Viele Journalisten in den etablierten Medien erwecken in der aktuellen Qualitätsdebatte den Eindruck, nur sie hätten den heiligen Gral der Wahrheit in ihrem Besitz. Doch tatsächlich wird auch in den vermeintlichen Qualitätsmedien schlampig gearbeitet und Faktenfehler werden nicht korrigiert, wie ein Beispiel aus dem Deutschlandradio zeigt.
Vor zwei Jahren geriet die Wikipedia in die Kritik des US-Journalisten John Seigenthaler. Ein zunächst nicht zu identifizierender Benutzer hatte den Eintrag des Online-Lexikons über Seigenthaler bearbeitet und dessen Biografie mit frei erfundenen Details angereichert. Seigenthaler entdeckte dies und berichtete in einem Artikel für USA Today darüber. Viele andere Medien griffen den Fall auf, so auch das Deutschlandradio mit einem Beitrag des Journalisten Jörg Schieb.
Der Beitrag enthält mehrere Faktenfehler. Zunächst ist der Name Seigenthalers durchgängig falsch geschrieben. Außerdem geht es um die Reaktion der Wikipedia auf den Fehler: Anonyme Benutzer dürfen seit dem Vorfall keine neuen Artikel mehr anlegen. In Schiebs Beitrag jedoch heißt es jedoch zusätzlich, anonyme Benutzer dürften auch keine schon bestehenden Artikel mehr bearbeiten – doch das ist falsch.
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Im Deutschlandradio-Beitrag über die Fehler in der Wikipedia waren also selbst ein paar Fehler – wenn auch keine schwerwiegenden Verleumdungen wie im Fall Seigenthaler – aber doch immerhin ein paar eindeutige Faktenfehler, die den Ansprüchen eines Qualitätsmediums nicht genügen. Im Beitrag von Jörg Schieb hieß es nun:
Das Problem ist nur: Schreibt jemand Unsinn ins Wikipedia-Lexikon, ist das auch gleich öffentlich verfügbar gemachtes Wissen. Schlägt jemand bei Wikipedia nach und verlässt sich auf die dort angebotenen Informationen, kann das ganz schön ärgerlich werden. Früher oder später wird ein anderer fachkundiger Wikipedianer den Fehler wahrscheinlich finden – und hoffentlich korrigieren. Die Frage ist nur: Wann? So manche Falschinformation ist tage-, wenn nicht wochenlang bei Wikipedia online.
Das Problem ist nun: Wenn Jörg Schieb Unsinn via Deutschlandradio versendet, ist das auch gleich öffentlich verfügbar gemachtes Wissen. Denn schlägt nun jemand auf der Internet-Präsenz des Deutschlandradio nach und verlässt sich auf die dort angebotenen Informationen, kann das ganz schön ärgerlich werden. Früher oder später wird ein fachkundiger Zuhörer oder Mitleser den Fehler wahrscheinlich finden – und dann merken, dass es beim Deutschlandradio keinen „Edit“-Button gibt, wo man den Fehler korrigieren kann.
Die Frage ist nur: Wie schnell kann das Deutschlandradio Fehler korrigieren? In einer Debatte um diesen Fehler in einem Blog schrieb Jörg Schieb: „Werde die Redaktion mal informieren, dass sie den Fehler im Namen korrigieren, mal sehen, wie lange das dauert…“ Das war am 16. Dezember 2005 um 22:39 Uhr. Seither sind etwas mehr als zwei Jahre vergangen. Der Beitrag ist unverändert.
Wie heißt es noch gleich von Jörg Schieb in seinem Beitrag:
Weil wirklich jeder bei Wikipedia Texte ändern kann, lässt sich noch nicht einmal nachvollziehen, wer solche verleumderischen Behauptungen ins Onlinelexikon stellt. Ein Unding.
Beim Deutschlandradio dagegen sind die Autoren nicht anonym – dort weiß man genau, dass es Jörg Schieb war, der die Fehler verursacht hat. Aber was nützt es, wenn die Fehler nicht auch korrigiert werden?
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Ich bin mir nicht sicher, ob es an der heutigen Qualität/Ethik der journalistischen Ausbildung liegt oder am prinzipiellen Ansatz der Verlage, mit immer weniger Manpower immer mehr Output produzieren zu wollen.
Wobei Verlage natürlich auch auf einen Rückgang der Print-Leserschaft finanziell reagieren müssen, deshalb bin ich für Werbung in den Online-Ausgaben der Druckmedien!
Die Anzahl der Fehler in meinem Kompetenzbereich Controlling/Steuern/IT/Luftfahrt und die damit zusammenhänge falsche Meinungsbildung nimmt in letzter Zeit frappierend zu!
Hallo liebe/r Autor,
wenn ich mich recht entsinne, ist die Sache zwei Jahre her — und es gab auch schon mal einen Blogeintrag dazu. Wir hatten sogar E-Mail-Kontakt, wenn mich meine grauen Zellen nicht täuschen. 😉 Und in der ersten Fassung des Blogeintrags gab es auch Fehler über mich… Will aber einräumen, und habe es auch damals getan, dass es Schwächen in dem Beitrag gegeben hat. Wenn sie auch das Wesen des Beitrags in keinster Weise betroffen haben.
Wie dem auch sei: Was ist denn der Anlass, die Suppe nach zwei Jahren einfach so wieder aufzuwärmen, ohne einen aktuellen Anlass?
Ansonsten: Finde ich gut, wenn jemand sich soviel Mühe macht und nachhakt, auch wenn ich hier „Betroffener“ bin. Jeder macht Fehler, man muss nur draus lernen. 🙂
Der Anlass dieses Textes ist, dass es zwischen Blogs und Medien aktuell eine Qualitätsdebatte gibt. Diese wurde u.a. angestoßen von einem Artikel in der Süddeutschen (Unterzeile: „Das Internet verkommt zu einem Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten“, siehe http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/211/146869/print.html) und einer Rede von Michael Konken, dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes, auf dem Verbandstag seiner Organisation. Er sagte unter anderem: „Der Onlinebereich ist aber auch ein Bereich, den wir verstärkt unter qualitativen Kriterien werten müssen. Nicht jeder, der sich dort als Journalist bezeichnet, hat etwas damit gemeinsam. Uns steht es gut zu Gesicht, wenn wir Richtlinien finden, um Müll von Qualität zu trennen und dies den Internetkonsumenten deutlich machen. Das Internet ist eine Plattform auch für Schmierfinken ganz besonderer Art. Schmierfinken, die sich als Journalisten bezeichnen, die aber Persönlichkeitsrechte verletzen, sich nicht an unsere Postulate wie Wahrhaftigkeit, Objektivität, Vollständigkeit halten.“ (Quelle: http://www.djv.de/Rede_Michael_Konken.1975.0.html)
In dieser Debatte, die in der Folge in vielen Blogs und einigen Zeitungen aufgegriffen wurde, betonen dabei viele Journalisten so wie Konken, dass sie besondere Qualitätsstandards hätten und dies sie von den Bloggern unterscheiden würde. Als ich ein paar solcher Beiträge gelesen hatte, erinnerte ich mich wieder an den Blog-Eintrag, den ich vor einer ganzen Weile gelesen hatte. Ich finde, dass die Verfehlung des Deutschlandradios, die Fehler in dem Beitrag zu korrigieren, in einem Kontrast zum öffentlich postulierten Qualitätsstandard steht. Dabei finde ich es den kleineren Fehler, die Fehler zu machen – aber der größere Fehler ist, seinen Fehler nicht zu korrigieren.
Hallo,
interessant, hatte ich gar nicht mitbekommen (bin kein regelmäßiger Leser der SZ). 😉 Die offensichtliche Argumentation von Konken ist natürlich heillos überzogen. Nicht jeder Blogger nennt sich Journalist. Und natürlich machen auch Journalisten Fehler, wie viele, dass kann man ja unter bildblog.de nachlesen.
Was das Korrigieren von Fehlern betrifft: Das ist im Radio naturgemäß schwierig. 🙂 Auch da gibt es einen großen Unterschied zwischen den flüchtigen AV-Medien und den dauerhaften Webmedien. Wobei die Grenzen natürlich mitunter fließend sind, da z.B. durch Mediatheken vieles, was sonst flüchtig ist, nun zumindest eine temporäre Dauerhaftigkeit bekommt.
Grundsätzlich würde ich dafür plädieren, nicht immer so respektlos zu argumentieren, denn überall sitzen Menschen: In den Medien, aber auch vor den Blog-Tastaturen. Man muss jedem erst mal unterstellen, dass er es gut meint. (Ich weiß, das ist ein bisschen naiv, aber ich meines es tendenziell, nicht kategorisch.)
Übrigens ist ein „Faktenschieber“ für mich jemand, der bewusst etwas verfälscht oder verändert. Das trifft auf mich nicht zu, selbst in diesem Fall nicht, bestenfalls sind hier fahrlässig kleinere Fehler passiert. (Auf das, was im Web korrigiert wird oder nicht, habe ich keinen Einfluss.) So gesehen ist die Überschrift tendenziös und unpräzise. 🙂 Aber damit ist in diesem Blog zum wiederholten Male eine Spielregel der Boulevardpresse eingesetzt worden: Überspitzung bei gleichzeitiger Verzerrung.
Beste Grüße
Gut Ding will… 🙂 Wer weiss wo das Problem liegt den Beitrag entsprechend zu korrigieren.