Sonstiges

offene Unternehmenskulturen

lese das hier über Unternehmenskultur gerade auf Injelea:

Eine Bank zieht in den Krieg. Die ABN AMRO initiierte eine Kampagne, um die Unternehmenskultur „Angst haben und still halten“ zu bekämpfen. Interne Untersuchungen hatten gezeigt, dass Angestellte sich davor fürchten laut ihre Meinung zu sagen, weil sie Angst vor Managementreaktionen und Auswirkungen auf ihre Karriere haben… Marcel [ein Blogger] ist der Ansicht, dass das Einbringen einer Social Software oder anderer Tools per se nicht reicht, um ein Unternehmen und seine Kultur plötzlich anders zu haben. Aber eine begleitende Weblog-Kampagne mit Top-Management, aber auch mit dem Management-Fußfolk, kann wertvoll sein. Beispiele, was Weblogs leisten können:…

ich muss gestehen, dass es mir schwerfällt, daran zu glauben, dass insb. in Großunternehmen eine offene Kommunikations- und Fehlerkultur existieren kann. Ich darf mal überzeichnen:
– die viehische Orientierung nach oben. Schon mal jemals in der Praxis erlebt, wie Mitarbeiter wie bekloppt rumlaufen, wenn der Vorstand was will? Wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, würde man es für eine großartige Comedy halten.
– die dominierende Hierarchiedenke führt dazu, dass Vorstände von Generation zu Generation dieses „Kulturpaket“ auch dem Nachwuchs vererben. Dazu gehören eine Reihe von symbolischen und effektiven Machtkonstrukten, die eine natürliche Entfernung und hohe Barriere zu den normalen homo sapiens im Unternehmen schaffen. Dazu gehören auch die alltäglichen Machtspielchen der Vorstände, nicht selten ausgetragen auf dem Rücken der Mitarbeiter. Diese Spielchen lassen Machiavellis Ansätze erblassen (klitzekleines Praxisbeispiel, leicht verfälscht: Nachbar beschwert sich so von Pool zu Pool beim Vorstand, dass er fälschlicherweise nen Kundenbrief wiederholt bekommen hat. Im Grunde eine völlig uninteressante Story. Aber, der Obergorilla macht Wind, weil sein Nachbar wichtig ist und er ihm einen Kopf präsentieren möchte. Zugleich kann er seinem Vorstandskollegen aus dem zuständigen Bereich einen auswischen. Also fliegt zwei Tage später irgendeine arme Sau raus, die zwar Kizz zu Hause zum Durchfüttern hat, aber aus dem mittleren Management hat keiner auch nur ansatzweise die Eier, so einen Irrsinn zu unterbinden und sich gegen Assoziale aufzulehnen. Das passiert jeden Tag im Geschäftsalltag, jeder kennt das, alle schauen weg bei diesen Machtspielereien. Andere Beispiel mag ich gar nicht beschreiben, weil mir das sonst eh keiner glaubt, zu abstrus sind diese Fälle)
– im Großen und Ganzen ist dieser Teufelskreis kaum zu durchbrechen, denn wir reden hier nicht nur von Macht und hohem Ansehen, die mit so einem Amt verbunden sind, sondern auch teilweise sehr viel Geld (Nettogehälter von 50.000 Euro und mehr pro Monat sind ja nicht selten…). Wenn sich andere Menschen schon für 1000 Euro umbringen, was tun dann wohl diejenigen anstellen, denen so ne fette Beute in Aussicht steht? Offen kommunizieren ist die schlechteste Alternative.

So wächst die Entfernung zwischen Mitarbeitern und Topebene und sie ist so groß geworden, dass „die da oben“ soviel labern können wie sie wollen, Realität ist, dass sich keine Sau mehr für deren Geschwätz interessiert. Man macht seinen Job und tut so, als ob man das neue „Kultur/Service / Irgendwas Programm“ geatmet hätte. In der Hoffnung, dass die eigene Personalnummer nicht eines Tages auf einem Restrukturierungsprogramm landet.

Wieviel ist davon in der Realität wahr? 10%-99%, je nach Großunternehmen und Vorstand.
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siehe auch Meinungsbildnerblog, dessen Autor offensichtlich auch über internationale Vorstandseinblicke genossen hat (ich lediglich aus einigen deutschen Blue Chips): offene Unternehmenskulturen – Krieg der Welten

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

13 Kommentare

  • Es stimmt, was Du schreibst, und es trägt sich noch weiter durch: nicht nur innerhalb eines Unternehmens funktioniert es „so“, auch in nach- und ausgelagterten Arbeitsgruppen, Profitcentern, bei Dienstleistern etcblabla führt dies dazu, dass offene Kommunikation, Abbau von Hierarchieebenen und so weiter nichts als Kosmetik bleiben.
    *würg*

  • Jedes Unternehmen hat eine gewachsene Unternehmenskultur. Durch Kampagnen kann man dieser aber nur sehr schwer ändern. Eine Unternehmenskultur entsteht durch „Vorleben“ im täglichen Alltag. Denn jeder Chef und Vorgesetzter, ist für sein Team und seine/alle Mitarbeiter ein Vorbild (positiv und auch negativ). Egal, ob er/sie will, oder nicht.

    Je größer ein Unternehmen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht mehr Inhabergeführt ist. Und desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo im Management „machtgierige Arschlöcher“ (sorry für den deutlichen Ausdruck) gibt, die den Effekt von solch tollen Kampagnen schnell verpuffen lassen.

  • Richtig, es gibt sie, die Arschlöcher (http://blog.my-skills.com/2006/12/15/arschloch-faktor.html). Aber Arschlöcher kosten das Unternehmen viel Geld, vor allem langfristig. Eine schäbige Unternehmenskultur ist ein dickes Problem, und zwar nicht nur für die Mitarbeiter, sondern für das ganze Unternehmen. Nur ein Beispiel von vielen: Lidl hat erhebliche Probleme, Managementnachwuchs zu gewinnen („Führungschaos beim Discounter“, Titelstory im Manager-Magazin 2/2007). Es gibt meiner Meinung nach nur einen erfolgreichen Weg, den Schwerhörigen die Message klar rüber zu bringen: Die Sprache der Wirtschaft. Man muss den Leuten klar machen, dass eine miese Unternehmenskultur eine erhebliche wirtschaftliche Schwächung bedeutet. Leider wird das durch die vorhandenen Controllingsysteme und Bilanzierungs-Konventionen verhindert. Das Top-Management muss also andere Systeme einführen und, solange das noch nicht geschehen ist, gesunden Menschenverstand walten lassen. Offene Kommunikation ist kein Luxus für die Weichgespülten, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit und eine Bedingung für Zukunftsfähigkeit.

  • Gerald, Dein Appel an den gesunden Menschenverstand in allen Ehren. Wäre schön, wenn es so funktionieren würde. Aber meiner Meinung (und vereinzelten Erfahrung) nach, geht bei „Topmanagern“ (damit sind besonders die Manager in der oberen Führungsetage grosser Konzerne gemeint) der eigene Vorteil über den Firmenvorteil. Und so lange, wie der Erfolg (auch der finanzielle) eines Topmanagers nicht an den Erfolg des Unternehmens gekoppelt ist, so lange sind die von Dir beschriebenen Punkte nur Sonntagsreden für die Image- und Unternehmensbroschüre.

    Lidl ist nur eine Ausnahme, wenn auch eine besonders krasse.

  • Ich traue den bunten Prospekten der Unternehmenskultur auch nur von hier bis zur Tischkante.

    Was wären denn Anzeichen / Kriterien ehrlicher und authentischer U. Kultur?

  • „Und so lange, wie der Erfolg (auch der finanzielle) eines Topmanagers nicht an den Erfolg des Unternehmens gekoppelt ist,…“ – auch das gehört zu den von mir angesprochenen Controlling-Systemen. Im übrigen glaube ich nicht, dass ein Unternehmen meine Kritik-Punkte in die Imagebroschüre aufnehmen würde, wozu? Die Unternehmen würden niemals zugeben, völlig kontraproduktive Systeme und Kulturen kreiert zu haben. Und wenn nun ein Unternehmen eine Kampagne einleitet zur Förderung einer offenen Kommunikation (der Ausgangspunkt in Roberts Beitrag), dann sollte das Anerkennung finden und nicht gleich wieder mit Killerphrasen zerschossen werden („wird niemals funktionieren, wird sich nie ändern“). Wie bitte schön, soll sich denn sonst etwas ändern? Das Unternehmen erklärt allen Mitarbeitern, dass „€œAngst haben und still halten“€? nicht mehr angesagt ist und eine offene Kommunikation gewünscht ist. Das ist nur die Martketing-Seite, das muss gelebt werden, und zwar nachhaltig (wenn die Marketingleute schon längst wieder ihr neues Projekt haben). Es ist aber ein Anfang, da gebe ich Marcel Recht. Robert hat schon viel geschrieben über die Macht der Blogs – wenn ich dem folge: Warum sollen Blogs die Politik und Gesellschaft allgemein verändern können, aber nicht die Unternehmen???

  • Gerald, spannendes Thema, wir sollten das Thema vertiefen. Vielleicht in Deinem oder meinem Blog? Ich lasse mir was einfallen, zumal ich ohnehin hier schon einiges geschrieben habe.
    Bekanntlich kommt aber erst das Fressen – und dann die Moral. (Konkret: erst Fussball… 😉

    Bis dann, Armin

  • aber es gibt doch Blogs und Berater dazu, das bekommen wir schon hin….*zählt Schafe

    Robert, gut beschrieben

    Ich kenne den Fall, wo der ISO-9000-Auditor mit der Frau des…

    und doch…ich blog das KÖNNTE was bedeuten, danach

  • Ich glaube IBM – der alte Dampfer – hat da teilweise was zu bieten. Gerüchteweise soll der frühzeitige Abbruch eine Projektes mit ein Party gefeiert werden. Weil – man hat dem schlechten Geld nicht noch mehr gutes Geld hinterhergeworfen. So kann durchaus was funktionieren.
    Die beschriebene Angst in grösseren Unternehmen ist ein sehr effektiver Innovationskiller. In den letzten Jahren konnte ich das gut beobachten – wenn was neues eingeführt werden soll und keiner weiss ob das funktioniert entscheiden sich dann viele Verantwortliche fürs Abwarten. Geht es schief, müssten sie sonst um ihren Kopf fürchten – bei der nächsten Entlassungswelle. Manchmal kann das auch nur eingebildet sein – trotzdem funktioniert der Mechanismus. Der Trend geht dann zu Projekten wo man eben den Kumpel aus dem Tennis-/Golf-/usw. Club fragen kann wie er das gemacht hat. Ein Superargument für die SAPs und Co. dieser Welt. ich hab da schon echt viel Verschwendung gesehen. Ich habe da massig Projekte gesehen, die eine Spitzenmarginalrendite gehabt hätten, wenn sich die Leute nur getraut hätten was innovatives zu machen.

  • offene Unternehmenskulturen – Krieg der Welten…

    Ich arbeite ja jetzt schon seit ein paar Jahren mit und für internationale Unternehmen und ich muss immer wieder schmunzeln wenn ich die Meinung außenstehender zum Thema Unternehmenskultur lese und höre, denn viele Menschen die ich get…

  • Robert, was Du hier beschreibst, gilt in gleicher Weise auch für Behörden. Man könnte ja die Hoffnung haben, dass sich her mehr Leute trauen, auch mal den Mund aufzumachen, weil ja faktisch unkündbar. Aber die Radler-Mentalität geht leider auch hier vor.

  • Ob und was so eine Kampagne (wie bei ABN ANRO) tatsächlich erreicht, das lässt sich eigentlich immer nur von innen feststellen (aus dem Inneren der Mitarbeiter). Aber ohne Versuch kein Irrtum – aber auch kein Erfolg.

    Jedoch sehe ich es ähnlich wie Andreas: Eine Kampagne allein macht noch keinen Frühling. Das Management wird an seinen Taten gemessen. Daran, wie sie ihrer Vorbildfunktion nachkommen und wie die Kultur von oben gelebt wird. Das Messergebnis entscheidet darüber, ob Mitarbeiter einfach nur ihre Zeit absitzen, um das Gehalt zu bekommen, oder ob sie sich den A**** für das Unternehmen aufreißen.

    Werte und Unternehmenskultur waren bislang selten Kriterien im Wettbewerb der Unternehmen um Mitarbeiter. Mit den sich abzeichnenden Änderungen in der Arbeitsmarktsituation aufgrund des Demographiewandels könnte bestimmten Unternehmen die Belegschaft schon mal ausgehen.

    Aber die Frage ist nicht nur: Wie wichtig sind Managern solche Kriterien? Genauso relevant ist die Frage: Wie wichtig sind den Arbeitnehmern diese Kriterien?

    Wem diese Kriterien wichtig sind, der muss auch darüber reden und sie anmahnen. Und bei Ansätzen (wie der ABN AMRO Bank) aktiv mitmachen, damit „denen da oben“ das klar wird.