Rankaholics.de ist ein Voting- bzw. Rankingportal mit Sitz in Berlin. Nach wie vor ist es nach einem halben Jahr ein junges Projekt. Und imho ein Klassiker, was die Entwicklung von Webprojekten angeht: zunächst der hoffnungsvolle Start, dann die Ernüchterung und nun das Umsetzen dessen, was man in diesem halben Jahr gelernt hat. Dieser Erfahrungsverlauf dürfte wohl für über 90% (eher 99%?) aller Internetprojekte so der Fall sein, zu Beginn stets die Hoffnung und große Bilder, die man sich ausmalt, dann die Realität, interne Zweifel und erste Risse im Team und schlussendlich das entscheidende Momentum. Was macht man mit den Learnings? Gibt man frustiert auf? Macht man weiter? Wie macht man weiter? Wird das Team sich zusammenraufen oder auseinandergehen?
Hierzu habe ich Susann Albrecht/Rankaholics auf der Webexpo Berlin interviewt, der ich recht herzlich für die offenen Antworten danken möchte. Und, ich drück Euch nach wie vor mit Rankaholics die Daumen!!! Was mich am meisten begeistert, dass man nicht gleich das Handtuch wirft, sondern weitermacht und Kurskorrekturen vornimmt. Daran hapert es oftmals in anderen Fällen, man gibt einfach zu früh auf, statt weiter zu pushen (insofern es die Finanzen zulassen). Bei Rankaholics muss man btw das Umfeld auch ein bisserl verstehen: Hinter dem Projekt steht die unique relations GmbH, die mit Contentproduktion ihre Brötchen macht. Für Rankaholics selbst steht kein Wahnsinnsbudget zur Verfügung, man kann also nicht frisch fromm fröhlich auf der Experimentierweide herumhüpfen, da die Entwickler (zwei nebenberuflich unterwehs) bezahlt werden müssen, also nicht auf freie, interne Entwicklerkapazitäten zurückgegriffen werden kann. Aber, genug der Vorworte, auf zum Interview:
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1. Susann, stell Dich kurz vor, wer bist Du und was machst Du bei Rankaholics?
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Ich bin im Juli 2006 zu unique relations gekommen. Ursprünglich als Redaktions-Praktikantin. (unique relations ist eine Online-Redaktion/Agentur in Berlin Mitte). Mittlerweile bin ich zuständig für den Bereich Web-Konzeption. Bei Rankaholics bin ich verantwortlich für das Konzept und die Organisation der Umsetzung. Ach so: Und nebenbei (oder eigentlich) studiere ich Germanistik.
2. Wie kam es zur Idee, Rankaholics.de aufzusetzen (Mai 07 gestartet)?
Die Idee gab es eigentlich schon als ich zu unique relations kam. Sie entstand aus der Beobachtung, dass Rankings immer auf dem Titelblatt einer Zeitschrift platziert werden oder auf Online-Portalen häufig am meisten geklickt werden.
3. Wenn Du einen Rückblick wagst, wie sah am Anfang Euer Bild aus und wie sieht es heute aus? Sprich, habt Ihr Euch das leichter vorgestellt? Die Page Impression sinken leider, die Zahl der aktiven User ist nicht sonderlich hoch. Was waren Eure Fehler, wenn man das so bezeichnen darf und was habt Ihr daraus eigentlich gelernt?
Klar haben wir uns das leichter vorgestellt. Das betrifft einerseits die Entwicklung des Konzeptes und die Umsetzung der Idee, andererseits auch die Vermarktung des Portals selbst, die Gewinnung und die Bindung der Nutzer an das Portal und die Akzeptanz des Ganzen etc.
Im Laufe der Entwicklung des Konzepts/Portals gab es zig Dinge, mit denen sicher niemand gerechnet hätte. Was die Programmierung betrifft gab es so einige Zwischenfälle. Anfangs wählte unser Programmierer bspw. Python als Programmiersprache – als wir dann einen weiteren Programmierer suchten, fanden wir einfach niemanden, der Python beherrschte. Das Ergebnis: Wir fingen noch mal von vorn an – mit PHP.
Und insgesamt wurde viel zu viel diskutiert: So hätte ich mir nie vorgestellt, dass man ewig darüber reden kann, wie man die Nutzer nun anspricht. Das führte letztendlich auch manchmal dazu, dass wir das Wesentliche aus den Augen verloren haben: Die Nutzer und die Frage, was die eigentlich wollen. Na ja, und nun nach einem halben Jahr schon der erste Relaunch 😉
Zumal ihr ja jetzt nicht gerade ein Millionenbudget zur Verfügung habt, um die Plattform nach Belieben auszubauen. Da muss jeder Schritt wohl bedacht sein, oder?
Ja und nein. Wenn man sich zu viele Gedanken macht, läuft man Gefahr, dass man zu vorsichtig wird und nichts umsetzt. Hier einen vernünftigen Mittelweg zu finden ist allerdings nicht einfach.
Aber generell kann man sagen (ob Geld vorhanden ist oder nicht): Weniger diskutieren, mehr machen.
Immerhin gabs ja auch eine Umstellung bei den veranwortlichen Personen. Ändert sich nun da was, neue Besen kehren gut heißt es?
Ja, es gab eine Umstellung, die aufgrund von Umstrukturierungen in der Agentur selbst zustande kam. Was sich hier ändert ist sicher, dass weniger unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Zielen an einer Sache arbeiten. (siehe auch Punkt 7)
Denkst Du, dass die Konkurrenz es leichter hat oder werden die in die gleichen Fallen hineinlaufen? Oder liegt es eher prinzipiell daran, dass Rankings/Votings einfach nicht spannend genug sind, um ein Community-Konzept aufzuziehen?
Konkurrenten sind in Bezug auf Rankings vor allem: woobby.com und stern-shortlist.de. In Bezug auf Votings-/Abstimmungstool vor allem: BeatJoe und Netvotings (momentan noch closed Beta).
Nein, ich denke nicht, dass die Konkurrenz es leichter haben wird. Glaube aber auch nicht, dass sie unbedingt in die gleichen Fallen hineinlaufen werden. Jedes Portal für sich bzw. das Team dahinter hat seine Stärken. Es gibt sicher einige Probleme, die alle Portale durchmachen werden – bei woobby im Blog wurde letztens erst die Schwierigkeit thematisiert, einen gewissen Qualitätsanspruch zu halten (was die Rankings betrifft). Und klar: Genau dasselbe Problem gab/gibt es auch bei uns.
Ob Votings oder Rankings spannend genug sind, eine Community aufzubauen wird sich zeigen. Momentan lässt sich das noch nicht abschließend beurteilen, da dieses Modell im Grunde eher neu ist. Wir müssen (und weil es neu ist, können wir) einfach viel ausprobieren und aus unseren eigenen Fehlern lernen.
Aber Konkurrenz hat auch Vorteile: Gerade weil die Idee einer Ranking-Community relativ neu ist, ist es hilfreich, wenn es von mehreren Seiten unter die Leute gebracht wird. Das heißt, wir müssen nicht völlig allein den Ranking-Gedanken den Internet-Nutzern näher bringen. Am Ende entscheidet dann nicht mehr die Idee, sondern die Umsetzung. Bei wem fühlen sich die Nutzer am wohlsten, bei wem macht’s am meisten Spaß – what ever.
4. Da Ihr ja nicht locker lässt, welche Änderungen wird es bei Rankaholics noch geben oder wird sich nix ändern?
Na ja, erstmal wird es den Relaunch geben. Das heißt: Neues Design, anderer Aufbau/Navigationswege etc. Und natürlich auch ein paar neue Funktionen und Spielereien, z.B.: ein Quiz, die Möglichkeit, andere User oder Freunde zu Gegenrankings aufzufordern, verschiedene Widgets, Statistiken/Auswertungen zu den einzelnen Rankings/Abstimmungen, erweiterte Erläuterungsfunktionen usw. Was nicht heißt, dass nach dem Relaunch alles perfekt sein wird – da wird noch einiges an Arbeit auf uns zukommen, vor allem da nicht sicher ist, wie viel wir von den Plänen bis Anfang Dezember umgesetzt haben werden. So müssen wir uns zum Beispiel dringend Gedanken um eine Art Belohnungssystem machen. Es ist ja kein Geheimnis, dass man dem Nutzer was bieten muss, damit er aktiv wird. Unsere Aktivitätspunkte sind zwar ein Anfang – aber eben nur ein Anfang. Dazu kommt außerdem, dass wir jetzt endlich mehr Energie ins Marketing stecken müssen.
Wie die Zukunft aussieht lässt sich schwer sagen. Natürlich haben wir Pläne die noch ein paar Jahre ausfüllen könnten – aber wir müssen auch sehen, wie sich das Ganze entwickelt und welche Richtung wir letztendlich einschlagen. Da kann sich im Grunde noch vieles ändern. Aber erstmal freue ich mich auf den Relaunch.
5. Überall spricht man ja davon, dass man sich am Kunden orientieren soll, mit ihm sprechen soll, ihn einbinden soll. Fliegen Euch die Kundenmeinungen nur so zu oder wie sieht es denn in der Realität so aus? Wisst Ihr denn immer und überall, was der Kunde will?
Auch etwas, was ich mir leichter vorgestellt hätte. Nein, wir wissen nicht immer, was der Kunde will. Man kann schon etwas am Nutzerverhalten erkennen, welche Features gut laufen und welche nicht so gut. Und da kann man dann überlegen, was man weiter ausbaut und wovon man sich besser trennt.
Was das direkte Feedback vom Nutzer angeht, hätte ich mir eigentlich mehr gewünscht. Aber vielleicht haben wir selbst das auch nicht richtig angepackt. Anfangs gab es schon ein paar Anregungen bzw. es wurden Wünsche geäußert, da wir auf dem Portal selbst auch Abstimmungen zu gewünschten Features usw. erstellt haben. Aber wenn Du nicht immer aktiv im Gespräch mit dem Nutzer bleibst, passiert da irgendwann auch nicht mehr viel. Das ist sicher ein Fehler, den wir gemacht haben. Da haben wir uns durch Kleinigkeiten und Diskussionen oft von den wichtigen Dingen ablenken lassen.
6. Ich kann mich erinnern, als die Konkurrenz an den Markt ging, dass Ihr Euch sagen wir mal leicht über die Tatsache beklagt hattet, dass niemand über Euch spricht, aber dafür über die anderen in den Medien geschrieben wurde. Liegt es an der mangelnden PR oder ist das Thema Eurerseits nicht sexy genug aufbereitet worden? Ist denn diese Art von PR überhaupt wichtig, Ihr seid doch eine Netzplattform, wozu noch der Rückgriff auf alte Kanäle wie Presse bzw. klassische Medien überhaupt?
Na ja, wir waren schon etwas geschockt, als nacheinander plötzlich mehrere Konkurrenzportale auftauchten. Es ist ja auch nicht nur eins allein gewesen. Mein Gejammer darüber, dass über uns nicht geschrieben wurde, war übertrieben. Wir hatten anfangs, ohne dass wir selbst viel dafür getan hätten, recht viel Verlinkungen u.ä. in diversen Blogs bekommen.
Mein Gejammer bezog sich eigentlich hauptsächlich auf die Manpower die hinter so manch einer Konkurrenz steckt. Wenn da so eine Größe auftaucht wie Stern-shortlist (Stern.de/Gruner und Jahr), dann fühlt man sich unter Druck gestellt und glaubt, man müsste jetzt sofort das ultimative Tool bieten, nen Relaunch innerhalb von zwei Wochen hinlegen oder ähnliches. Das funktioniert natürlich nicht. Ich bin da sehr ungeduldig – doch das ist eine Sache, mit der man im Laufe eines solchen Web-Projektes lernen muss umzugehen: Es geht nicht alles auf einmal. Kleine Einzelschritte bringen manchmal auch mehr. Doch wenn man sieht, dass da Portale mit Funktionen online gehen, an denen man selbst gerade arbeitet oder die man plant, aber mit einem Programmierer allein gar nicht so schnell umsetzen kann, gerät man schon mal in Panik. Und wenn man Pech hat, zieht so eine Konkurrenz-Situation das ganze Team runter und Du stehst vor einem Programmierer, der ausgebrannt ist und einer Designerin, die blockiert ist. Dann kann es sogar passieren, dass man denkt, dass bei allen anderen alles super und viel besser als bei dem eigenen Portal läuft und man beginnt zu zweifeln – an sich, am Team, an den Plänen, der Umsetzung usw. Aber das ist letztendlich Unsinn. Wenn man genau hinsieht, haben andere genau dieselben Probleme, unzählige Bugs usw. Und ich denke (oder hoffe), dass es auch bei anderen mal Zweifel und demotivierte Mitarbeiter gibt – es wird wohl nur nicht sehr oft darüber geredet 😉
7. Nochmals kurz zurück zu den Learnings: wenn ich es richtig verstanden hatte, habt Ihr Rankaholics zunächst im Team zu Dritt geplant und lanciert. Nunmehr bist Du quasi alleine dafür verantwortlich. Man sagt ja immer so schön, dass Teams besser sind als einzelne Entscheidungsträger. Man kann viel besser eine Plattform tunen, verbessern, weiter ausbauen, aufgrund der gemachten Erfahrungen. Kannst Du dem zustimmen? Wenn nein, warum denken und sehen mehrere Augenpaare nicht besser ein als ein Augenpaar?
Es kommt auf die Augenpaare an. Es gab anfangs 5 bis 6 Leute mit völlig unterschiedlichen Erfahrungen im Internet, die sich mehr oder weniger Vollzeit mit der Entwicklung des Konzeptes, dem Aufbau des Portals beschäftigt haben. Das größte Problem war, dass jeder andere Vorstellungen von dem Portal hatte. Von der Richtung, in die es sich bewegen sollte, von der Zielgruppe etc. Hinzu kam bei einigen vielleicht noch der Mangel an Kenntnissen von Trends usw. Bei einer solchen Konstellation entstehen Zielkonflikte und man fängt an, Kompromisse einzugehen. Jeder. Vor allem auch der Harmonie im Team wegen. Das Ergebnis ist dann aber ein Portal, welches alles sein und jeden erreichen will, aber doch nur ein Mischmasch aus Kompromissen ist. Das fängt schon beim Design an: Ein Portal kann nicht gleichzeitig seriös und flippig wirken. Jeder Designer, der das umsetzen soll, wird sich die Haare raufen.
Mit der Zeit hat sich das Team dann aber weiterentwickelt. Einige sind gegangen, einige betreuen andere Projekte bei unique relations und andere sind neu hinzugekommen. Jetzt ist das Team kleiner, was es teilweise schwieriger macht, da oft der Austausch (und Arbeitskraft) fehlt. Aber teilweise wird es auch einfacher. Mit der Entwicklung eines Kern-Teams hat sich auch die Idee und das Konzept konkretisiert. Es gibt keine fünf verschiedenen Vorstellungen und Zielgruppen. Und das macht das Arbeiten und Entwickeln einfacher.
Ich glaube übrigens, dass auch ein größeres Team sich einigen und Konzepte und Ideen konkretisieren kann. Doch es ist sehr schwierig, das richtige Team zu finden.
Wie reagiert man prinzipiell auf reale Gegebenheiten, wenn sich die Akzeptanz einer Plattform nicht so entwickelt wie gewünscht?
Man entwickelt sie weiter. Überdenkt das Konzept – macht einen Relaunch. Wenn es dann immer noch nicht klappt, muss man eben wieder überdenken. Das kann man sicher nicht ewig so machen. Aber noch sind wir zu „jung“, um unsere Idee aufgeben zu wollen. In welche Richtung das alles am Ende gehen wird, lässt sich momentan nicht sagen. Die Nutzer werden daraus machen, was sie brauchen. Und das kann eben auch einfach ein redaktionell geführtes Ranking-Portal sein – auch wenn das nicht das ist, was ich mir eigentlich vorgestellt habe.
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*verbeug, man dankt fürs Interview*
Fragen Eurerseits?