Joinr.de ist vor rund einem dreiviertel Jahr an den Start gegangen. Wird Zeit, sich wieder mal mit Joinr zu befassen. Was ist Joinr? Man kann es am ehesten mit MySpace vergleichen, deren Social Networking-Konzept iW auf der freien Editierbarkeit der Userprofile beruht. MySpace ist nach wie vor weltweit das mit Abstand größte SN. In D ist ausgehend von den Mitgliederzahlen der deutschen User StudiVZ die No. 1, SchülerVZ No. 2, Xing No. 3, Lokalisten No. 4 und Joinr könnte durchaus auf No. 5 stehen, es sei denn, es gibt noch weitere etablierte, größere SNs wie SchwarzeKarte.de, weiß ich aber spontan nicht.
Meine damaligen Beiträge sorgten anlässlisch der Artikelüberschriften „Joinr, ein MySpace Killer?“ und „Joinr, MySpace kann einpacken“ für etwas Wirbel. Und damals (02/07) schrieb ich auch: Mein Tipp: MySpace = Joinr, 2008 können Phil/Stefan á la YouTube Gründer in die Kamera grinsen, aber dafür sind sie nicht dämlich genug:) (die Szene ist recht berühmt geworden, nachdem die Gründer von YouTube nach Bekanntgabe des Google-Megadeals vor die Kamera traten und in dem Moment wohl realisiert hatten, was da passiert war). Was ist nun aus meiner Einschätzung geworden? Joinr hat zwar MySpace auf globaler Ebene nicht abgelöst (das dürfte wohl kaum einer wörtlich genommen haben:), aber ich hatte Recht mit der Vermutung, dass sich dieses Social Network prima entwickeln wird. Denn mittlerweile gehört Joinr mW zu den am schnellsten wachsenden SNs überhaupt, in D. Und kann stolze Userzahlen wie auch Trafficdaten vorweisen. Die Presse hat davon nix mitbekommen, da man lieber unter der Grasnarbe versteckt wachsen wollte, ohne gleich den Wettbewerb auf den Plan zu rufen.
Btw, was die SN-Startups und den Größenvergleich angeht, ja doch, da ist noch SchülerVZ, die ich aber nicht zu den Startups im Sinne von Garagenbands zähle, wie wir sie kennen. Es ist ein von Holtzbrinck mit fetten Budgets vorangepeitschtes Projekt, eine „Abteilung“ von vielen. Und dafür ziemlich erfolgreich, was man so an Userzahlen am Rande mitbekommt. Lokalisten, Xing und StudiVZ zähle ich nicht mehr zu Startups. Insofern dürfte Joinr in der Tat das momentan am schnellsten wachsende SN-Startup sein. Ich darf leider keine echten Daten nennen, also müsst Ihr mir halt so glauben. Raum genug für Euch also, den Erfolg anzuzweifeln;)
Aber was ist denn Erfolg? Hat Joinr nun soviele User, dass man es als Erfolg bezeichnen kann? Ich denke ja. Angesichts dessen, dass die allermeisten deutschen SNs eher zäh vorankommen, ist das bereits ein Erfolg für sich. Im kaufmännischen Sinne ist das natürlich noch lange kein Erfolg, doch ist das halb so wild, da sich Joinr mit sehr geringen Betriebskosten immer noch gut über Wasser hält. Diese Flexibilität auf der Kostenseite ist in zweierlei Hinsicht ein ganz dickes Plus: man ist mental sehr entspannt und man kann zudem ständig an dem gesamten System Stellschrauben justieren, ohne Angst haben zu müssen, dass man morgen pleite ist. Message: beware the fix costs, kill the fix costs;)
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Im Vergleich zu anderen SN-Startups muss ich regelmäßig schmunzeln, mit welch hohen Aufwendungen so manch ein SN fährt und im Vergleich zu Joinr damit um Einiges teurer performt. Beware the fix costs, kill the fix costs!! Das widerspricht aber der Devise, dass man schnell wachsen muss, um der Konkurrenz davonzueilen, da das Gespenst „the winner takes it all“ vielen im Kopf herumgeistert. Und dürfte wohl zu einem guten Teil seitens der Investoren auch gerne verargumentiert werden, ganz uneigennützig, versteht sich;) Diese Strategie ist imho blanker Nonsens. Und ein unnötiger Push ist fatal. Dazu aber später mehr. Aber das ist alles meine Meinung, hey. Zurück zu den Kosten: Indem man die Kosten sehr niedrig gehalten hat, musste man sich nicht auf den erstbesten VC einlassen und hat sich ganz bewußt nicht zu früh an externe Financiers gebunden. Auf Werbung hat Joinr btw bisher verzichtet. Was auch die Haltung der Gründer widerspiegelt: entwickelt sich das Projekt gut, prima, wenn es das nicht hätte, ab dafür, man wäre 1-2 Wochen etwas traurig, aber it was fun. So und nicht anders kann man diese herrliche Leck-Mich Haltung gegenüber dem „Erfolgsmonster“ bezeichnen. Dem sich viele unterwerfen und dadurch hibbelig werden, falsche oder hastige Entscheidungen treffen, sich weiterzuentwickeln. Denn Investoren aus dem VC-Bereich machen immer Stress, wollen Zahlen sehen, suchen den kurzen und schnellen Erfolg, um ihr Invest zu versilbern. Das ist oftmals nicht gerade förderlich. Social Networks sind ein komplexes System. Man muss sich nur vor Augen halten, dass man menschliche Beziehungen digitalisiert, viel Spaß bei dem Versuch, sich das auch nur annähernd vorzustellen. Und die bisherigen SN-Systeme sind nur kleine Annäherungen, komplexe, soziale Netzwerke einigermaßen gut abzubilden. Das darf man dabei nie vergessen, wenn man von SNs redet. Sie sind ungemein unvollkommen. Hier die richtigen Entscheidungen als Startup zu treffen, grenz an einen Lottotreffer. Ok, lasst uns weitergehen, welche Antworten darauf Joinr gefunden hat.
Diese sehr lockere Haltung hat Joinr meiner Meinung nach auch verholfen, sich immens gut zu entwickeln. Man hat wohl mit die meistens Relaunches hingelegt, sich ständig im Kleinen neu definiert, einen Haufen Features eingebaut, wieder ausgebaut, geschaut, getestet, weitergemacht, bis man langsam aber sicher die Mischung so hinbekommen hatte, was den Usern gefällt. Nennen wir es einfach mal „just do it“-Haltung. Keine großen Pläne, stattdessen Kleinstarbeit, ein hervorragendes Reporting auf atomarer Ebene (man nutzt nicht nur Google Analytics und dergleichen, sondern ein internes Trackingsystem, das sehr feingranuliert aufgebaut ist und genau aufzeigt, welche Funktionen wann und wie oft genutzt werden. Ähnlich geht btw XING vor. Unerlässlich imho.). Das ist schon mal ein Unterschied zu anderen SNs, die sich recht lange an ihrem Kernset von Featuren festklammern. Wenn man so will, tickt Joinr produktorientiert, StudiVZ hat sich bekanntlich auf das Marketing und PR-Buzz konzentriert, das ihnen letztlich geholfen hatte, zur No. 1 zu werden. Das StudiVZ-Produkt selbst zeichnet sich durch eine gewisse Blutleere an Funktionen aus, doch die Netzwerkeffekte haben dieses Manko schnell unwichtig erscheinen lassen. Wie man sieht, führen viele Wege nach Rom.
Ein anderer Aspekt hat ebenfalls dazu beigetragen, Joinr auf einen Wachstumspfad zu führen: mit Philipp kenne ich kaum einen anderen Gründer, der so intensiv und häufig mit Dritten kommuniziert. Er hat sich ein großes Netzwerk aufgebaut und war ständig bereit, zu lernen, wenn es was zu lernen gab. Diese Fähigkeit, sich selbst und Joinr in Frage zu stellen, zeichnet nicht viele Gründer aus. Oftmals ist es in meinen Augen so, dass Gründer von sich und ihrer Idee so sehr überzeugt sind, dass sie nicht willens sind, Ratschläge anzunehmen. Btw, ganz witzig, man sagt Bill Gates diese Fähigkeit nach, dass er die Meinungen und Erfahrungen anderer Personen ohne Weiteres annehmen kann, um das letztlich in seinen eigenen Entscheidungsbaum einfließen zu lassen. Eine großartige Fähigkeit. Und übertragen auf Social Networks handelt es sich um komplexe Systeme, bei denen Gründer viel falsch und wenig richtig machen können. Denn der Mensch ist nicht dazu gebaut worden, in komplexen Systemen stets die richtigen Entscheidungen zu treffen. Er verliert schnell die Übersicht. Wenn man da nicht stetig den Blick von außen drauf wirft, verliert man sich in dem Wust an Entscheidungsparametern.
Nochmals, ganz wichtig imho: der Kreis schließt sich hier, denn in einem komplexen System (SNs) fährt man entweder mit geringen Kosten und kann das Produkt in Ruhe peu á peu weiterentwickeln (iteratives System) oder aber man fährt mit hohen Aufwendungen und setzt dabei aufs Marketing, vernachlässigt das Produkt und setzt rein auf Netzwerkeffekte, die das Baby „schon schaukeln“ werden (StudiVZ).
Ich halte also an meinem Tipp weiterhin fest: MySpace = Joinr, 2008 können Phil/Stefan á la YouTube Gründer in die Kamera grinsen, aber dafür sind sie nicht dämlich genug:). Das ist natürlich auf deutsche Verhältnisse bezogen, wir werden also keinen Milliardendeal sehen, aber ich denke, einen trotzdem sehr stolzen Exit. So zumindest schätze ich die Gründer ein, dass sie nicht ewig an ihrem Baby festhalten wollen. Ob das aber wirklich so sein wird, weiß ich nicht, noch nicht.
Disclosure: Bin nicht an Joinr finanziell beteiligt, aber habe an Joinr etwas mitgebastelt und mich just for fun mit bisserl strategischen Ideen eingebracht, bin also nicht ganz unbeteiligt im Sinne der Objektivität. Inwieweit das aber zum Erfolg von Joinr beigetragen hat, kann ich nicht sagen, wird eh nur ein kleiner Teil sein, also ab dafür. Wenn Joinr Schrott wäre, würde ich es aber genauso schreiben.