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US Blog-Aufruhr III., Werte und Reputation

Stephanie Boost beschäftigt sich kritisch mit den -böses Wort- Reaktionen des Blogmobs anlässlich der Story mit Kathy Sierra: Disturbed about reactions to Kathy Sierras post

Das Posting zeigt auch ziemlich klar auf, dass man quasi über Nacht seine gesammte Netzreputation verlieren kann, wenn ein anderer Blogger mal nen schlechten Tag hat oder seine Realität anders wertet, als es sich objektiv darstellt (was auch auf Kathy bezogen ist, da wir einfach nicht wissen, was Sache ist) oder was auch immer für ein Problem aufkommt, das zu einem Brouhaha führt. Was tun dagegen? Nix, wenn man selbst betroffen ist, Tee trinken, abwarten wie es sich entwickelt und sein Ding weiter durchziehen. Man muss sich nicht als Person ändern, wenn man jemanden auf die Füße tritt. Und dass man reflektiert, davon gehe ich sowieso aus, man lernt. Auf beiden Seiten.

Man wird stets mit seinen eigenen Wertevorstellungen früher oder später mit anderen kollidieren, die eine andere Wertewelt haben. Gerade in den öffentlich sichtbaren Blogs, wenn man den Bereich der fachlichen Bloggerei verlässt. Beispiel: meine Grundeinstellung gegenüber Wirtschaft und damit auch der Werbung als ein wichtiger Teil unseres Lebens, der uns ernährt, ist grundsätzlich positiv. Auf meiner Prioskala rangieren dabei u.a. Startups weit oben, aber auch Grundüberlegungen, was man mit seinem Blog anstellen kann, um Ziele zu erreichen, die natürlich dem geschäftlichen Zweck unterliegen. Dabei suche ich persönlich die Nähe zu den wirtschaftlichen Machern. Ebenso gehe ich auf ein Thema, das mich interessiert, x-fach drauf ein, selbst wenn es zahlreiche Leser nervt. Diese Vermengung und die Art der Beschäftigung mit diesem Gesamtkomplex Wirtschaft, Werbung, Startup und iwS Wirtschaftspersonen führt immer wieder zu teils auch rigoroser Ablehnung. Wie oben bereits gesagt, muss man sich von vornherein darüber im Klaren sein, dass die eigenen Werte nicht kompatibel mit denen von vielen anderen Menschen sind. Was bringt es Dir, wenn Du durch Angepasstheit und Leserorientierung den zehnfachen Traffic hast? Ein SEOler würde sagen Traffic:) Traffic ist nichts, nullkommanix wert. Wichtig ist nur, dass man sich austauschen kann und wenn es nur 10 Personen sind.

Dass man aneckt, ist für mich persönlich kein Problem, da ich keinen Grund sehe, meine Wertvorstellungen zu korrigieren oder mich gar konform zu verhalten. Du kannst und darfst nicht everybodies Darling sein, sonst wirst Du zu einem Politiker mit hohem Reinwasch-Faktor.So zB hat für mich Steve Rubel von Micro Persuasion in dem Moment seine gesamte Reputation verloren, als er das, was er gepredigt hat (Transparenz, etcpp) ins Gegenteil verkehrt, nachdem die ganzen Stories von Edelman rauskamen. Er hat seine Wert verraten. Gegenüber einer falsch verstandenen Loyalität zu seinem Brötchengeber. Ich habe im Gegensatz zu Steve keinen Brötchengeber. Aber, es gibt potenzielle Kunden, denen ich auf dem Blog ans Bein pinkel, wohlwissend, dass die sich bei mir nie melden werden.

So what? Ich will nicht angepasst mein kurzes Leben vergeuden für Dritte (Unternehmen und Personen), die denken, dass man anders ticken oder leben muss. Ich will nicht gefallen, ich will ich sein. All das sollte man sich bewußt machen, für was man steht, wenn das Blog langsam populärer wird. Man erzeugt Polaritäten, ob man will oder nicht, wenn man für seine Werte einsteht.

Update: zwei Mann, ein Gedanke:)) Siehe dealicious „Blogger, Web 2.0 und Privatsphäre

via Tautoko

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

5 Kommentare

  • Lieber Robert. Tatsächlich ist dieser Case in vieler Hinsicht hochinteressant. Es geht um Reputation, Meinungsmacht im Web, Anonymität, Verantwortung und und und …

    Worum es aber auch geht, ist mancher Leute absolut unakzeptables Verständniss von „Spaß“ und „freier Meinungsäußerung“. Wer Kathy’s Reaktion auf die ekligen Angriffe umschreibt mit „wenn ein anderer Blogger mal nen schlechten Tag hat oder seine Realität anders wertet, als es sich objektiv darstellt“ versteht glaube ich grundsätzlich nicht, was in einem vorgehen kann (speziell als Frau), wenn man so etwas erlebt.

    Es ist vollkommen Wurst, ob Kathy bei ihren Reaktionen „objektiv“ war. Es ist, glaube ich, für kaum jemanden, der bislang darüber sekundär-gebloggt hat, möglich „objektiv“ zu sein. Was da gegen sie abgegangen ist, ist eine totale Schweinerei und man sollte sehr, sehr, sehr vorsichtig damit sein, sie zu kritisieren. Außer, man ist selbst schon mal mit Mord und Vergewaltigung bedroht worden …

    Alles, was dazu zu sagen ist hat Danah Boyd schon sehr geschrieben und dem ist wenig hinzuzufügen: http://www.zephoria.org/thoughts/archives/2007/03/26/safe_havens_for.html

    Was mich an dieser Sache absolut auf die Palme bringt, sind Arschlöcher, die Vergnügen daran empfinden, andere Leute zu ärgern und zu terrorisieren. Aber die schlimmeren Arschlöcher sind vielleicht die, die das irgendwie „witzig“ oder „cool“ finden oder als einen Ausdruch freier Meinungsäußerung, auf die man doch bitte nicht so empfindlich reagieren soll. Und genau diese Haltung haben einige eingenommen, die sich aktuell am lautesten über Kathy aufregen.

  • ich denke, dass du ebenso wie ich nach über 20 Jahren Internet schon vieles mitbekommen hast. Kathy ist einer von vielen Fällen, der noch fast glimpflich ausgegangen ist (ich kann nicht beurteilen, wie sie das verarbeiten wird für die Zukunft). Andere Fälle waren noch wesentlich schlimmer, die bis in den Selbstmord des Betroffenen geführt haben. Es ist gut, dass im o.g. Fall (noch) kein Mensch zu Schaden gekommen ist. Heißt es nicht, dass der Mensch das größte Raubtier auf Erden ist? Was also ihr passiert ist, passiert jeden Tag irgendwo. Und es ist gut, dass wir Menschen nicht über dem Gesetz stehen, über andere zu richten, sondern Gerichte, die uns vor uns selbst schützen. Ich muss gestehen, dass ich jeden ohne zu Zögern wohl sein Leben nehmen würde, der meinen Söhnen das Leben nimmt, ob durch einen Unfall oder durch Absicht. Und es gut, dass mich das Gesetz davor abhält. Sprich: man hört die „Gegenseite“, was sie zu sagen hat und urteilt dann. Denn weder Du noch ich können tatsächlich ermessen, was da passiert ist. Ich traue Kathy als Person ebensowenig wie die der anderen Seite in dieser Sache. Und weil eben der Fall so schwer wiegt, ist es gut, dass nicht wir über andere zu richten haben. Es müssen beide Seiten gehört werden.

    Doch letztlich ging es mir dabei weniger um Kathy, sondern wie schnell Menschen über andere Menschen aufgrund des geschriebenen Wortes urteilen und wie schnell doch ein Mensch zu Recht oder aber zu Unrecht sein Ansehen verlieren kann, was nicht minder schwer für manch einen wiegen mag. Wie wehrt man sich gegen die von Dir als Arschlöcher bezeichneten Menschen in einem unkontrollierbarem Netz, das noch zudem durch seinen Anonymität im Guten wie im Schlechten den Menschen dienen kann? Indem man das, wofür man steht, lebt. So schwer das auch sein mag.

    Aber noch eines will ich Dir mitgeben: wenn die Amerikaner sich so sehr um das Fertigmachen eines Bürgers im Netz sorgen, wie sehr machen wir uns Sorgen, dass andere Menschen millionenfach ihre Kinder verloren, weil Demokatrien gemeinsam dazu beigetragen haben, dass dem so ist? In was für einen perversen Welt leben wir? Man liebt einen Blogger mehr, als seine Mitmenschen, die sterben und leiden wie Hund. Man liebt seine Tiere mehr als seine Mitmenschen. Ich mache mir nicht den Schmerz dieser Welt zu eigen jedoch. Und ich werde sie nicht ändern, indem ich über diese Ungerechtigkeit schmachte. Ich kann nur darauf hinweisen, dass man nie vergessen darf, dass man das Recht auf Leben und Freiheit nicht jemanden zugestehen kann und anderen nehmen kann. Nein, Kathy bedauere ich, und die Schuldigen werden Rechenschaft ablegen. Doch mindert das nicht unsere Schuld, nichts zu tun gegen noch viel mehr als ein bedauernswertes Opfer im Netz. Ein Unrecht wiegt nicht das andere auf. Die Worte von Danah Boyd, ausgerechnet einer Anthroplogin, erscheinen mir daher wie blanker Hohn gegenüber den entsetzlichen Verbrechen: My hope is that this incident, as it spreads its way across the web, will make people think twice about the racist, sexist, homophobic, hate-filled, mocking, and otherwise cruel speech that they make space for. I’m all for deleting mean-spirited commentary; i’ve done it time and time again on my blog. I think that we have a responsibility to do our best to make the web a safe space so that we can make society a better place.
    Nein, Kathy bedauere ich, mein Mitleid und mein Zorn richtet sich aber über weit mehr als das hinaus, dass man Worte und Meinungen anficht und die Energien darauf lenken mag, die andere Menschen verletzen. Wenn es das nur wäre, wäre der Globus ein Paradies.

  • Robert, bei allem Respekt: ich stimme Dir zu, dass ein Unrecht das andere nicht aufwiegt. Genausowenig verlange ich aber von einem Menschen Unrecht und Schmerz, der ihm oder ihr zugefügt wird, nach dem Prinzip „aber in Afrika verhungern die Kinder“ zu relativieren. Das ist ein Totschlagargument. Das geht einfach nicht. Wenn Dir einmal ein Schicksalsschlag widerfahren sollte, wirst Du auch nicht hören wollen „aber sieh mal, es gibt doch schlimmere Sachen auf der Welt“.

    Wenn ein Mensch in der Form wie hier geschehen, angegriffen und bedroht wird (wie real oder realistisch diese Bedrohung ist, kann von uns beiden niemand beurteilen), sind emotionale Reaktionen menschlich. Du magst damit anders umgehen. Ich vielleicht auch. Aber wenn Kathy das eben nicht „gelassen“ sieht, dann tut sie es eben nicht. Ich hoffe, Sie hat gute Freunde, die es verstehen, sie zu beruhigen und die Wogen zu glätten. Aber ich kann ihre Reaktion auf diesen unsäglichen Mist nicht verurteilen. Sollte sie dabei rechtliche Grenzen überschritten haben (was ich nicht beurteilen kann) wird sich sich zu verantworten haben. Das ist aber ehrlich gesagt hier nicht mein Thema.

    Und soweit ich das aufgrund der öffentlich zugänglichen Faktenlage beurteilen kann, sind einiger der sich jetzt als Verteidiger der Menschenrechte gerierenden Personen durchaus an diesen Aktivitäten beteiligt gewesen und fanden sie bis zu einem gewissen Punkt „cool“. Und das ist das Problem.

    Worum es mir geht, ist, dass überhaupt nichts „cool“ daran ist, andere Menschen fertig zu machen – auch nicht „ein bißchen“ und „nur zum Spaß“. Ob anonym (=feige) oder stolz unter Nennung des eigenen Namens und geschickt die inkriminierenden Grenzen umgehend. Es bleiben pupertäre – und extrem gemeine – Spiele kranker (meist Männer)Seelen. Das ist wie mit den Griefern in Online-Spielen. Welche kranken Seelen finden Gefallen daran, andere zu nerven, zu quälen und fertig zu machen? Nein, das ist kein Spiel. Das ist Sadismus. Und sexistische, aggressive (zu allem Überfluß auch noch illustrierte) Kommentare in Weblogs sind auch kein Spiel (mit dem sich „die Kumpels“ untereinander dann auch noch brüsten). Meiner Meinung nach ist das kriminell.

    Auch die Vorstufen davon, die wir alle aus bestimmten Weblogs kennen, in denen vorzugsweise andere Menschen fertig gemacht werden – süffig formuliert und unter dem Beifall der Fans in den Kommentaren – finde ich eklig. Das mag nicht kriminell sein, aber es hat die selben Ursachen: Freude daran, anderen Menschen weh zu tun.

    Dass solche Sachen vermutlich „jeden Tag irgendwo passieren“ beruhigt mich ehrlich überhaupt nicht… Ich halte das auch nicht für ein Argument, es weniger wichtig zu nehmen. Das es „Wichtigeres“ auf der Welt geben mag, beruhigt mich auch nicht. Und es geht mir auch nicht um „die Amerikaner“ – zumal zumindest die Beteiligten an der Sache, deren Identität bekannt ist, ja alle Amerikaner sind.

  • als Totschlagargument wars auch nicht gedacht, da haste mich falsch verstanden. Ich hab einerseits zu Beginn gesagt, dass das ständig seit 20 Jahren passiert und nix Neues mehr ist, daher ist der Aufruhr interessant, wie stark Blogs da drauf emotional anspringen, weil man quasi Mitbetroffener ist. Auf der anderen Seite habe ich ebenfalls gesagt, dass ich das null gut heiße, wenn manch einer keine Grenzen kennt, jemanden zu piesacken. Und zugleich habe ich dann ab dem Mittelteil gesagt, dass ich es spannend finde, wenn es nicht mehr so sehr um das eigene Hemd geht (iSv Blogger verstehen sich als Community), dass man dann nicht mehr so hochemotional agiert. Das halte ich für sehr schräg.

  • Lieber Robert, nett bees sein, aber ich denke, wir kommen hier nicht so schnell auf einen Konsens. 🙂 Und verünftige Menschen – wie wir beide – sollten dann irgenwann einig sein, dass sie sich uneins sind und zu anderen Themen weiter schreiten.

    Ich denke, wir beiden sind gar nicht weit auseinander. Und verzeih mir die langen Rants in Deiner Kommentarspalte. Aber mich hat das ziemlich aufgewühlt. Es gibt einfach Sachen, die wühlen mich auf, Große und Kleine. Viele davon sind in der Kategorie „gab’s doch schon immer“. Ändert aber nichts an den Emotionen, die sie bei mir auslösen. Das ich die nicht immer rauslasse, steht auf einem anderen Blatt. Ist so bei mir. Bei anderen ist es anders.

    Ich glaube, der Hauptunterschied in unserer Bewertung der Geschichte ist, wie man mit Kathy’s Reaktion umgehen kann sollte. Und da geht es letztendlich um „Weltanschauung“ … irgendwie. Und über die kann man zwar sprechen aber schlecht diskutieren. 🙂 Cheers.