Thomas Thiel macht sich in der FAZ Gedanken zur re:publica und dem was dort besprochen wurde und wie es nun weitergeht:
Sollte die Berichterstattung binnen fünf bis zehn Jahren tatsächlich von alternativen Medien, etwa dem Bloggen und dem Onlinejournalismus, getragen werden müssen, wäre viel Arbeit zu leisten. Die Podiumsdiskussion reduzierte den Begriff des Journalismus auf den der Informations- und Nachrichtenübermittlung. Analyse, Reportage oder Essay sind Fremdgattungen in einem Diskurskosmos, der seinen Kurs ständig mit den neuesten technischen Fortentwicklungen abzugleichen hat und daher keine Zeit zu inhaltlicher Beschäftigung findet. Die Frage, welcher der Tagenden eine eigenständige Vorstellung einer wünschenswerten Zukunft entwickelt hatte, die sich nicht in der Anpassung an das erschöpft, was die Kommunikationsindustrie auf den Markt spült, wollte man da lieber nicht stellen.
Wie denkt ein Marketier? Aus Sicht des Marketings. Wie denkt ein Ingenieur? Aus Sicht des Ingenieurs. Und wie denkt ein Journalist? Aus Sicht des Journalisten. Jeder ernährt sich in seiner Vorstellungswelt aus seinem Dunstkreis an Erfahrungen und Eindrücken heraus. Wie sollte dieses Filtern auch anders funktionieren? Noch verfügt unser Brain bzw. die meisten Brains nicht über austauschbare Filter, um Dinge anders zu denken. Man kann aus seinem Körper nicht heraus:) Das, was Thomas skiziert, ist doch eh schon längst eingetreten. Menschen tauschen sich auf allen Eben über alles Mögliche im Internet aus mittlerweile. Es gibt Informationsseiten über Preise, Billigprodukte, Politiker, Autos und was weiß ich. Es gibt Seiten, auf denen man sich explizit vernetzen kann. Es gibt Seiten, auf denen man den persönlichen Worten in einem sehr persönlichen Umfeld lauschen kann. Es gibt Seiten, auf denen man direkt miteinander kommunizieren kann. Es gibt Seiten, auf denen man Wissen anzapfen kann. Es gibt Seiten, auf denen man nahezu alles finden kann, was man sucht. Und es gibt sowas wie die FAZ, die filtern und berichten.
Es mag also gut sein, dass die Rolle der Gatekeeper weiterhin eine ist, um den Menschen ein wenig Halt zu geben, sich orientieren zu können, was gerade überregional draußen in der Welt los ist. Ist doch wunderbar, warum sollte jemand wollen, dass man diese Funktion „abschaltet“? Dazu gehört es nicht unbedingt, dass die Gatekeeper neutral sind. In Russland wollen die Menschen sehen, wie wichtig und groß Russland wieder geworden ist. So what? Das wird sich eines Tages ändern, dann werde andere Orientierungsausrichtungen gefunden, wenn man die Schnauze vom Großrussland voll hat und alles in seinen normalen Bahnen verläuft. Gatekeeper können nur auf großer Ebene aggregieren und filtern.
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Das ist aber nur ein Teil dessen, was das Menschsein ausmacht. Das tägliche Miteinander besteht doch aber nicht nur aus den Großmeldungen, dass irgendeine Vorstandfuzzi Steuern hinterzogen hat und die USA sich mit Russland hinsichtlich des Kalten Krieges einig sind (was ja nicht gerade unwichtig ist). Das tägliche Miteinander besteht in dem, was uns gerade mal eben juckt, so banal das auch einem Großmeldungsproduzenten erscheinen mag. Es ist mir doch völlig scheißegal, dass sich eben nicht 20 Millionen Menschen für Twitter und dessen Auswirkungen interessieren oder aber mir der Kinofilm xyz gefallen hat, also über das, was ich so tagtäglich schreibe. Ich und viele andere decken das ab, was man als zwischenmenschliche Kommunikation bezeichnet. Eine ungleich größere und großartigere Dimension, die Unternehmen wie FAZ nicht mal annähernd erreichen können. Ihre Rolle in der Gesellschaft ist eine andere. Das ist weder besser noch schlechter, es ist einfach nur eine Rolle.
Das ist aber auch zugleich der Punkt, der Journalisten so ungemein schwer fällt sich vorzustellen, dass Menschen miteinander über das Netz zunehmend immer intensiver in Kontakt treten, auch über Blogs und was weiß ich was noch, dabei die Rolle des Erschaffers von großen Öffentlichkeiten nicht mal ansatzweise wichtig ist oder überhaupt wichtig sein müsste, wenn ich oder andere schreiben, kommentieren, lesen, in der Rolle als ganz einfacher Mensch. Ein Journalist denkt wie ein Journalist, sagte ich doch oben. Und hat Schwierigkeiten zu erkennen, dass sich ein Teil des menschlichen Sozialsystems mit allen Für und Wider ins Netz verlagert. Wie verkauft man nun aber eine Story dem Chefredakteur, dass dieses gänzlich unscheinbare Netz-Miteinander gigantisch und großartig zugleich ist? Gar nicht, solange man als einfacher Journalist tickt, der seinen Teller nicht verlassen kann.
Das Miteinander im Kleinsten ist sowas von langweilig, weil die banalen Gespräche so langweilig erscheinen, dass man versucht ist, andere Maßstäbe anzulegen, nämlich die aus seiner eigenen Welt der Medien. Doch da kommt man mit seinen Aggregations- und Filterfunktionen nicht wirklich weiter, wenn man diese im Netz agierenden Menschen mit Maßstäben beikommen will, die für Unternehmen und großpolitische Wetterlagen unabdingbar sind. Wie fasst man in einem Satz das Miteinander zusammen? Ich habe weder einen Brand, eine Message, ein Produkt, noch haben es alle anderen. Wir sind Individuen. Nix, was man in einem Satz greifen kann. Pech.
Zugegeben, es fällt schwer, sich einen Haufen von 1,3 Milliarden Netzknotenpunkten vorzustellen, wo wahnsinnig viele Beobachter sind, wenige sich mitteilen und dennoch das Menschsein einfach so ohne Gatekeeper voranschreitet und dann daraus die langfristigen Auswirkungen abzuleiten.
Wir haben damit vor 4-6 Mio Jahren angefangen, wir machen es heute und werden es morgen so machen. Miteinander schnackeln. Nur mehr und schneller und intensiver und informativer. Wie verkauft man nun so eine Story? „Die wollen“ was? Gar nix. „Die“ wollen nur Mensch sein. Man kann das geringschätzen, man kann sich ob der Nutzung von so fremdartigen Tools wie Twitter wundern und drüber motzen. Man kann sich darüber mokieren, dass sich Einige den Kopf machen, was da im Grunde genommen passiert und wo es hingeht. Dass man sich auf Konferenzen trifft und darüber nachdenkt, so abwegig das auch erscheinen mag, worüber man da spricht. Auch auf solchen Konferenzen wird die Zukunft mitgestaltet, ob das eine FAZ nun will oder nicht.
Ich brauche auch keine FAZ oder andere Organe mehr, um mir sagen zu lassen, dass ich wichtig, unwichtig, unbedeutend oder bedeutend bin, ohne „Eure“ Rolle abwerten zu wollen. Ja doch, ich weiß, dass es da draußen noch genügend Menschen gibt, die von Euch eine Orientierung in diesem täglichen Wust aus Geschehnissen erwarten. Dazu gehört, dass manche wissen wollen, ob zB Blogs wichtig sind. Sie sind wichtiger als alle Zeitungen dieser Erde zusammen, wenn ich als Blogger und Mensch antworten müsste. Dass die Menschheit übers Netz zusammenfindet, ist nicht gerade etwas, was man als klein bezeichnen sollte. Mit einenm anderen Maßstab gemessen ist jedes Blog für sich unendlich klein. Maßstab? Ich erzähl was von Maßstäben, gerne.
Ich bin ein einziges Teil einer Summe, die dermaßen groß ist, dass die FAZ wiederum nur als ein einziges Teil dieser Summe erscheint. Wenn man so will, sind die FAZ und ich (stellvertretend für die anderen Netzuser) genauso wichtig und bedeutend. Ich weiß, das fällt schwer, sich vorzustellen, aber rundet mal eine 0,000001 und eine 0,00000001 auf, da kommt nahezu das Gleiche raus:) Und wie soll ich nun der FAZ schonend beibringen, dass das, was sie täglich schreibt, mir nicht wichtiger ist, als Blogger, Chatter, Twitterer, Forenuser und Social Networker absondern? Du gehörst ebenso dazu wie ich und die anderen. Live with it und willkommen im Jetzt. Die Frage also
…, welcher der Tagenden eine eigenständige Vorstellung einer wünschenswerten Zukunft entwickelt hatte, die sich nicht in der Anpassung an das erschöpft, was die Kommunikationsindustrie auf den Markt spült, wollte man da lieber nicht stellen.
ist doch schon längst ohne Definierer und Vortuner beantwortet. Man siehts halt nicht so einfach in diesem täglichen und milliardenfachen Miteinander, weil wir nicht sehen, was daraus wird. Alles wird jedoch gut, obwohl wir es noch mindestens tausend Male durchkauen werden:)