Stefan Niggemeier wurde erneut abgemahnt, diesmal für einen Kommentar, der nicht mehr existierte, da ihn Stefan wohlweislich gelöscht hatte. Das reichte aber Callactive nicht:
Ihr Anwalt teilt mir mit, dass trotz der Löschung nicht dauerhaft ausgeschlossen sei, dass dieser Kommentar erneut abgegeben werde. Ich sei „als Störer“? verantwortlich, weil ich dieses Blog eingerichtet und in meinem einleitenden Beitrag ausdrücklich zu Kommentaren aufgefordert habe. Es sei deshalb meine Pflicht, die Kommentare vor der Veröffentlichung auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu überprüfen.
Man wird also abgemahnt für etwas, das nicht mehr existiert und der Webmaster vorsorglich und proaktiv entfernt hat. Interessante Auslegung. Man kann angesichts der Argumentation davon ausgehen, dass Callactive die Nase voll hat und Stefan vollends einengen möchte.
Interessant sind die Reaktionen in der Blogosphäre:
Don Dahlmann plädiert dafür, dass sich Blogger zusammraufen und gemeinsam gegen Callactive trommeln:
Mit anderen Worten: die Meinungsfreiheit, das höchste Gut einer Demokratie, wäre somit in Deutschland völlig zerstört. Deswegen kann ich nur alle Blogger, Journalisten,Verleger, Autoren usw. bitten, die laufenden rechtlichen Auseinandersetzungen in den diversen Fällen möglichst breit und prominent zu verlinken und journalistisch zu begleiten.
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Don Alphonso geht es pragmatischer an, da er der Meinung ist, dass man mit bisserl Bloggen PR resistenten Firmen wie Callactive nich beikommen kann (Ist der Ruf erst ruiniert, lebts sich gänzlich ungeniert.):
Man kann sich leider auch den zeit und den Ort des Konflikts oft nicht heraussuchen. Aber man kann sich sehr wohl überlegen, was man mit welchem Ziel tut, und welches Risiko man eingehen will, und welche Vorkehrungen man trifft. Das kann schwer sein, aber das ist nun mal den Preis, den man zahlt – und zwar besser vorher… Darf ich einen Rat geben? Survive to fight another day.
Fixmbr meint, dass die Sache völlig egal ist, weil ein Stefan Niggemeier kommerziell agiert und insofern man sich nicht mit solchen Firmen/Geschäftsleuten als Blogger solidarisieren muss:
Kurz zusammengefasst: Die Abmahnungen Stefan Niggemeiers – und im Übrigen auch die von Spreeblick oder MC Winkel – sind simple Geschäftsvorfälle im Hause der Beteiligten. Es ist ein ganz anderer Schnack, als wenn ein kleiner Privatblogger abgemahnt werden würde. Die (RA-) Kosten können im Haus der Beteiligten sogar noch steuerlich abgesetzt werden – sollte ich mich nicht irren. Warum also die Aufregung. Unzählige Urteile (in Hamburg) haben die Meinungsfreiheit *manchmal* in Gefahr gebracht – doch ob nun F!XMBR, Stefan Niggemeier, Spreeblick oder auch MC Winkel und unzählige andere Webseiten: Sie alle tippseln noch ihre Texte ins Netz. Gerade die Themen, die – salopp gesagt – Ärger bringen können, stehen hoch im Kurs. Bei der Artikel-Quote über Call-In-TV eines Stefan Niggemeier zum Beispiel von einer Gefährdung der Meinungsfreiheit zu reden, ist meiner Meinung nach lächerlich und man plädiert für kostenfreie Abmahnungen gegen Private (wie es zB auf eine Art und Weise in der Schweiz üblich ist, wo der Abmahnende für die Kosten der Abmahnung aufkommt). Wobei genau das vom Bundesjustizministerium schon längst auf den Weg gebracht aber mW n.n. ratifiziert wurde (Limit auf 50 Euro).. ach…
Jochen Hoff ist die künstliche Trennung zwischen privaten und kommerziellen ins Netz schreibenden Personen völlig egal, er plädiert auf: Wenn in diesen Zeiten, ein Blogger dazu auffordert, anderen Bloggern keine Solidarität zu geben, dann ist dieser Blogger jemand, der die Kraft des Netzes und damit uns alle schwächt. Der wirklich absolut überflüssige Hinweis auf adical zeigt nur wieder einmal, wes Geistes Kind da am wirken ist
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Ob man nun zwischen privaten und kommerziellem ins Netz schreiben unterscheiden muss, ist eine Sache der inneren Einstellung, das Gesetz schützt und beschränkt zugleich natürliche wie auch juristische Personen. Es ist müßig, das in Frage zu stellen und äußerst kurzsichtig gedacht, dass Businessblogger härteren Regeln unterstehen sollten. Imho ein Nebenkriegsschauplatz der in beide Richtungen ins Leere führt. Private bekommen ihre Gummibärchenbehandlung bei Abmahnungen und das ist gut. Wozu noch diskutieren?
Nun zur Kernfrage, die oben die Blogger allesamt andeuten, ob man oder ob man sich nicht solidarisieren sollte. Callactive ist mit Sicherheit nicht resistent gegen Anfeindungen im Netz, so wie es zB Don Alphonso behauptet: Wenn es sich um Firmen handelt, die eh keinen Ruf zu verlieren haben, wird es schwierig. Die sind von miesen Googletreffern oder Technoratirankings kaum zu beeindrucken. Zumal, wenn ihre Kunden in einem anderen Bereich tätig sind. Und selbst, wenn es gelingt, das Thema gross zu machen: Medien berichten seltenst nachhaltig über das, was Blogger ausgraben. Sonst würden sie nicht gegen Stefan nun eine härtere Gangart einlegen. Wenn dem so wäre, was Don A. behauptet. Was aber richtig ist, dass man sich überlegen muss, ob man einen Blumentopf gewinnen kann oder nicht. Das wird daduch im Netz erschwert, dass man als Betreiber einer Seite nie eine endgültige Rechtssicherheit genießen wird. Ob man nun proaktiv Kommentare uU löscht oder erst dann, wenn sie einem via Abmahnung zur Kenntnis gelangen. Denn im Rechtswesen wird die Meinungsfreiheit nicht über alles gestellt:
Allgemein verbreitete Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit sind (nicht abschließend):
* der Schutz der persönlichen Ehre durch Beleidigung oder Verleumdung,
* die Weitergabe als geheim klassifizierter Informationen,
* die übermäßige Kritik an eigenen oder ausländischen höchsten Staatsvertretern wie Staatsoberhaupt, Gerichten oder manchmal selbst einfachen Beamten,
* die Grenzen der Sittlichkeit und des Jugendschutzes,
* die Grenze der öffentlichen Sicherheit (in den USA rechtshistorisch häufig angeführtes Verbot des missbräuchlichen Ausrufes „Feuer“ in einem Theater), besonders relevant in Zeiten des zunehmenden Terrorismus,
* der unlautere Wettbewerb durch Herabsetzung („Madigmachen“) der Ware oder Dienstleistung eines Konkurrenten
In dem Fall wird sich wohl Callactive auf Verleumdung berufen. Nur Stefan kennt den genauen Inhalt der Abmahnung: „Der Anwalt von Callactive nennt den von mir gelöschten Kommentar unter anderem „ruf- und kreditschädigend„?“
Interessant dabei: erneut wird Don Alphonsos These widerlegt, dass sich Unternehmen wie Callactive einen Dreck um das Netz kümmern. Denn Callactive kommentiert aktiv mit in einigen Blogs, so zB beim Tomaschek (Herkunft wurde bestätigt):
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie sind hiergegen vorgegangen: „“¦Sieg Heil Money-Express TV „¦“?.Leider erwähnt dies Herr Niggemeier nicht bzw. läßt es bewußt weg. Gegen grundsätzliche Meinungsäußerungen von Herrn Niggemeier und Kommentatoren seines Blogs gehen wir juristisch nicht vor. In diesem Zusammenhang möchten wir noch gerne auf folgenden Link verweisen:
MfG
Callactive
Callactive ist mir ziemlich egal, wenn die Dreck am Stecken haben, werden sie eh vor dem Kadi landen und ihre Methoden anpassen müssen. Dafür sorgen aber nicht Blogger, sondern primär die Konkurrenz, die sich gegenseitig mit Abmahnung zumüllen werden und den Gerichten Nachschub liefern:)) Stefans Story zeigt wie viele andere Fälle auch, dass man sich im Netz als Webmaster eben anders bewegen muss als man sich am Stammtisch deftig über Callactive oder wen auch immer äußern mag. Ob man nun über Stefans Falls berichtet oder selbst was hat, was man gerne berichten möchte. Du kannst Callactive nicht mit bösen Tatsachen an den Karren pinkeln, wenn Du keine Beweise hast und nicht bereit bist, Deinen Unbill vor Gericht zu vertreten. Ich kann aber durchaus sagen, dass ich Callactives Vorgehen gegen Stefan beschissen finde. Statt auf die dauerhaften Vorwürfe einzugehen, kommt man mit Abmahnungen daher. Völliger, blanker Unsinn seitens Callactive.
Daher meine frohe Botschaft: Fixmbrs und Don Alphonsos inhaltlichen Argumente hinsichtlich Meinungsfreiheit sind völlig ok. Die Message aber, dass es allen Bloggern scheißegal sein soll, wenn einer von uns [!] abgemahnt wird, weil man entweder nix bewegen kann [Don, Update: siehe Kommentierung, die das klarstellt, dass er das nicht meint, sondern einen anderen Weg vorschlägt] bzw. man zwischen privaten und kommerziellen Hemisphären in der Bloggeria unterscheiden sollte [Fixmbr], sind eine Haltung, die unsinnig ist. Wie oben geschildert juckt das die Unternehmen extrem und solange man nicht auf organisierte Kriminalität stößt, wird es sie immer jucken. Und ich kenne keinen einzigen Fall, wo das Unternehmen bzw. Organisationen es nicht gekümmert hätte, wenn Blogger gemeinsam lospoltern. Schweigen und ignorieren ist jedem sein Ding. Solange ich mich aber als Blogger als ein Teil der gesamten Blogosphäre empfinde, halte ich zu solchen Vorfällen nicht die Klappe. Ganz einfach: Unternehmen sollen bei Kritiken auf den Blogger so zugehen, wie es sich für normal denkende Nachbarn trotz Maschendrahtzaun gehört. Und wenn der Blogger absolut im Unrecht ist und immer noch völlig grundlos herumpoltert, kann man ihm immer noch vor Gericht das Genick brechen. In der Situation ist aber Callactive noch nicht. Die von Stefan erhobenen Vorwürfe entbehren nicht einer gewissen Logik. Also stellt das klar, ob die Vorwürfe so sind, wie man sie versteht oder aber legt das Gegenteil dar. Macht ein Blog auf und schenkt Euch Eure Rechtsabteilung. Ich würde Euch supergerne offen zuhören, was Ihr zu sagen habt. Ihr könnt gegen kritische Konsumenten auf Dauer nicht auf dem Rechtsweg gewinnen, das Gesetz wird Euch nicht helfen. Widerlegt oder ändert Eure Methoden. Das haben schon ganz andere Unternehmen wie auch manch ein Staat lernen müssen.
Was nun mit der Presse ist? Ach komm, bleib mir weg mit Presse. Die verkaufen das, was sich verkaufen lässt. Ich erwarte von denen, die die Pressefreiheit genießen, keine Unterstützung, für das Recht auf Fehlbarkeit einzustehen, was Blogger ausmacht.
Ach ja, noch eins, auf die Solidarität der großen Blogs würde ich nicht schielen. wenn man selbst mal dran ist. Einerseits gibt es gewisse Abnutzungserscheinungen, immer wieder aufs Neue über Abamhnungen zu berichten, andererseits empfinden viele Topblogger per se keine höhere Verpflichtung, ihre größere Vernetzungsdichte in „Notfällen“ anderen Bloggern zur Verfügung zu stellen. So kümmern sich die Werbeblogger eben um Werbung/PR. Früher, ja, das war mal früher, da war man froh, dass man Unterstützung wegen der Heidi aus der Bloggeria bekam und nicht zuletzt deswegen ging das Werbeblog bekannter als je zuvor daraus hervor. Das ist aber lange schon vorbei. Das Gefühl einer wie auch immer gearteten Verpflichtung existiert nicht, etwas zu zurückgeben, was man von anderen Bloggern bekommen hat. Gut, mag sein, dass ich als gebürtiger Jugo irgendwelche Kommunistengene in mir trage, die ein höheres Gemeinschaftsgefühl mit sich bringen. Ich bin aber auch erwachsen genug, niemanden einen Vorwurf draus zu machen, dass man nicht ins Trommelorchester einstimmt. Jeder muss das für sich selbst wissen. Dennoch der gute Rat: verlasst Euch never ever auf andere Blogger. Traurig, aber wahr.
Aber 100% akzeptabel: wir leben nicht in einer gleichgeschalteten Gesellschaft, jeder lebt nach seinem Gusto und nach seinen Werten. Das Bewußtsein, dass Blogs etwas Großartiges sind, mit deren Hilfe sich Bürger unmittelbar und ohne Gang zur Presse und Parteien untereinander vernetzen können, birgt Chancen und zugleich Gefahren. Und hat sich bei den meisten nicht herausgebildet, welche Möglichkeiten in Zukunft bestehen, weitab von den kommerziell getriebenen Medien eigene Öffentlichkeiten und Agendas zu schaffen. Das ist zugleich gefährlich wie auch gigantisch. Ach ja, da war ja letztens der Nonsens aus der SZ, dass Blogs keine gesellschaftliche Relevanz besitzen. Ja, moi, mich kümmert das Heute nicht, dass Medien die absolute Meinungsmacht innehalten und bestimmen, was wichtig oder unwichtig sein soll. Meine Prophezeiung ist, dass auch Blogs darunter leiden werden, dass sich das Netz als fünfte Macht im Staat etabliert. Net Neutrality wird nicht die Bedeutung behalten, die es heute im technischen Sinne hat. Ich mache mir daher weniger Sorgen, ob man sich eines gemeinsamen Weges bewußt ist, sondern wie dieser Weg aus abermillionen vernetzter Menschen aussehen wird, gerade weil aufgrund der Selbsbestimmung jeder in eine andere Richtung zieht und zerrt. Das ist unvorhersehbar, was sich gesamtgesellschaftlich daraus ergeben wird. Weil, auf einen pluralistischen Konsens wird man letztlich kommen, nur welchen.
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