Stefan meldet, dass das Landgericht Hamburg im Fall Callactive (Gewinnspiel-Schrott im TV) vs. Stefan Niggemeier entschieden hat: Stefan ist im Unrecht, Callactive im Recht. Zudem betont das Gericht, dass er bei kritischen Blog-Artikeln die Kommentare in den Moderationsmodus umstellen möge, um eingehende Kommentare vor der Veröffentlichung zu kontrollieren. Da Stefan in Berufung gehen möchte (OLG), ist das Urteil damit nicht rechtskräftig. Siehe auch Heise mit einer Kurzfassung des Falls.
Interessant erscheint mir die Argumentation des Gerichts (Obacht, persönliche Wiedergabe von Stefan, nicht dem Gericht selbst):
Nach Ansicht der Richter hätte ich mit rechtswidrigen Kommentaren zu meinem Eintrag „Call-TV-Mimeusen“? rechnen müssen. Das ergebe sich aus seiner Brisanz und zeige sich auch darin, dass schon vor dem Kommentar, den ich entfernt habe, eine Reihe Kommentare abgegeben wurden, die an der Grenze zu Rechtsverstößen seien, wenn nicht darüber hinaus. Bei solch brisanten Blog-Einträgen sei ich dazu verpflichtet, die Kommentare vorab zu kontrollieren, insbesondere, da ich anonyme Kommentare unter Pseudonym zuließe.
Die Richter gestanden mir zu, vieles richtig gemacht und schnell reagiert zu haben. Das spiegle sich auch in dem niedrigen Streitwert von 6000 Euro wieder. Sie schlugen zudem einen Vergleich vor, wonach ich die geforderte Unterlassungserklärung abgebe, aber nicht die Kosten der Gegenseite tragen muss.
Betrachten wir das mal rein pragmatisch. Wenn das LG Hamburg das lowest limit der freien Handhabung von Meinungen darstellt, wofür es ja bekannt ist mittlerweile, dann ist man als Blogger doch letztlich fein raus sozusagen. Wie das?
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Immer dann, wenn man einen kritischen Beitrag contra natürlicher bzw. juristischer Person verfasst, versetzt man dazu die Comments in den Moderationsmodus. Was technisch zB in WordPress so nicht geht. Dazu müsste man ein Plugin finden, das fallweise pro Artikel die Kommentare in die Moderationsschleife stellt. Das rein technische Prob ist aber lösbar. Aber das Handling, der Zeitaufwand? Überhaupt kein Thema imho. Denn rein realistisch gesehen, Stefans Blogs ist ein Kommentarmonster, eine Ausnahme, da kann man es durchaus verstehen, dass eine Kommentarmoderation zeitnahe Kommunikation erheblich behindert und zudem Stefan ständig im Blog hängen müsste. Doch 99.99% aller Blogs leiden nicht unter Kommentarfluten, da ließe sich der Aufwand einer Moderation oW bewältigen. Zugegen, gemeinschaftlich gesehen keine tolle Lösung, dass kommentarärmere Blogs fein raus sind, andere nicht. Pragmatisch gesehen besser als gar nix.
Was natürlich nicht damit gelöst ist? Logo, das was man selbst in einem kritischen, emotionalen Beitrag verzapft und dementsprechend sich rechtlichen Risiken aussetzt. Man kann sich nur selbst moderieren, indem man sich temperiert und versucht, das zu kritisierende Objekt einigermaßen zu versachlichen. Und immer wieder zu betonen, dass es sich um die eigene Meinung handelt, wenn man nicht 100% belegen kann, dass eine Tatsache genau das ist. Ist zwar unschön, den Menschen auf den Kopf zu reduzieren, aber das ist nun einmal die deutsche, vorherrschende Rechtsmeinung, dass Meinungsfreiheit in D nicht unbedingt Guantanamo-Niveau erreicht hat, aber nicht sonderlich hochgehalten wird seitens der Richterschaft. Jesus, ja, Richter sind unabhängig, eins der wichtigsten Errungenschaften des deutschen Rechtssystems, das beklage ich nicht. Niemand darf und soll den Richtern reinreden, meine Hoffnung ist lediglich, dass das die Richter untereinander ausmachen werden, pro Meinungsfreiheit.
Robert ich glaube nicht, das die Richter einen billigen Ausweg zeigen wollten. Die wollen etwas anderes. Das liest du aber besser bei mir, damit die Klagen nicht bei dir landen:
http://www.duckhome.de/tb/archives/1528-Das-Niggemeier-Urteil.html
Glückwunsch, wie du der Sache gute Seiten abgewinnst. Ich finde alles sehr unbefriedigend. Gesetzgeber und Richter laufen der technischen Entwicklung weit hinterher. Deswegen kommen immer wieder Urteile heraus, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen. Richter sind unabhängig – ja, aber sie müssen innerhalb des Gesetzes urteilen. Und momentan geben ihnen die Gesetze IMO einfach zu viel Spielraum, jeder Richter sucht sich das raus, was der Sache seiner Meinung nach am nächsten kommt. Das führt dann dazu, dass Kläger sich je nach Fall das passende Gericht aussuchen. Heimvorteil wie beim Fussball, nur dass Vereine jedes zweite Spiel auswärts antreten müssen 😉
*ausdemfensterlehn*
Mal so anders.
Ich hab ja schon vor Jaaahren, 1-2 oder so) gesagt, dass Kommentare und Trackbaks Geschichte werden. (einfach wegen Spam und Juristerei.)
Und dass sie einfach von Linkspaces zu anderen Blogs ersetzt werden.
Die liegen dann auf fremden Servern udn jede/r verantwortet sein Pöbelblog selbst.
Une wer kommentieren will, soll halt n Blog bei nem Gratishoster ohne Werbung (bloger.com, twoday) aufmachen.
Mailadresse hat er ja auch, ne?
Einzige was es brauchst sind Spammeldebuttons bei den ‚zentralen‘ Linkspaceermittlern.
Ich schreib dazu ggf. mal noch was..
Robert, das Problem ist aber auch, dass die Abgrenzung eines kritischen Beitrags schwer bis unmöglich ist. Woher soll man denn wissen, welche Artikel man auf Moderation schalten soll?
Und wenn als Folge alle Kommentare nurnoch moderiert zugelassen werden, fände ich das schon einen herben Verlust, da das die Kommunikation doch merklich behindern würde.
na ja, noch sind wir ja nicht so doof, wie wir uns darstellen mögen, das Bauchgefühl ist immer noch der verlässlichste Partner. In einem Gott sei Dank nicht so starren Rechtssystem, das eben nicht alles bis ins kleinste Detail der Rechtssicherheit wegen normiert, ist das die beste Strategie, eine Mischung aus Erfahrung und Gefühl beim Bloggen, herrührend vom stets lernenen Menschen. Es muss auch zwingend ein offenes System sein, das Interpretationsspielräume zulässt. Sonst erstickt man die Gesellschaft, wenn man vom Rechtssystem erwartet, dass alles normiert und geregelt wird, bloß der Sicherheit des Einzelnen wegen. Ne, lieber offen und unsicher als reguliernd und erstickend. Zumal, das obige Urteil ist doch nicht normierend für alle, es bezieht sich auf einen Einzelfall, noch gibt das BGH die Richtung vor, was die Handhabung von Kommentaren angeht. Mein Use Case bezieht sich auf eine Strategie, die von eher strikteren Gerichten ausgeht, wo also das lowest End of Vorsicht liegt;)
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