denn ansetzen? Man kann doch nicht einfach so irgendwelche Gebühren für irgendwelche Funktionen verlangen? Doch, das geht durchaus, man muss es nur wollen und keine Angst haben, selbstbewußt hinter den Mehrwerten seines Produkts zu stehen. Die Ansatzpunkte muss man zwingend vorher und auch immer wieder währenddessen prüfen. Was aber, wenn man partout auf keine Idee kommt, die User wollen nicht, irgendwie klappt es überhaupt nicht? Hey, wenn ein Kaufmann seine Waren nicht los wird, muss er eben aufhören. Das ist seit Jahrtausenden nix Neues. Findet man keinen Ansatz oder aber die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, weil nicht genug Kunden kaufen, dann war es eben nix. Die Welt geht nicht unter, wenn man sich verkalkuliert hat und am Ende die Kosten die Einnahmen dauerhaft überstiegen haben. Es aber nicht zu probieren und sich nur von vornherein auf Werbung zu verlassen, ist auf Dauer tödlich. Die Chance ist hoch, dass man die gewünschten Trafficniveaus niemals erreichen wird, geschweige denn, dass die Personalkosten und die Infrastrukturkosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Traffic und den daraus resultierenden Werbeeinahmen zueinander stehen, sollte man tatsächlich hohe Trafficniveaus erreichen. Siehe Xing und die Werbeeinnahmen. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass Xing in der erforderlichen Produktionsqualität seine Kostenstruktur zu jedwedem Zeitpunkt hätte deckeln können.
Welchen Vorteil hat es, auf Teufel komm heraus über Einnahmen nachzudenken?
Sorry, dass es so strange klingt, um sich über Einnahmen den Kopf machen zu müssen, was man ja eigentlich immer tun müsste. Aber willkommen im Netz. Es ist nicht immer normal:) Sobald man von der allerersten Sekunde an seine Webseite „malt und plant“, ist es ein gigantischer Unterschied, ob man Einnahmequellen sieht und darüber nachdenkt, diese verdammt zeitnah umzusetzen und eben nicht auf die rettende Mami Holtzbrinck wartet. Statt ohne unmittelbare Einnahmequellen im Vorfeld zu planen, die eben nicht mit Werbung zusammenhängen. Bei vielen Gründern kommt das Thema im Businessplan irgendwann, ihr ahnt es, im Jahr +2/3, wenn man auf Trafficlevels angekommen sein will, die abartig sind. Und Einnahmemodell? Werbung. Werbung ist eine Ausrede dafür, dass einem nix dazu einfällt, was das Produkt im Grunde genommen wert ist. Wie gut das Produkt die Bedürfnisse der Kunden abdeckt. Es ist wie eine Flucht vor der Lösung. Sorry to say this.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie der menschliche Planungsgeist dann nachlässig wird, sobald alles for free ist. Jede Funktion, jedes Feature, alles was einem einfällt, wird damit nicht mehr oder kaum messbar. Hautpsache reinklatschen, wenn das die Ressourcen und der ungefähre Masterplan zulassen. Man kann dann aber die Frage nicht mehr einfach so beantworten: „Was ist es dem Kunden wert?„. Repeat: „Was ist dem Kunden diese Funktion wert?„. Wer die Frage wortwörtlich stellen und später beantworten kann, ist dem Wettbewerber um Lichtjahre voraus! Wer das im eigenen Geldbeutel messen kann, ist jedem Trafficcontroller um Längen voraus, da er ahnt und lernt, worauf es dem Kunden wirklich ankommt, nicht nur, wo der Kunde gerne aus Langeweile herumklickert. Der Kunde fällt das Urteil, es ist nur sein Amen, nicht das irgendeines Bannervermarkters, der keinen blassen Schimmer von Deinem Werk hat.
So bekommt jedes Wunsch-Feature bei einem Non-Free Gedankenmodell im Team und in den gemeinsamen, langen Nächten eine wesentlich überragendere Bedeutung als zuvor. Features sind nicht mehr beliebig! Es zählt nicht mehr, weil man’s schnell programmieren kann (prinzipielles Standardvorgehen mit bisserl yada-yada drumherum), sondern ob es dem Kunden wirklich was bringt, so dass die Konversionsrate der zahlenden Kunden unter dem Strich steigt und die nicht zahlenden Kunden eben nicht mehr nur zu einer Trafficmasse verschwimmen. Es ist ein himmelweiter Unterschied, wenn man sich über den neuen, rosa Button unterhält und fragt, ob der Kunde den nun süß findet oder ob man damit 10 Cent pro Kunde mehr einnehmen kann. Die Planungen werden schärfer, wenn es an den eigenen Geldbeutel auf der Habenseite geht! Wer über Nichts spricht, der empfindet auch nur ein bisserl mehr als Nichts. Wer sich aber über +10.000 Euro monatliche Mehreinnahmen durch etwaige Anpassungsmaßnahmen unterhält, der wird wie eine Löwenmama gefährlich knurren, sollte was geschludert dahingedacht sein. Die Tests werden sauberer, man wird geschlossene Testgruppen einführen, man wird auf einmal ausführliche Reportings einführen. Für wen das alles? Nur der wird Kunde, wenn sich das Denken nur noch auf ihn fokussiert und hoffentlich in Produktverbesserungen widerspiegelt. Damit er besser seine Needs abdecken kann. Es geht nicht mehr um einen Klick mehr, sondern um einen Klick weniger. Alles dreht sich nicht mehr um Traffic, sondern um den Kunden.
Free is still dead
Free ist die denkbar beste Alternative in Kombination mit VC-Geld, um sein Projekt zu Grabe zu tragen. Alles Tun und Trachten muss sich daran unterordnen, wirtschaftlich zu agieren, ein exorbitant geiles Produkt auf die Beine zu stellen, so schnell wir nur möglich positive Cash Flows zu geniereren. Alles andere ist tödlich, vor allen Dingen für die jungen und unerfahrenen Gründer. Die wenigen Exits sind ein Trugschluss. Free is death!