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wenn bloggende Mitarbeiter zum Unternehmenssprecher werden

ich kenne in D keinen Fall, bei dem ein Mitarbeiter eines Unternehmens ein Mitarbeiter-Blog betreibt und aufgrund seiner Art und Weise im Netz quasi zum Unternehmenssprachrohr geworden ist. Ich habe größte Probleme, überhaupt Mitarbeiterblogs zu identifizieren. Mir fiele spontan lediglich der WAZSolls Blogger ein, Redakteur bei der WAZ, der aber anonym bloggen musste. Von dem man schon lange nix mehr gehört hat. Er hatte das Zeug dazu. Und es spricht nicht gerade für die WAZ, noch viel weniger für eine Katharina Borchert, dass er sich verstecken musste. Der daran denken musste, dass er ja nicht vom Office aus bloggt. Einem solchen Diamanten wie dem WAZSolls Blogger muss man inhouse die Füße küssen. Das nur am Rande, was ich von der WAZ und ihren Webbemühungen halte: nix, der Konzern passt nicht ins Internetzeitalter, solange nicht die alte Garde ausstirbt und der Nachwuchs ebensowenig Rückgrat zeigt.

Die wohl bekanntesten Blogger, die diese Rolle in den USA einnehmen bzw. eingenommen haben, sind Robert Scoble (Ex-Microsoft) und Steve Rubel (Edelman, PR). Robert hat unendlich viel Reputation gewonnen, indem er sich kritisch und sehr direkt auch mit Problemen seines Arbeitgebers auseinandergesetzt hat. Das ging manch einem gar zu weit, der nicht bei Microsoft arbeitet. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, aber er sprach davon, dass er nicht bei einem Unternehmen arbeiten will, dass ihn an die Nazizeit seiner Mutter/Großmutter erinnert. Weil zu dem Zeitpunkt Microsoft Daten von chinesischen Livespace-Bloggern an die chinesisschen Behörden geliefert hatte. Wir alle hielten damals den Atem an, denn wir dachten, der fliegt umgehend im hohen Bogen raus. Letztlich ging er einige Monate später, ich bin mir auch recht sicher, dass seine Kritiken einigen MS-Managern ein Dorn im Auge waren und mit Sicherheit für heftige Diskussionen inhouse sorgten. Roberts Reputation im Netz ist nicht alleine deswegen 1a. Aber auch mit ein Grund. Was aber noch viel wichtiger ist: Microsoft hat sehr viel an Ansehen zurückgewonnen durch Robert. Das hat vorher und nachher keine einzige PR Aktion mehr geschafft, die auf das Branding des Unternehmens abzielte. Klar, das ist meine Meinung, die andere auch teilen.

Steve Rubel hingegen scheiterte kläglich, nachdem die Stories mit den Fakeblogs bei Walmart aufkamen. Er kniff in dem Moment und bekundete ganz offen, dass er niemals seinen eigenen Brötchengeber -Edelman- kritisieren würde, die für die Fakeblogs verantwortlich gemacht wurden, Riesenkunde hin, Riesenkunde her (fettes Millionenbudget). Obwohl er, und das war die Krux, immer wieder vorher betont hatte, wie wichtig Offenheit und Kritikfähigkeit für Unternehmen seien, insbesondere wenn es um die Kommunikation via Blogs geht. Steve war vormals einer der anerkanntesten und bekanntesten Mitarbeiterblogger. Danach? Ich kann mich täuschen, aber Steve hat über Nacht seine gesamte Reputation verloren. Das spiegelt sich auch in der Zunahme der RSS Abozahlen wieder. Es geht kaum voran seitdem. Ich selbst habe mir Zeit gelassen mit dem Abo, doch irgendwie mag ich niemanden lesen, der nicht für seine Werte einsteht, die er bekundet, aber selbst nicht danach lebt. So ein Blog wird dann für mich komplett wertlos. Das kann dann noch so gut geschrieben sein. Am Rande: Steve hätte ein ähnliches Standing wie Robert gewinnen können, doch er war eben aufgrund seiner Bauweise dazu nicht in der Lage. Schade, denn rein ökonomisch betrachtet wäre so ein PR Mann Gold wert mit so einem geraden Image.

Also: ich hatte schon angedeutet, dass ein „gerader“ Mitarbeiterblogger mit Sicherheit einen großen Protege inhouse benötigt, um sich wirklich ein Standing zu erarbeiten, um irgendwann auch als Unternehmenssprachrohr wahrgenommen zu werden. Es profitieren alle Seiten davon imho. Doch dieses Risiko wollen die meisten Unternehmen nicht gehen. Denn, einerseits ist das politisch gesehen ungemein schwer durchzuboxen, andererseits wird der/die eigentliche PR/Werbeobermann/frau abkotzen:) Zum anderen ist man rein rechtlich verpflichtet, die Klappe zu halten und Arbeitsgerichte werten Illoyalität als fristlosen Kündigungsgrund, wenn es hart auf hart kommt. Zudem wird der Mitarbeiter möglicherweise Familie haben, die er ernähren muss, gar ein Haus abbezahlen. Wer mag es ihm verdenken, dass er dann im entscheidenden Moment kneifen muss? Und warum das alles? Ich wollte lediglich damit nur aufzeigen, dass Unternehmen von einer offenen Kommunikation meilenweit entfernt sind. Ein prominenter Mitarbeiterblogger, der für Siemens, BASF, Deutsche Bank, Daimler, Vattenfall, EON, etcpp bloggt, sich mit seinem Unternehmen auch kritisch auseinandersetzt, was unabdingbar ist, erscheint mir in D als ein Ding der Unmöglichkeit.

Sprich: Mitarbeiterblogs sind also für die Füße? Nein, solange der Miarbeiter nicht zu gut bloggt, wird es zu solchen Problemen nicht kommen. Paradox, ja, aber real. Um das deutlich zu machen: ich rede nicht von netten Mitarbeiterblogs, die halt nett und so lala sind, im Grunde nicht wirklich spannend sind. Ich rede von den Blogs, die herausragen, die fesseln, die Spaß machen, dauerhaft am Ball zu bleiben, den Kunden bzw. Leser teilhaben lassen am Unternehmensleben, das sich selbstverständlich durch die Aufs und Abs kennzeichnet, niemand will Friede, Freude, Eierkuchen lesen, das ist Hollywood. Bei Frosta zB kann man schlecht sagen, das ist ein Mitarbeiterblog. Denn der Chefe bloggt mit und geht voran. Was Besseres kann man sich da nicht wünschen, es ist aber kein Mitarbeiterblog. Ein Gruppenblog, ja.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

24 Kommentare

  • Ach, ich würd‘ mir ja auch sehr in meinem Arbeitsfeld Mitarbeiterblogs wünschen. In den USA ist es – trotz Versuchen, dass strikter zu reglementieren – nicht ungewöhnlich, dass Soldaten bloggen. Sogar aus dem Einsatz in Irak oder Afghanistan. Bei der Bundeswehr scheinen die Vorgesetzten von vornherein sehr deutlich zu machen, dass so was hart an der Grenze zum Geheimnisverrat ist und nicht gerne gesehen wird. Belegen lässt sich das kaum. Aber dass es praktisch keinen Blogger gibt, der aus dem Feldlager im Kosovo oder in Afghanistan seine Postings schickt, spricht schon für sich…

  • >ich kenne in D keinen Fall, bei dem ein >Mitarbeiter eines Unternehmens ein >Mitarbeiter-Blog betreibt und aufgrund seiner Art >und Weise im Netz quasi zum >Unternehmenssprachrohr geworden ist.

    dreisechzig.net wäre (unfreiwillig) so ein Blog.

    Horst

  • […] das bringt uns zum 2. punkt: mitarbeiter blogs wären super wenn es sie geben würde. (ein bisserl g’schickter ausgedrückt findet man das auf basicthinking.de). jetzt ist mein blog sicher kein mitarbeiter blog. nicht weil ich nicht kritisch bin, sondern weil ich als privatperson blogge und nicht als heroldianer (symbiose aus ureinwohner amerikas und mödling). […]

  • Naja Sven Kaulfuß bloggt ziemlich intensiv im CYBERBLOC für cyberport.de

    Ich glaube er macht das ziemlich gut. Schade das die Tagesverkaufsaktionen (cyberport24.de) nicht mehr statt finden. Das Konzept ging halt nicht auf…

  • sich mit seinem Unternehmen auch kritisch auseinandersetzt, was unabdingbar ist

    … niemand will Friede, Freude, Eierkuchen lesen, das ist Hollywood …

    Jaja, diejenigen, die in einer Firma arbeiten mit der sie sich identifizieren können und die Spass bei ihrer Arbeit haben, sind langweilig, und zählen nicht als Firmenblogger. Stattdessen zählen nur Leute, die sich im Blog ihren Frust runterschreiben, und dabei der sensationshungrigen Bloggerschaft Interna preisgeben.

    Da wundert es mich dann nicht, dass es Firmen gibt, die Angst haben durch solche Blogs entstünde ein falsches Zerrbild über sie …

  • es ist unnötig, von einer Extreminterpretation (alles toll) in die nächste (alles mies) zu schwenken. Du weißt doch exakt, was ich meine. Warum sagst Du es dann nicht?

  • Robert, meist sage ich das, was ich selber meine, wie kann ich dann sagen, was Du meinst, ohne Gedanken lesen zu können? 🙂

    Aber im Ernst: Vermutlich vertrete ich eine altmodische Meinung, aber in einem Unternehmen, mit dem ich mich überwiegend kritisch auseinandersetzen muss, würde ich erstmal versuchen, die Kritikpunkte intern zu korrigieren. Sollte mir das nicht gelingen würde ich dort vermutlich nicht arbeiten wollen, und deswegen würde ich eher das Unternehmen verlassen, anstatt öffentlich schmutzige Wäsche zu waschen. Das überlasse ich lieber Politikern, Pop-Sternchen und Medienleuten.

    Wenn es darum geht Probleme zu beheben, ist es besser wenn die Beteiligten/Verantwortlichen sich direkt darüber (auch heftig) austauschen. Sobald aber Aussenstehende dazukommen, sind Lösungen nur sehr schwer möglich, weil sich dann jeder anscheinend produzieren will und keiner sein Gesicht verlieren (schlecht da stehen) möchte. Und es dann meist darum geht, einem Anderen etwas auszuwischen, was zwar schade ist, aber anscheinend eine Art Naturgesetz.

    Die wenigsten Mitarbeiter (ausser die in der schreibenden Zunft) können so gut schreiben, dass sie eine interessante Soap-Opera mit Auf- und ab gut hinbekommen, ohne einer Firma gegenüber Vertrauensbruch zu begehen. Meine Vermutung.

  • „Mann, heute schon wieder was passiert: nachdem ich den Fix aufgespielt hatte im Netzwerk, hieß jeder Mitarbeiter Hans Testuser. Prompt rief auch mein Oberboss an und hat mich mit netten Worten aufgeweckt aus dem Vormittagsschlaf. Mist. Zur Belohnung darf ich heute im Cafe ne Runde schmeißen und zwei Kunden eine Mail schreiben, warum die Mails nicht ankamen. Aber wir haben jetzt folgendes… blablabla…“

    Wo ist das problem?

  • Ich seh da keine „kritische Auseinandersetzung“, wie Du sie Eingangs im Text gefordert hattest …

    BTW: Wenn der MA so etwas regelmäßig schreiben sollte, weil er ständig Fehler macht bei denen wichtige Kundenmails o.ä. verloren gehen, wird er vermutlich wegen seiner Offenheit belohnt …

  • ah jo, eben, das Firmenleben besteht nicht immer nur aus Großkritischer Kritik an der Großpolitik, es sind meistens und durch die Bank weg stinknormale Stories, die andere me2 auch erleben.

  • „Unter Freundinnen“, der Sammelblog der „freundin“-Redaktion, hat sicherlich zeitweise auch als Sprachrohr in Deinem Sinne gedient. D.h. auf Vorwürfe oder Anfragen habe ich während meiner Zeit bei Burda direkt über den Blog geantwortet, anstatt es über die regulären Kommunikationskanäle bei Burda laufen zu lassen.

    Das war sicherlich vom Verlag nicht so gewollt, aber soweit es Verantwortliche mitbekommen haben, wurde es toleriert. Andererseits fiel es mir auch leicht, da ich als freier Mitarbeiter keine arbeitsrechtlichen Fesseln hatte.

    In der Blogosphäre wurde es aber auch gerade mit Häme aufgenommen und diese blogaffine Kommunikationspolitik dahingehend interpretiert, daß bei Burda Chaos herrsche, weil auf einmal die Kommunikationsabteilung außen vor blieb.

    Neben den von Dir angesprochenen Problemen solcher Öffentlichkeitsarbeit gibt es noch ein weiteres: Die Reaktion der anderen Mitarbeiter. Wer offen zu hausinternen Problemen bloggt, gilt schnell als Nestbeschmutzer…

  • Ähm … tja … also unser Blog, das Netzlogbuch, ist ein so genannter Mitarbeiter-Blog.

    Gut, wir sind ein eher kleiner Laden, aber gerade da empfinde ich es als wirklich sehr motivierend, dass unser Chef uns auch die Freiräume gibt, um zu bloggen.

    Wobei bei uns das Bloggen eher ein „Abfallprodukt“ des Sich-Informierens ist. Aber wen es interessiert, wie es dazu kam: netzlogbuch.de/uber-uns/

  • In Bezug auf das Posting von Zellmi würde ich zustimmen: in den kleinen Firmen und Web-Start-Ups geht sowas doch heute schon gut. Ibo und Mike sind doch bloggende Sprachrohre von Sevenload, Spreadshirt hat ein paar Blogger am Start, ich bemühe mich, trnd nach außen in der Blogosphäre zu vertreten. Da sind schon einige, würde ich sagen. Nur eben nicht bei den ganz Großen.

  • An den CIO-Blogger (Direktlink No. 2): Danke für die Rosen! ;o)

    Ich denke, es kann für jedes Unternehmen nur von Vorteil sein, wenn die Mitarbeiter bloggen; selbst dann, wenn sie sich kritisch mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Die SBB (Schweizerische Bundesbahn) scheint in dieser Sache noch ein wenig zu zögern. Trotzdem weiss mein Vorgesetzter vom Blog und hat nichts dagegen.

  • Unser FRoSTA Blog ist meiner Meinung nach interessant, weil man lesen kann was andere Verbraucher als Kommentare über uns schreiben.

    Negatives und positives.

    Wir regen ja manchmal nur Themen an, die dann weiter diskutiert werden.

    Im übrigen bleibt das Bloggen für viele Mitarbeiter eben nur eine Nebenbeschäftigung, da aus meiner Erfahrung auch nur einige wirklich Lust dazu haben.

    Gruesse, Felix Ahlers

  • na ja, Du musst zugeben, dass Ihr als Mittelständler bei Weitem nicht diese komplexen Orgastrukturen wie Großunternehmen aufweist, insofern fällt es nicht so schwer, das hinzubekommen, was Ihr mit Frosta Blog auf den Weg gebracht habt:) Als Mitarbeiter in einem Konzern, der aus 100.000 Indianern und 10.000 Stammeshäuptlingen besteht, würdest auch Du ganz schnell jeden Tag im Büro Deines Chefs hocken, dass sich schon wieder einer der Häuptlinge beim Oberstammesführer über Dich beschwert hat.

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